Duisburg. Hunderttausende treten jedes Jahr aus der Kirche aus, TV-Star David Friedrich wählt den umgekehrten Weg: Wie er in Duisburg zurück zu Gott fand.

Millionen Fernsehzuschauer sahen zu, als er in der RTL-Sendung „Bachelorette“ das Herz einer schönen Frau eroberte. Als er im Dschungelcamp Fischaugen und pürierte Tauben verspeiste. Jubel aus zigtausenden Kehlen brandet auf, wenn der Duisburger David Friedrich auf der Konzertbühne für seine Metalcore-Band Electric Callboy gekonnt aufs Schlagzeug eindrischt. Der prominente Musiker und Influencer will möglichst viel von der Welt sehen. Seine Herzensheimat bleibt allerdings Neumühl, wo er allem Trubel entkommen kann.

Er ist in Neumühl aufgewachsen und hat im Hochbunker noch immer einen Proberaum gemietet. In der Corona-Krise hat der 32-Jährige, der inzwischen in Viersen lebt, zu Gott zurückgefunden. Er ist wieder in die katholische Kirche eingetreten, wo ihn Pater Tobias im Schmidthorster Dom willkommen hieß. Damit zählt er zu den berühmtesten Mitgliedern der Kirchengemeinde Herz-Jesu.

Im Hochbunker von Duisburg-Neumühl hat David Friedrich seinen Schlagzeug-Proberaum.
Im Hochbunker von Duisburg-Neumühl hat David Friedrich seinen Schlagzeug-Proberaum. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Vom Stahlkocher bei Thyssen zum Schlagzeuger und Influencer

„Glaube ist der Anfang von allem, nur mit Glauben gibt es Hoffnung“, sagt David Friedrich. Nicht aus Überzeugung sei er als junger Mann aus der Kirche ausgetreten, sondern vor allem „weil ich damals als freischaffender Künstler jeden Cent zweimal umdrehen musste“. Für seine Berufung als Schlagzeuger gab er eine sichere Anstellung bei Thyssenkrupp auf.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Youtube, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Vom Hochofen war der gelernte Stahlkocher zunächst in die Personalabteilung gewechselt. Doch schnell merkte er, dass er nicht für Anzug und Krawatte und schon gar nicht für Büro-Intrigen geschaffen war. Daher kündigte er schließlich und nahm 2012 das Angebot an, bei der Metalcore-Band Electric Callboy einzusteigen, die damals noch Eskimo Callboy hieß.

Sein erster Auftritt beim legendären Rockfestival Wacken hat sich in seinem Gedächtnis eingebrannt. Seine Hände, mit den Drumsticks darin, zitterten vor Aufregung. Adrenalin schoss ihm durch den Körper. Doch unter dem Jubel der Fans fiel alle Anspannung von ihm ab, wich „einer großen Leichtigkeit“ und „sehr viel Spaß“.

„Geld und Sicherheit sind wichtig. Aber wenn du tust, was du liebst, verdienst du auch irgendwann Geld damit“, sagt der Neumühler rückblickend. Ihm ist es gelungen. Mit seinen Bandkollegen tourte er erfolgreich durch die Welt, und ihre Platten kletterten in die deutschen Charts.

Duisburger David Friedrich drehte Musikvideos in seiner Heimatstadt

Vokuhila, Schnubbi und grelle Outfits: Im Musikvideo zu „Pump it“ nehmen sich David Friedrich (unten links) und seine Musikerkollegen von Electric Callboy nicht zu ernst. Teile des Clips sind in Duisburg entstanden.
Vokuhila, Schnubbi und grelle Outfits: Im Musikvideo zu „Pump it“ nehmen sich David Friedrich (unten links) und seine Musikerkollegen von Electric Callboy nicht zu ernst. Teile des Clips sind in Duisburg entstanden. © Electric Callboy

Die Gruppe aus Castrop-Rauxel steht für einen frischen Mix aus brachialem Sound und elektrischer Tanzmusik, nimmt sich aber nicht allzu ernst. Erst recht nicht in ihren Musikvideos, die teilweise in Duisburg entstanden. Für den launigen Song „Pump it“ liefen unter anderem Dreharbeiten im Fitnessstudio „John Reed“ gegenüber vom Rathaus. Electric Callboy bewarb sich für den diesjährigen Eurovision Song Contest, scheiterte jedoch an der NDR-Jury. Friedrich und die übrigen fünf Musiker nehmen die Absage mit Humor.

Duisburger Bachelorette-Gewinner schwärmt von den tollen Dates

„Ich bin ein Freigeist und will was erleben“, sagt David Friedrich gut gelaunt beim Gespräch in Neumühl. Das sei auch sein Antrieb gewesen, als er 2017 an der Kuppelshow „Bachelorette“ teilnahm. Die große Liebe hatte er nicht erwartet, freute sich aber auf neue Erfahrungen. „Solche tollen Dates erlebt man ja sonst nicht“, sagt er nun und meint die Rendezvous auf Mauritius und in Südafrika.

Diese Dates genoss auch die Bachelorette Jessica Paszka. Sie wählte den Schlagzeuger zum Sieger, und die beiden wurden auch nach der Sendung ein Paar. Jedoch währte das Glück nicht lang, die Beziehung zerbrach am Alltag.

Auch interessant

Später krempelte die Pandemie Friedrichs gewohnten Alltag völlig um. Die Livekonzerte fielen aus, und in der Quarantäne wegen einer Corona-Infektion durfte er keinen Schritt vor die Haustür machen. „Das war ganz schlimm für mich.“ Diese Situation bot ihm aber die Chance, über sein Leben nachzudenken – und so lernte er sich selbst in der Corona-Krise besser kennen.

TV-Show als Seelenkur: „Ich würde sofort wieder in den Dschungel gehen“

Oft, sagt der Musiker, habe er sich ziemlich verloren. Auch im Dschungelcamp, das er 2018 als Viertplatzierter verließ. Zwar betrachtet er diese beiden TV-Erlebnisse als „die beste Zeit meines Lebens“. Aber heute räumt er ein: „Im Dschungel war ich nicht mehr ich selber.“ Zu stark habe er an die Kameras gedacht, an den Eindruck beim Publikum. Das kostete ihn Authentizität. Und trotzdem sagt er: „Ich würde sofort wieder in den Dschungel gehen.“

[Nichts verpassen, was in Duisburg passiert: Hier für den täglichen Duisburg-Newsletter anmelden.]

Denn das australische Camp habe er wie „Detox für die Seele“ empfunden. Zudem hat er seine jetzige Lebenspartnerin Sina Lacey durch die Sendung kennengelernt. Die RTL-Redakteurin und der Musiker trafen sich bei Dreharbeiten für einen Vorbericht. Doch erst in der Corona-Krise, vor knapp einem Jahr, wurden die beiden ein Liebespaar.

Heute ist David Friedrich mit sich im Reinen. „Du solltest immer auf dein Bauchgefühl hören“, ist eine Lehre, die er aus der Pandemie und aus der Selbstreflexion gezogen hat.

Flüchtlingshilfe im Grenzgebiet zwischen Polen und der Ukraine

So zögerte er nach Kriegsbeginn nicht und engagierte sich für die Opfer in der Ukraine. Mit einem Kumpel und dem befreundeten Gustav Schäfer von der Band Tokio Hotel fuhr er für mehrere Wochen nach Polen, zum Elternhaus seiner Mutter. Von dort aus fuhren sie Hilfsgüter zur polnisch-ukrainischen Grenze und organisierten Flüchtlingstransporte zu Notunterkünften.

Auch interessant

Die Hilfsgüter kauften der 32-Jährige und seine beiden Freunde täglich ein, zielgerichtet nach ukrainischen Wunschlisten, und übergaben sie im Grenzgebiet. Das Geld hatten größtenteils Fans über eine Online-Kampagne gespendet. Auf den vielen Rückfahrten brachten die Kumpels etliche junge Mütter und ihre Kinder nach Polen. Kontakte zur örtlichen Flüchtlingshilfe und zu Politikern aus beiden Ländern stellte die Duisburger Hilfsorganisation ISAR her.

Ganz wichtige Lektion von ukrainischen Kindern gelernt

Trotz des Leids und des Kummers, den David Friedrich in der polnisch-ukrainischen Grenzregion miterlebte, sei es „auch unfassbar schön zu sehen, wie viel Hoffnung es gibt“. Und dass sich Fremde ganz selbstverständlich in der Not beistehen. Stark beeindruckt haben den Neumühler, so teilte er es kürzlich auf Instagram mit, vor allem die ukrainischen Flüchtlingskinder. Von ihnen habe er eine ganz wichtige Lektion gelernt: „Niemals das Lachen verlieren.“

Auch interessant

Das fällt ihm jetzt auf der ausverkauften Europatournee mit Electric Callboy besonders leicht. „Endlich geht es wieder los. Wir sind alle Bühnenmusiker, und wir sind alle so was von heiß“, freut sich David Friedrich, der mit der Band zudem an einem neuen Album arbeitet.

>> ERSTES KONZERT IM PARKHAUS MEIDERICH

● Sein erstes Konzert gab der Musiker David Friedrich im Parkhaus Meiderich. Für ihn würde ein Traum in Erfüllung gehen, wenn er in vielen Jahrzehnten seine Musikkarriere dort mit einem letzten Konzert beenden könnte.

● Ob er dann Metalcore-Lieder spielt, weiß er noch nicht. „Denn ich bin ein absoluter Schlager-Fan“, sagt der 32-Jährige. Er ist ein bekennender Fan der Flippers, mag aber auch klassische Musik und amerikanischen Hiphop.

● Seine Bekanntheit nutzt er auch, um Kriegsflüchtigen aus der Ukraine zu helfen. Bei einer Spendenaktion sind schon mehr als 100.000 Euro zusammengekommen. Auch der Verkaufserlös eines Band-Shirts fließt in die Kampagne „Soforthilfe für ukrainische Flüchtlinge“, die auf www.gofundme.com zu finden ist.