Essen. Eskimo Callboy wollen mit ihrer Hitsingle „Hypa Hypa“ aus dem Album „MMXX“ die Laune heben und haben sich Sasha, The Boss Hoss & Co. dazugeholt.

Wenn sich Popsänger Sasha mit Schnubbi und Vokuhila durch die Rollerdisco singt, dann muss irgendetwas dahinterstecken. Die beiden nicht minder außergewöhnlich gekleideten Skater, die danach dazurollern, geben die Auflösung: Kevin Ratajczak und Nico Sallach, Frontmänner der Band Eskimo Callboy, haben ihren im vergangenen Jahr zur Hitsingle aufgestiegenem Song „Hypa Hypa“ in ein neues Genre gepresst. Oder besser gesagt: in gleich mehrere. Neben Sasha, steuern auch unter anderem The Boss Hoss, die 257ers und Saltatio Mortis Versionen bei. Das Ergebnis gibt’s auf der neu veröffentlichten EP „MMXX – Hypa Hypa Edition“. Maxi Strauch sprach mit Sänger Kevin Ratajczak über das ungewöhnliche Projekt, Castrop-Rauxel und prominente Drummer.

Was haben Eskimo Callboy und Sasha gemeinsam?

Kevin Ratajczak: Den Pop im Blut! Unsere Musik zeichnet sich dadurch aus, dass wir gerne diese klassischen Pop-Hooks benutzen. Dass man wirklich mitsingen kann und die Dinger auch im Ohr bleiben. Er ist kein Pott-Junge, aber er hat eine ganze Weile in Dortmund gelebt. Da ist also ein bisschen Pott drin, im Sasha. Und wie Eskimo Callboy hat auch Sasha ganz viel rumprobiert mit der Mucke, die Genres gewechselt.

Wie würden Sie den Musikstil Ihrer Band denn beschreiben?

Es ist harte Metal-Rockmusik mit elektronischen Einflüssen, also Trance- und Techno-Einflüssen. Für die, die sich überhaupt nicht auskennen: Es ist tanzbarer Metal. Es ist ein bisschen modern und, was ich immer gesagt bekommen, es ist nicht diese typische harte Musik. Man kann sich, auch wenn man kein Metal mag, in unsere Musik verlieben. Aber wir haben auch schon ganz viele Ausflüge in andere Musikrichtungen gemacht.

In ihrem Musikvideo zu „Hypa Hypa“ sind die Bandmitglieder kaum wiederzuerkennen.
In ihrem Musikvideo zu „Hypa Hypa“ sind die Bandmitglieder kaum wiederzuerkennen. © Eskimo Callboy | Eskimo Callboy

Das hört sich nicht nach Mainstream an. Trotzdem ist eine Single der Band im vergangenen Jahr durch die Decke gegangen. Was glauben Sie, warum?

Wir hatten uns Anfang 2020 von unserem damaligen Sänger getrennt. Wir hatten Ersatz gesucht und gefunden – den Besten, den wir hätten kriegen können. Und dann wollten wir ganz schnell durchstarten. Eigentlich waren wir voller Tatendrang im Studio. Haben neue Songs geschrieben, haben Knallgas gegeben. Und dann kam Corona. Keine Shows mehr, keine Konzerte. Und das war für uns der Moment: Jetzt erst recht, jetzt brauchen wir einen Gute-Laune-Song.

Und dann kam „Hypa Hypa“ ...

Es war der erste Song, den wir für unser geplantes neues Album geschrieben haben. Als das mit Corona noch mehr Fahrt aufgenommen hat, haben wir gesagt, wir machen kein Album, wir machen eine EP. Zum einen, weil wir unseren neuen Sänger Nico vorstellen wollten und zum anderen, weil wir dachten, die Leute brauchen uns jetzt. Da haben wir uns ein gedachtes Superman-Cape umgehangen, um die Laune zu heben. Und jetzt, ein Jahr später kann man sagen: Das hat geklappt, wenn ich mir die Youtube-Kommentare so anschaue.

Nicht nur Sasha, auch andere Künstler haben das Lied gecovert und in ihr Genre übertragen. Wie ist es dazu gekommen?

Das ist eigentlich aus einer Schnapsidee entstanden. Du kannst nicht auf Tour, du spielst keine Festivals. Und wir müssen ein neues Album schreiben. Da brauchst du auch mal Ablenkung. Und dann haben wir unseren TikTok-Channel gestartet. Da haben wir einfach aus Spaß an der Freude unterschiedliche „Hypa Hypa“-Stile aufgenommen, eine bayrische Version und eine Black-Metal-Version. Als wir dann überlegt haben, wie wir die Zeit bis zum nächsten Album überbrücken können, dachten wir: Hey, das ist doch so gut angekommen, lass uns das doch mal ernsthaft angehen.

Und dann haben Sie Sasha angerufen?

Ein paar Künstler, die wir rekrutieren konnten, kannten wir schon. Saltatio Mortis, 257ers, We Butter The Bread With Butter oder Axel One. Boss Hoss kannte ich durch einen Podcast-Besuch. Sasha war Kalt-Akquise, dem haben wir eine Mail geschrieben. Wir haben gedacht, wir brauchen eine richtig geile Pop-Stimme. Und da kam uns sofort Sasha in den Sinn. Das ist der perfekte Mann! Und so kam’s dann auch. Und dann sollten wir Sasha einfach anrufen. Ein, zwei Wochen später stand er bei uns im Studio.

Sind Sie zufrieden oder fehlt noch eine Version?

Wir haben alles abgedeckelt. Wir haben noch eine Sache, aber das will ich noch nicht erzählen. Eine Version haben wir noch ausstehen, die auch gefordert wurde, aber die ist ein bisschen jahreszeitenabhängig. Aber erst einmal hatten wir genug für die EP.

Der Großteil der Band kommt aus Castrop-Rauxel. Eher eine ungewöhnliche Brutstätte für erfolgreiche Bands …

Über Umwege sind da viele mal durchgekommen. Ich meine, der Tourbus der Rolling Stones ist sogar damals an unserer Ausfahrt 26 von der A42 vorbeigefahren.

Prägendes Ereignis …

Natürlich. Da standen wir oben auf der Brücke und haben gewunken. Danach habe ich mir meine erste Gitarre gekauft.

Was hat denn Castrop-Rauxel, was Berlin nicht hat?

Sorry, aber der Werbeslogan für unsere wunderschöne Heimatstadt ist auch „Europastadt in grün“. Und das trifft es eigentlich ganz genau. Wir haben, auch wenn wir eine Pottstadt sind, die man immer mit Zechenkultur in Verbindung bringt, unglaublich viel Grün. Und wir haben trotzdem Highlife. Das Gute am Ruhrgebiet ist ja, dass du mit dem Auto in 5-10 Minuten jede größere Stadt im Umkreis erreichen kannst.

Jetzt haben wir eine erfolgreiche regionale Band. Aber auf der anstehenden Tour 2022 kommt sie nicht in die Region, wie kann das sein?

Das ist so eine Sache. Das Ding ist, wir können das nur sehr bedingt steuern. Die Shows, die gebucht werden, darum kümmern sich regionale Veranstalter. Und die machen das in Zusammenarbeit mit unserem Booking. Und da geht’s leider – und davon wollen wir eigentlich gar nichts wissen – ganz viel um wirtschaftliche Faktoren.

Aber egal wohin: Hauptsache endlich wieder live auftreten, oder?

Am Anfang war die Angst: Was machen wir, wie klappt das? Dann war es irgendwann: Okay, wir nutzen jetzt die Zeit sinnvoll. Und jetzt sind wir in der Phase: Es nervt nur noch. Das merkt man auch an den Leuten. Die Menschen sind am Ende ihrer Ausdauer, nervlich angespannt. Ich kanns einfach kaum erwarten, wieder live zu gehen. Vor zwei, drei Wochen hatten wir einen Gastauftritt bei Saltatio Mortis, die haben eine „Hypa Hypa“-Version bei einem Streaming-Konzert gespielt. Und da haben wir kurz ein paar Minuten Bühnenluft schnuppern können. Auch wenn es nur ein Streaming-Konzert war, es war so geil, das zu spüren. Wir haben Januar 2022 direkt unsere vierwöchige Tour. Wenn die nicht stattfindet, dann kannst du mich eintuppern.

Sänger Nico Sallach ist seit vergangenem Jahr Teil der Band. War es komisch, nach so langer Zeit mit einem anderen Sänger zu arbeiten?

Komisch, aber ohne die negative Besetzung, die man sich vielleicht denkt. Klar war es ungewohnt. Man hat Abläufe, die in Fleisch und Blut übergegangen sind. Das muss man einfach neu erlernen. Es war eine absolute Befreiung, Nico zu haben. Seitdem läuft’s. Und das war dieser Knoten, der geplatzt ist. Da sind wir schon sehr glücklich. Und die Eingewöhnung – das ist wie, als wenn du ein neues Handy hast. Das alte Handy kanntest du. Jetzt musst du eine Woche rumprobieren, aber danach ist es viel geiler. Und darauf kommt’s doch an.

Zu einem anderen Bandkollege: Drummer David Friedrich ist relativ prominent. Er hat das Herz der Bachelorette gewonnen und fast auch die Krone im Dschungelcamp (Platz 4). Spielt Ihnen diese ganz andere mediale Aufmerksamkeit in die Karten?

Ich würde sagen gar nicht. Am Anfang hat man uns unterstellt, wir schicken David dahin, damit eben genau diese Aufmerksamkeit auf uns gelenkt wird. Aber so war es gar nicht. David kam irgendwann und sagte: „Ey, ich habe mich im besoffenen Kopf da registriert. Und dann haben die mich angerufen und wollen mich.“ Und wir waren eher dagegen, weil wir kein Kasper sein wollten. Wir wollten unsere Kredibilität nicht verlieren, indem wir ihn in so ein Trash-Format schicken, aber wir haben gesagt: Mach, was du meinst und werde glücklich. Wir stehen dir nicht im Weg. Und er hat das gemacht und ganz ehrlich, da kam gar nichts.

Keine neuen Fan-Scharen?

Da standen vielleicht ein paar mehr Muttis auf unseren Konzerten. Normalerweise wollen die Leute erst zu den Frontmännern, aber plötzlich sind die einfach komplett an uns vorbeigelaufen. Du hast halt gemerkt, den geht es nicht um die Mucke. Solche Fans brauchst du auch für deine Band nicht. Und dementsprechend: David macht das schon so lange. Der hat jetzt quasi zwei Persönlichkeiten. Das hat mit unserer Hörerschaft, Fangemeinschaft nichts zu tun.

Zum Abschluss: Was ist das Erste, was Sie machen, wenn Lockdown und Pandemie vorbei sind?

Eine Party, Freunde sehen, alle gleichzeitig. Bei Videodrehs werden wir alle vorher getestet, wir müssen unseren Mundschutz tragen. Aber allein das Gefühl, mehrere Menschen zusammen zu sehen ... und ein bisschen die beschwingte Stimmung zu spüren, dieses soziale Miteinander. Man ist immer so angespannt. Ich brauche andere Menschen, um loslassen zu können. Das brauche ich und das mache ich auch. Dicke Party, im Garten, Grill raus, Kasten Bier, ab in die Sonne.

>>> Info:

Hypa Hypa European Tour 2022: 15.1.22 Köln (Palladium). Ticket: 45,65 €.

EP MMXX – Hypa Hypa Edition, VÖ 21.5., mit Versionen von Sasha, The Boss Hoss, 257ers, Saltatio Mortis, Gestört aber Geil Remix, We Butter the Bread with Butter und Axel One. Infos: www.eskimocallboy.com