Duisburg. Erst verteilt Duisburgs OB eifrig Bibliotheksausweise, dann macht er die Büchereien in den Bezirken dicht. Dieser Sparvorschlag ist nur eine von vielen Grausamkeiten, die die Stadtspitze seit Jahren aus der Schublade hervorkramt: Gebühren rauf, Standards runter. Ein Kommentar von Ingo Blazejewski.

Wer den Oberbürgermeister nach der „Totlast“-Absage einen Kunstbanausen nannte, wird jetzt eines Besseren belehrt: Sören Link ist sehr wohl ein Freund der Hochkultur, schließlich erklärte er die Oper bei der Spardebatte für tabu, will dafür lieber Schwimmbäder und Jugendzentren schließen. Der OB muss sich der Außenwirkung seiner Vorschläge bewusst sein: Erst verteilt er eifrig Bibliotheksausweise, dann macht er die Büchereien in den Bezirken dicht. Der Bürger wird da kein Beifall klatschen.

Überhaupt wirft die Stadtspitze bei der Sparpflicht Grausamkeiten in den Ring, die sie seit Jahren aus der Schublade hervorkramt: Gebühren rauf, Standards runter, was noch nicht geschlossen ist, kostet dann halt mehr Eintritt.

Höhere Kita-Gebühren, weniger Spielplätze und Sprachförderung sind nicht kinderfreundlich

Fatal kann sich die Erhöhung der ohnehin immensen Kita- und Ogata-Gebühren auswirken: Berufstätige Eltern werden für die Betreuung ihrer Kinder geschröpft, während Nachbarstädte mit Gebühren-Freiheit werben. Zugleich wird im Rathaus noch am Abbau von Spielplätzen gebastelt. Eine „kinderfreundliche Stadt“ sieht wahrlich anders aus. Dass bei den bekannten Problemen im Schulbereich auch noch die Sprachförderung dem Rotstift geopfert werden soll, diesen Vorschlag hätten wohl die Wenigsten von einem OB erwartet, der von Hause aus Bildungspolitiker ist.

Die Einfallslosigkeit dokumentiert sich besonders an zwei weiteren Beispielen: Schon bei der Vorstellung des vierten Radarwagens erklärten die Mitarbeiter, dass damit die Ausbeute im Wesentlichen erschöpft sei. Zudem gab es einen Rüffel von der Regierungspräsidentin, weil die Blitzer-Fahrzeuge nicht alleine der Haushaltssanierung dienen dürfen. Jetzt soll trotzdem Radarwagen Nummer fünf kommen. Der soll zwar 460.000 Euro an Bußgeldern einbringen, kostet aber auch samt Personal 440.000 Euro im Jahr. So bleiben am Ende nur 20.000 Euro in der Kasse.

Sparvorschläge für den Duisburger Haushalt

Duisburg unter Sparzwang

Eine bittere Tränenliste liegt dem Rat der Stadt Duisburg gerade vor. Es geht darum 10,7 Millionen Euro im Haushalt einzusparen. Dafür hat der Kämmerer 108 Sparvorschläge eingereicht. Hier sind die schmerzhaftesten Vorhaben, über die die Politiker entscheiden müssen.

Plus: 638.550 Euro

Stationäre Blitzeranlage auf der baufälligen Neuenkamper A 40-Rheinbrücke zur Geschwindigkeitskontrolle. Wartung und Überwachung soll extern vergeben werden.

Plus: 250.000 Euro

Einführung einer Zweitwohnsitzsteuer, die u.a. schon Dortmund, Mülheim oder Essen erheben. 11.818 Bürger haben in Duisburg einen Nebenwohnsitz angemeldet, rund die Hälfte wäre steuerpflichtig.

Plus: 19.500 Euro

Anschaffung eines fünften Blitzerwagens

Plus: 415.796 Euro

Zehn zusätzliche Kontrolleure für den ruhenden Verkehr (von 39 auf 49).

Plus: 9000 Euro

Höhere Entgelte für die Rheinhausen-Halle, die Glückauf-Halle und die Stadthalle Walsum.

Minus: 242.000 Euro

Nichtbesetzung der Bezirksamtsleiterstellen in Hamborn und Homberg/Ruhrort/Baerl. Die Aufgaben sollen von den Bezirksamtsleitungen Walsum und Rheinhausen übernommen werden.

Minus: 163.333 Euro

Reduzierung des städtischen Eigenanteils durch Erhöhung der Elternbeiträge für die Offenen Ganztagsgrundschulen um zehn Prozent.

Plus: 101.675 Euro

Höhere Entgelte bei der Volkshochschule und Einstellung der Studienfahrten.

Plus: 120.000 Euro

Höhere Entgelte in der Stadtbücherei.

Minus: 24.752 Euro

Einstellung der Fahrbibliothek der Bücherei

Minus: rund 520.000 Euro

Schließung der Stadtteilbüchereien Ruhrort, Vierlinden, Wanheimerort, Neumühl und Beeck

Minus: 59.633 bis 191.757 Euro

Aufgabe des Kleinkunsttheaters „Die Säule“ ab 2015/16.

Minus: 60 000 Euro

Akzente und Traumzeitfestival ab 2016 jährlich im Wechsel

Minus: 542.500 Euro, ab 2016 1,25 Mio €

Einstellung der Zuschüsse Sprachförderung in Kitas

Plus: 174.900 Euro bis 1 ,5 Mio €

Anhebung der Elternbeiträge für Kindergärten alle zwei Jahre um 5 Prozent

Minus: 2,7 Mio Euro bis 2021

Schließung der Jugendzentren Rügenstraße und Spielzentrum Süd

Minus: 300.000 Euro

Schließung des Freibades Homberg.

Minus: 170.000 Euro

Schließung des Hallenbades Neuenkamp.

Minus: 220.000 Euro

Schließung der Hallenbäder Großenbaum und Wanheim 2017.

Plus: 100.000 Euro

Erhöhung der Eintrittsgelder um 50 Cent in den Bädern Homberg, Neuenkamp, Großenbaum und Wanheim.

Plus: 380.000 Euro

Erhöhung der Parkgebühren, u.a. eine Stunde ein Euro statt 50 Cent

Plus: 89.420 Euro

Die Fortführung des Sozialberichts (eine freiwillige Leistung) wird eingestellt.

Plus: 120.000 Euro

Die Förderung von Familienhebammen wird eingestellt.

Plus: 35.000 Euro

Das Jugendparlament wird aufgelöst.

Plus: 64.150 Euro

Erhöhung der Eintrittspreise bei den Philharmonikern.

Plus: 35.900 Euro

Erhöhung der Eintrittspreise im Theater der Stadt Duisburg

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Land und nicht die Stadt entscheidet über festen A40-Blitzer

Zweites prominentes Beispiel, bei dem sich die Stadt dem Vorwurf der „Abzocke“ stets verwehrt und das trotz aller Bemühungen der Vorjahre nie realisiert wurde: ein fester Blitzer. Knapp eine Million Euro an Bußgeldern soll der Starenkasten auf der A40-Brücke einspielen. Hier macht die nackte Not doch noch erfinderisch: Als Vorwand schiebt die Stadt diesmal den „baulichen Zustand“ der Brücke vor. Ob der Blitzer kommt, entscheidet allerdings das Land und nicht die Stadt.

Jetzt ist die Politik am Zug. Acht Wochen bleiben ihr Zeit für die Haushaltsberatungen. Sollte sie dabei keine neuen Einnahmequellen finden, keine anderen Sparpotenziale aufdecken und auch das verbleibende Tafelsilber vor dem Verkauf retten wollen, wird ihr am Ende nur der - ebenfalls wenig originelle - Schritt übrig bleiben, um den Kahlschlag zu verhindern: wieder einmal die Grundsteuer zu erhöhen.