Duisburg. Auch bei den Fahrdienstleitern der Deutschen Bahn in Duisburger Stellwerken ist die Personalsituation angespannt. Chaos wie in Mainz droht nicht , sagt ein Gewerkschafter. Aber plötzliche Krankheitsfälle könnten auch in Duisburg zu Problemen führen - mit Auswirkungen auf ganz NRW.

Gleise ohne Verkehr, aber Fahrgäste mit viel Wut im Bauch. Weil es für kranke und beurlaubte Fahrdienstleiter im Stellwerk keinen Ersatz gibt, ähnelt der Hauptbahnhof Mainz teils einem Geisterbahnhof. Ein ähnliches Chaos ist in Duisburg vorerst nicht zu erwarten, glaubt Jürgen Brügmann, Geschäftsstellenleiter der Eisbahn und Verkehrsgewerkschaft Duisburg (EVG).

Aber: Auch in Duisburg könnten plötzliche Krankheitsfälle eine wackelige Personalkonstruktion zum Einsturz bringen. „Dann landen wir böse auf dem Bauch“, sagt Brügmann. Wie eng die Personaldecke ist, macht der Gewerkschafter am Beispiel der Betriebszentrale Duisburg deutlich. Von dort werden große Teile des Zugverkehrs in Nordrhein-Westfalen gesteuert und überwacht, darunter etwa Verbindungen von Köln nach Aachen, die Strecke zwischen Krefeld und der niederländischen Grenze und der ICE-Verkehr zwischen Köln und Siegburg. „Allein zwischen Januar und August sind dort 20.000 Überstunden zusammengekommen”, sagt Brügmann über diesen zentralen Knotenpunkt des Bahnverkehrs.

Arbeit eines Fahrdienstleiters ist anspruchsvoll

21 Fahrdienstleiter sitzen rund um die Uhr in der Betriebszentrale; hinzu kommen Springer und Vertretungen, macht insgesamt 125 Mitarbeiter. 160 Überstunden hat jeder von ihnen im Schnitt seit Jahresbeginn angehäuft.

In anderen Stellwerken in Duisburg, wie etwa jenem für den Hauptbahnhof oder dem für den Güterverkehr wichtigen Stellwerk in Duisburg-Wedau, arbeiten weitere Fahrdienstleiter. Auch dort sieht die Personalsituation kaum besser aus.

Dabei ist Arbeit der Fahrdienstleiter anspruchsvoll, erfordert hohe Konzentration. Zeit zur Erholung ist für die Bahnmitarbeiter dringend notwendig. Fehler durch Überforderung oder Übermüdung können Fahrplanverzögerungen, schlimmstenfalls Unfälle verursachen – trotz modernster Computertechnik.

DB erkennt „angespannte Situation“ 

Vor dem Hintergrund der Zustände in Mainz erscheint die Personalpolitik wie ein gewagtes Spiel auf Zeit. Stillstand in Güter- und Personenverkehr und totales Chaos in ganz NRW wären die Folgen, sollten zu viele Bahnangestellte in der Betriebszentrale ausfallen.

„Duisburg ist einer der großen Bahnhöfe in NRW und eine wichtige Betriebszentrale“, erklärt ein Sprecher der Bahn. Viel mehr ist aus der Kommunikationsabteilung vorerst nicht zu hören. Die Zahl der Überstunden können die Mitarbeiter weder bestätigen noch bestreiten. „Alle Stellwerke in NRW sind arbeitsfähig“, heißt es . Man tue alles, damit das auch so bleibt. Zudem werde seit einigen Jahren verstärkt ausgebildet.

"Geradeaus Fahren ist nicht so schwierig"

Ein Maßnahme die in der Realität bestenfalls langsam ankommt. In ganz NRW hat das Stellwerkspersonal mittlerweile 180.000 Überstunden angesammelt, heißt es aus Gewerkschaftskreisen. „Der Bahnvorstand weiß schon seit langen von den Problem und hat es bislang versäumt zu handeln“, schimpft EVG-Mann Brügmann. Auch die Deutsche Bahn spricht mittlerweile von einer „bundesweit angespannten Situation“.

Im Hauruckverfahren sind die Personalprobleme aber nicht zu lösen. Dafür sind Nachwuchssuche und Ausbildung zu zeitintensiv. Drei Jahre dauert die Ausbildung zum Fahrdienstleiter. Hinzu kommt die Einarbeitung vor Ort, die mit einer eigenen Prüfung abgeschlossen wird.

„Geradeaus Fahren ist nicht so schwierig“, sagt Brügmann. „Probleme tauchen auf, wenn es Störungen gibt.” Dann nämlich müssen die Fahrdienstleiter etwa in aller Schnelle Umleitungen finden. Deswegen werden sie stets für bestimmte Bereiche ausgebildet und kennen Streckführung und Gefahrenstellen ganz genau.

Elektronische Stellwerke als Chance für Personalsituation

Für eine Entspannung könnten die neuen elektronischen Stellwerke (ESTW) sorgen. Eines davon wird derzeit in Duisburg gebaut und soll ab Oktober 2014 die drei veralteten Stellwerke Großenbaum, Hauptbahnhof und Abzweig Kaiserberg ersetzen. Knapp 70 Millionen lässt sich die Bahn dieses Bauprojekt kosten. Die moderne Technik wäre mit weniger Personal zu bedienen. Für die erforderliche Sicherheit müssten dennoch ausreichend und vor allem geschulte Mitarbeiter vor Ort sein. Einsparungen im Personalbereich kann sich die Bahn deswegen auch an dieser Stelle keinesfalls leisten.