Duisburg. Die Polizisten in NRW sind zu alt, zu wenige und im Kampf gegen kriminelle Rockerbanden fehlen ihnen wichtige Instrumente. Sagt Kriminalhauptkommissar Erich Rettinghaus von der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolg). Er fordert von der Politik notfalls neue Gesetze, damit Ermittler leichter Fahrverbote verhängen und verdächtige Rocker ausspionieren können.
Im Kampf gegen kriminelle Rockerbanden sieht Erich Rettinghaus nach der Eskalation des „Rockerkrieges“ an Rhein und Ruhr die Politik in der Pflicht. Wenn’s nach dem Vorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolg) in NRW ginge, würden Regierungen und Parlamente die Einstellung zusätzlicher junger Polizisten ermöglichen beziehungsweise neue Gesetze verabschieden, um die „Outlaw Motorcycle Gangs“ (OMCG) weiterhin unter Druck setzen zu können. „Nur weil es im Moment eher ruhig ist, geben diese Banden ja keine Ruhe. Deren Kampf um Geld und Macht wird weitergehen.“
Eine Idee des Gewerkschaftschefs: Die Ermittler sollten gegen Hells Angels, Bandidos und Satudarahs auf Abwegen leichter Fahrverbote verhängen können. „Wenn die in ihren Kutten am Vereinsheim der gegnerischen Gang vorbei Kolonne fahren – ob auf Motorrädern oder in dicken Autos –, dann wollen die doch nur Angst und Schrecken verbreiten und ihr Revier markieren. Drohgebärden darf der Staat nicht dulden!“
Solches Territorialverhalten war nach Berichten von Augenzeugen zuletzt zum Beispiel bei Höllenengel und Banditen in Mülheim zu beobachten. Bei angemeldeten oder informellen Ausfahrten („runs“) könne die Polizei schon jetzt Machtdemonstrationen leichter verhindern und „die Biker dazu verdonnern, 130 bis 150 Meter Abstand zu halten“, so Rettinghaus: „Das wissen zum Beispiel die Satudarah-Leute. Deswegen fahren die aus den Niederlanden nicht mehr im Kollektiv mit kollektiv 50 Mann nach Duisburg an, sondern treffen sich erst hier.“
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Noch wichtiger sei es, die Beschlagnahme von Führerscheinen und Fahrzeugen nach Paragraph 111 der Strafprozessordnung zu erleichtern, findet der Chef der Landesverbandes, der sein Büro in Duisburg-Rheinhausen hat. Richter sollten Motorräder und Autos der Rockerbanden verstärkt als Tatmittel betrachten. Der Nachweis, dass die Fahrzeuge zur Ausübung von Straftaten genutzt werden, sei zurzeit sehr kompliziert. Außerdem, so der Kriminalhauptkommissar, „ist es ungewiss, wie der Richter in solchen Strafverfahren entscheidet. Das muss geprüft werden.“ Notfalls müsse „der Gesetzgeber die Voraussetzungen dafür schaffen“, auf diesem Wege „Straftaten zu verhindern und kriminelle Rocker über ihre Statussymbole zu treffen“.
Allerdings haben vor allem in den Unterstützerclubs der großen Motorradclubs sowie unter deren jüngeren Anwärtern und Mitgliedern immer weniger einen Motorradführerschein.
"Wenn ein 50-Jähriger einen 20-Jährigen verfolgt, entwischt der Jüngere"
Auch Überalterung und Personalmangel beeinträchtigten den Kampf gegen Rocker- und organisierte Kriminalität (OK): „Die Kripo ist ja noch älter als die Schutzpolizei, im Schnitt weit über 50. Da rächt sich, dass in NRW über Jahre zu wenige Polizisten eingestellt wurden.“ Obwohl dieses Jahr mehr neue Polizisten als in den Vorjahren in den Staatsdienst eintreten (2013: 1470, 2011: 1100), gingen noch immer mehr Beamte in den Ruhestand, bemängelt Rettinghaus: „Darum verwalten wir Kriminalität viel zu oft nur noch. Und auf der Straße sind wir eben nicht mehr so schnell. Das ist nun mal so, wenn ein 50-Jähriger einen 20-Jährigen verfolgt, entwischt der Jüngere.“
In die OK-Kommissionen müssten dringend junge Polizisten. Für die umfangreichen Ermittlungen gegen kriminelle Rocker an Rhein und Ruhr seien zuletzt Kollegen aus anderen Bereichen abgezogen worden: „Da wird wieder einmal das Tischtuch in eine andere Richtung gezogen und an anderer Stelle fehlt dann das Tuch.“ Dabei seien gerade für die erfolgreiche Bekämpfung von Banden und mafiösen Strukturen intensiv ausgebildete Spezialisten ein Erfolgsfaktor.
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„Die Rocker müssen ständig damit rechnen, dass wir vor der Tür stehen“, findet Rettinghaus. „Wir müssen immer einen Schritt voraus sein.“ Um die „komplette Palette organisierter Kriminalität“ durch die Gangs effizienter bekämpfen zu können, müssten seine Kollegen endlich auch das Mittel der Vorratsdatenspeicherung anwenden dürfen: „Wenn wir E-Mails und Telefondaten der letzten drei bis sechs Monate analysieren dürften, könnten wir leichter Netzwerke aufdecken und kriminelle Rockervereinigungen verbieten“.
Die umstrittenen Vereinsverbote hält Rettinghaus weiter für „eines von vielen Mitteln, um den Rockern keine Ruhe zu lassen“. Der Gewerkschafter hofft entsprechend auf ein Ende der „Blockade durch Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger“ nach der Bundestagswahl: „Sicherheitspolitisch wäre eine Große Koalition sicher wünschenswert.“