Duisburg. . Staatsanwaltschaft und Steuerfahndung ermitteln gegen die Mitgründerin des Kindertagesstätten-Verein “Im Nimmerland e.V.“, Marion Valland. Zehn Tagesmütter erheben schwere Vorwürfe gegen sie. Sie soll die Tagesmütter “abkassiert“ haben. Auch das Jugendamt Duisburg steht in der Kritik.
Der Kindertagesstätten-Verein "Im Nimmerland e.V." war ein Prestige-Projekt für die Stadt, die Vorsitzende Marion Valland in Medien als Vorzeige-Tagesmutter des Nordens omnipräsent.
Jetzt ermitteln Staatsanwaltschaft und das Finanzamt für Steuerstrafsachen in Essen gegen die Nimmerland-Mitgründerin. Wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung. Es geht auch um „Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Bezahlung von Tagesmüttern“, sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft Detlef Nowotsch. Gegenüber der WAZ erheben zehn ehemalige Tagesmütter des Nimmerlands (Namen der Redaktion bekannt) schwere Vorwürfe gegen Valland. Sie soll seit 2009 den Großteil der Honorare der freiberuflich tätigen Nimmerland-Tagesmütter in bar „abkassiert“ haben.
Jeden Monat. Von jeder Tagesmutter. Die Frauen sollen sogar in Begleitung zu ihren Hausbanken gefahren worden sein.
Aus tiefen Krisen heraus angeworben
Der Steuerberater von fünf mutmaßlich Geschädigten (siehe Artikelseite 3, unten) geht nach einer Hochrechnung von einer Schadenssumme in Höhe von rund 1 Million Euro aus. Die Tagesmütter belasten auch den Geschäftsführer und 2. Vorsitzenden des Vereins schwer. Gegen ihn wird nach Stand der Recherchen derzeit nicht ermittelt.
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Marion Valland, sagen die Frauen, habe sie alle aus tiefen Krisen heraus angeworben. Eine hatte plötzlich ihre Eltern verloren, eine andere den Tod ihres Kindes verkraften müssen. Andere galten als unvermittelbar, wurden vom Jobcenter in die Einrichtung gebracht.
Zu Beginn ihrer Tätigkeit unterschrieben alle Frauen bis zu acht Betreuungsverträge für Kinder, die entweder mit den Eltern selbst oder mit dem Jugendamt geschlossen wurden. Auch die Frauen, die vom Jobcenter kamen, unterschrieben. Obwohl sie dies gar nicht durften.
Für die Kinder-Betreuung erhielten die Frauen ein monatliches Brutto-Honorar. Auf ihren Girokonten landeten zwischen 2000 und 5000 Euro monatlich.
Frauen durften nach eigener Aussage nur 1000 Euro behalten
Behalten, so sagen sie übereinstimmend, durften sie nur unversteuerte 1000 Euro. Marion Valland oder der Geschäftsführer hätten das Geld stets im Büro der Kita an der Schwartzkopfstraße entgegen genommen, die Zahlungen streng kontrolliert.
Warum sie ohne Murren gezahlt haben? „Marion war eine Freundin, eine enge Vertaute, wir schuldeten ihr was“, sagt eine der Frauen, „außerdem bezahlten alle anderen auch.“
Tagesmütter kritisieren auch das Jugendamt Duisburg
Auch das Jugendamt der Stadt sieht sich schweren Vorwürfen der ehemaligen Nimmerland-Tagesmütter ausgesetzt.
Dort soll man bereits seit Jahren über Unregelmäßigkeiten in der größten Kindertageseinrichtung im Duisburger Norden unterrichtet gewesen sein. So soll die für das Nimmerland zuständige Mitarbeiterin des Jugendamtes bereits 2010 eine ehemalige Tagesmutter gefragt haben: „Haben sie denn auch vor, ihren Frauen das ganze Geld weg zu nehmen, so wie die Frau Valland?“ Der Satz soll vor Zeugen gefallen sein, als die ehemalige Nimmerland-Tagesmutter ihre eigene Tagespflege-Station einrichtete.
Thomas Krützberg, der als bisheriger Jugendamtschef gerade erst zum Dezernenten gewählt wurde, sagte auf Nachfrage der WAZ: „Die betreffende Kollegin ist gerade im Urlaub.“ Für ihn seien die Vorwürfe gegen das Nimmerland neu und die Behörde werde den Fall nun intensiv prüfen.
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Nicht neu sind die Vorwürfe dagegen für das Jobcenter der Stadt. Sprecherin Katrin Hugenberg sagte: „In unserer Behörde ist es bekannt, dass es Ermittlungen im Umfeld des Nimmerlands geben soll. In der Zusammenarbeit gab es unsererseits aber nie Beanstandungen.“
Marion Valland sprach am Montag in einer ersten Stellungnahme gegenüber der WAZ von einem „Rosenkrieg“, der gegen sie geführt werde. Zu einem zweiten vereinbarten Gespräch mit der Redaktion am Dienstag kam es nicht, weil Marion Valland sich zu den Vorwürfen auf Anraten ihres Dortmunder Rechtsanwalts Matthias Meier nicht mehr äußern will.
Vermutlich ein guter Rat: Mittlerweile sind viele der ehemaligen Nimmerland-Mitarbeiterinnen in Kontakt mit der Staatsanwaltschaft und der Steuerfahndung. Auch, wie eine Frau sagt, weil sie alle hofften, den Schaden für ihr eigenes Leben und das ihrer Familien und Kinder in Grenzen halten zu können: „Marion Valland hat uns alle ruiniert. Fast jedenfalls.“
Steuerberater der Geschädigten kontaktierte Steuerfahndung
Glück im Unglück: Fünf der ehemaligen Tagesmütter fanden einen Steuerberater (Name der Redaktion bekannt), der bereit war, zu helfen. Denn die Konsequenzen der enormen monatlichen Zahlungen machten sich einige Nimmerland-Tagesmütter nach eigenem Bekunden erst klar, als es Zeit für die Steuererklärung war.
„Die Frauen hätten wesentlich mehr versteuern müssen, als sie eigentlich bekommen haben“, sagt der Steuerberater, den betroffene Tagesmütter von seiner amtlichen Schweigepflicht der WAZ gegenüber entbunden haben. Der Mann, betreut die Frauen seit 2010: „Ihnen drohten Steuernachzahlungen von bis zu 12.000 Euro pro Jahr.“
Der Steuerberater glich die Kontoauszüge der Frauen untereinander ab und stellte fest, dass alle zu ähnlichen Zeiten jeden Monat hohe Bargeld-Beträge von ihren Konten abgehoben hatten: „Daraufhin habe ich mich mit den Behörden in Verbindung gesetzt und die Vorgänge geschildert.“ Dies habe er 2011 getan. „Seitdem ermittelt die Steuerfahndung in dem Fall“, sagt der Steuerberater.
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Rechtlich in einer besonders schlimmen Lage seien diejenigen Frauen gewesen, die im Rahmen einer Jobcenter-Maßnahme für schwer vermittelbare Arbeitnehmer im Nimmerland gearbeitet hätten. Diese Frauen hätten eigentlich zwei Jahre lang ein Angestelltengehalt beziehen sollen. Dies sollte zu 75 Prozent vom Jobcenter und zu 25 Prozent vom Verein Im Nimmerland finanziert werden. Diese 25 Prozent Eigenbeteiligung habe Nimmerland jedoch nie gezahlt: „Die Frauen hat man jedoch gleichzeitig private Betreuungsverträge unterschreiben lassen“, sagt der Finanzfachmann, „was aber nicht erlaubt ist, weil sie zu dem Zeitpunkt Gelder des Jobcenters bezogen.“
Diese Frauen hätten sich, sagt der Steuerberater weiter, nicht nur selbst strafbar gemacht: „Auch sie durften von der beachtlichen Summe, die sich aus Festgehalt und Tagesmutter-Honorar ergab, nur 1000 Euro behalten.“ Die sie dann noch hätten versteuern müssen.