Duisburg. Die Abwahl Sauerlands ist das eine, die Frage nach dem Neuanfang danach das andere. Duisburg hat seinen Neuanfang. Gewiss nicht den, der gewünscht, ersehnt, vollmundig versprochen wurde. Es hat mehr oder weniger die Reset-Taste gedrückt. Ein Kommentar von Oliver Schmeer.
Die Abwahl Sauerlands ist das eine, die Frage nach dem Neuanfang danach das andere. Das eine bedingt nicht automatisch das andere. Das eine war nötig, das andere möglich.
Ersteres lässt sich leicht einordnen: Die 130.000 Stimmen vor einem Jahr gegen den Oberbürgermeister Sauerland waren 130.000 Stimmen für Duisburg; sie setzten ein Zeichen, sie waren eine Befreiung, eine Erlösung für die zerrissene, gelähmte Stadt. Denn Duisburg zerrieb sich an der Person Sauerlands. Er hatte die gesamte Stadtgesellschaft durch sein Leugnen von Verantwortung, zumindest der moralischen, nach der Loveparade-Katastrophe in die nächste Dauer-Katastrophe getrieben. Da er den Weg nicht frei machen wollte, war die Abwahl der einzige Weg, ein demokratischer zudem.
Mit Sauerland hätte es keine Entschuldigung gegeben
Sauerland war nicht der Schuldige der Tunnel-Tragödie. Aber er war das Gesicht der Stadt. Und damit konnte sich Duisburg nicht mehr zeigen. Die Stadt war gespalten, bürgerschaftliches und politisches Handeln war kaum mehr möglich, Duisburg zermürbte sich in seinem Innersten, beobachtet von außen.
Es ist richtig, an der politischen Kultur danach hat sich nicht viel zum Besseren gewandelt. Wie sollte Duisburg auch plötzlich zur Insel der Glückseligen werden, zur heilen politischen Welt? Aber der Umgang mit der Loveparade ist ein anderer geworden? Blieb uns nicht die oft schon ritualisierte Selbstzerfleischung erspart? Mit einem fortdauernden K(r)ampf um Sauerland hätte es keinen zweiten Gedenktag der Entschuldigung gegeben, keine 21 Magnolienbäume auf der Bahnhofsplatte, wohl auch keine Einigung zur Gedenkstätte. Auch kein zukunftsgerichtetes Handeln für die Stadt.
Duisburg hat seinen Neuanfang. Gewiss nicht den, der gewünscht, ersehnt, vollmundig versprochen wurde. Es hat mehr oder weniger die Reset-Taste gedrückt, den – unperfekten – Alltags-Status erreicht. Und doch. Duisburg hat zugleich Lehren gezogen. Viele Bürger sind selbstbewusster, fordernder, nachdenklicher geworden, Politik und Verantwortliche bei allen Rückfällen in alte Zeiten aufmerksamer, vorsichtiger. Ein neuer politischer Stil? Nur ansatzweise. Der Unterschied: Er lässt sich jetzt einfordern.