Duisburg. . Die Duisburger haben ihren Oberbürgermeister Adolf Sauerland aus dem Amt gewählt. Damit ist aus Sicht der Düsseldorfer Anwaltskanzlei, die 86 Opfer der Loveparade vertritt, freilich noch nicht festgestellt, wer wirklich die Verantwortung für die Katastrophe trägt.

Einen Tag nach der erfolgreichen Abwahl von OB Sauerland meldet sich die Düsseldorfer Anwaltskanzlei zu Wort, die insgesamt 86 Opfer der Loveparade-Katastrophe vertritt. „Die politische Entscheidung zur Abwahl von Oberbürgermeister Sauerland darf nicht den Blick dafür verstellen, dass damit nicht festgestellt ist, wer neben der Stadt wirklich die Verantwortung für die Katastrophe trägt.

Endgültige Entschädigung

Es geht um die strafrechtliche Dimension, aber auch eklatantes Organisationsversagen“, teilen die Anwälte Gerhart Baum und Julius Reiter mit. „Aus unserer Sicht tragen alle Beteiligten Verantwortung: die Stadt, der Veranstalter und das Land Nordrhein-Westfalen.

100 Dinge zum Bürgerentscheid über OB Sauerland

Am Sonntag wird das vorläufige amtliche Endergebnis der Abstimmung zwischen 19 und 20 Uhr feststehen, voraussichtlich um 19.30 Uhr.

Das vorläufige amtliche Endergebnis wird der Wahlleiter verkünden: Duisburgs Stadtdirektor Dr. Peter Greulich (Grüne).

Stadtdirektor Greulich vertritt den Oberbürgermeister in der Funktion des Wahlleiters.

Dr. Peter Greulich (Grüne) wird das Abstimmungsergebnis im Rathaus bekanntgeben: vor dem Mercatorzimmer, im Foyer vor dem Ratssaal.

Wenn ein Viertel der Stimmberechtigen der Abwahl Adolf Sauerlands zustimmt, ist er als Oberbürgermeister abgewählt.

Nach dem am 8. Januar 2012 erstellten Abstimmungsverzeichnis waren 365.910 Duisburger stimmberechtigt.

Danach müssten also mindestens 91.478 Abstimmungsberechtigte „Ja“ ankreuzen, damit Duisburg einen neuen Oberbürgermeister bekommt.

Abstimmungsberechtigt sind Bürger, die einem Mitgliedsstaat der EU angehören, das 16. Lebensjahr vollendet haben und mindestens seit dem 27. Januar in Duisburg wohnen.

10.189 junge Duisburger sind erstmals abstimmungsberechtigt.

Die entscheidende Zahl der Wahlberechtigten ändert sich bis zum 12. Februar durch Todesfälle, Zu- und Wegzüge noch, wenngleich voraussichtlich nur geringfügig.

Am Freitag, 10. Februar, gibt die Stadt Duisburg abends noch einmal die dann aktuelle Zahl der Stimmberechtigten bekannt, aus der sich das für die Abwahl notwendige Quorum ableitet.

Am Sonntag um 15 Uhr können (plötzlich erkrankte) Duisburger letztmals einen Abstimmungsschein beantragen.

Erst danach stehen die Zahl der Stimmberechtigten und somit das zur Abwahl notwendige Quorum endgültig fest.

Auf dem „Stimmzettel zur Abstimmung über die Abwahl des Oberbürgermeisters der Stadt Duisburg am 12.02.2012“ können die Stimmberechtigten „Ja“ oder „Nein“ ankreuzen.

Wer für die Abwahl Sauerlands ist, stimmt ihr mit einem Kreuz bei „Ja“ zu. Wer die Abwahl ablehnt, muss „Nein“ ankreuzen.

Damit Adolf Sauerland abgewählt wird, müssen etwa 92.000 Duisburger seiner Abwahl zustimmen. Bei der Kommunalwahl 2009 erhielt Sauerland 74.179 Stimmen. Die Mehrheit im Rat, das Bündnis aus SPD, Grünen und Linken, kam 2009 auf 90.934 Stimmen.

Am Tag des Bürgerentscheids sind die Abstimmungslokale von 8 bis 18 Uhr geöffnet.

Für die Besetzung der Abstimmungsvorstände in den Lokalen wurden etwa 3000 Abstimmungshelfer berufen.

90 Prozent der Abstimmungshelfer sind Duisburger.

Mitte Januar hatten noch 1000 Wahlhelfer gefehlt. Nach Medienberichten meldeten sich mehr Freiwillige als erforderlich.

Die Stabstelle für Wahlen konnte ihnen über Wochen nicht absagen, weil die Mitarbeiter so sehr mit der Vorbereitungen des Bürgerentscheids beschäftigt waren.

Ab 18 Uhr zählen die Abstimmungsvorstände die Stimmzettel in den Wahllokalen öffentlich aus.

Die per Briefwahl abgegebenen Stimmzettel werden zentral im Verwaltungsgebäude Memelstraße ausgezählt.

Die Auszählung der Briefwahl-Stimmzettel beginnt ebenfalls erst am Sonntag um 18 Uhr.

Jeder der Briefabstimmungsbezirke wird im Wahlamt einzeln ausgezählt.

Die Stadt hat in 402 Stimmbezirken (357 Urnenstimmbezirke und 45 Briefabstimmungsbezirke) 357 Abstimmungslokale eingerichtet.

357 – das sind so viele Abstimmungslokale wie bei der Kommunalwahl 2009.

Die 357 Abstimmungslokale sind in 184 Gebäuden untergebracht.

Wenn die 402 Abstimmungsvorstände die Zettel am Sonntagabend ausgezählt haben, übermitteln sie das Ergebnis telefonisch über das Call Center der Stadt an den zentralen Ergebnisdienst des Amtes für Statistik, Stadtforschung und Europaangelegenheiten.

Die Abstimmung über OB Sauerland läuft aber bereits seit dem 12. Januar 2012.

Denn ab dem 9. Januar verschickte die Stadt die Abstimmungsbenachrichtigungskarten. Am 12. Januar konnten die ersten Duisburger in sieben Bezirksämtern und im Wahlamt die Briefwahl beantragen – und dort direkt im Anschluss abstimmen.

Auf dem Wahlumschlag ist neben den Ziffern des Stimm- sowie des Briefabstimmungsbezirks auch eine „Abstimmungsschein-Nummer“ vermerkt: eine fortlaufende Nummer, die der Computer ausspuckt, sobald ein Bürger seinen Abstimmungszettel anfordert.

Diese Nummer wird ins Wählerverzeichnis eingetragen, sie spiegelt gleichzeitig den Zwischenstand der Briefwahl-Beteiligung wieder.

Bis zum 30. Januar hatten mehr als 28.970 Duisburger ihre Stimme im Bezirksamt abgegeben oder die Briefwahlunterlagen zumindest angefordert.

Das spricht für eine hohe Briefwahlbeteiligung. Die Stadt gibt keine Zwischenstände zur Briefwahlbeteiligung bekannt, selbstverständlich auch keine Zwischenstände zum Abstimmungsergebnis.

Die Abwahlinitiative hofft auf 45.000 Briefwähler. Zum Vergleich: Bei der Kommunalwahl 2009 gaben 34.740 Wahlberechtigte ihre Stimme per Brief ab.

Die Wahlbeteiligung bei den Kommunalwahlen 2009 lag in Duisburg bei 45,7 Prozent.

Anträge auf Abstimmungsunterlagen nimmt die Stadt Duisburg bis Freitag, 10. Februar, 18 Uhr entgegen (online bis 13 Uhr).

Wer plötzlich erkrankt und dies nachweisen kann, hat sogar bis 12. Februar, 15 Uhr, Zeit.

Die Briefabstimmungsstellen in den Bezirksämtern sind am Samstag, 11. Februar, geschlossen.

Beim Wahlamt an der Bismarckstraße 150-158 in Neudorf sind die Abstimmungsstellen am Samstag, 11. Februar, bis etwa 14 Uhr geöffnet.

Die Entscheidung werden am Sonntagabend im Rathaus auch etwa 100 geladene Gäste, darunter etwa Mitglieder des Stadtrates und der Bürgerinitiative, miterleben.

Bislang haben sich 105 Kamerateams, Fotografen und Reporter im Rathaus angemeldet.

Soweit vor lauter Politikern und Journalisten noch Platz im Rathaus ist, sollen auch interessierte Bürger am Sonntagabend ins Rathaus dürfen.

Wird bei der Abstimmung das notwendige Quorum erreicht, bleibt Adolf Sauerland offiziell bis Mittwoch, 15. Februar, im Amt.

An jenem Mittwoch tagt um 13 Uhr im Rathaus-Zimmer 300 der Wahlausschuss.

Sobald der Wahlausschuss das Ergebnis der Abstimmung endgültig festgestellt hat, wäre Adolf Sauerland im Falle einer Abstimmungsniederlage nicht mehr im Amt.

Scheitert die Abwahl Adolf Sauerlands, wäre er weiterhin bis 2015 gewählt.

Im Falle einer Abwahl übernimmt Benno Lensdorf (CDU), der erste stellvertretende Bürgermeister, die politische Vertretung des dann ehemaligen Oberbürgermeisters Sauerland.

Chef der Verwaltung wäre im Fall einer Abwahl vorübergehend Stadtdirektor Dr. Peter Greulich.

Bis zur Neuwahl eines Oberbürgermeisters blieben im Falle einer Abwahl sechs Monate Zeit.

Nach einer Abwahl begänne die Frist für die Aufstellung eines Kandidaten durch die Parteien, sobald der Wahltermin feststeht.

Den Wahltermin für die Neuwahl des Oberbürgermeisters würde die Aufsichtsbehörde der Stadt festlegen, also die Bezirksregierung Düsseldorf.

Eine erfolgreiche Bürgermeister-Abwahl nach den Bestimmungen der 1994 neugefassten Gemeindeordnung hat es in NRW bisher nur zweimal gegeben.

2002 wählten die Bürger im münsterländischen Ennigerloh (kreis Warendorf) ihren Bürgermeister ab, 2007 die Bürger in Meckenheim (Rhein-Sieg-Kreis).

In Nideggen (Kreis Düren) dagegen lehnten die Bürger die Abwahl ihres Bürgermeisters im durch den Stadtrat im Dezember 2005 eingeleiteten Abwahlverfahren ab.

In Duisburg ist die Abwahl des Oberbürgermeisters Adolf Sauerland ebenfalls schon einmal gescheitert.

Acht Wochen nach der Loveparade scheiterte die Abwahl 2010 im Stadtrat.

Eine Bürgerinitiative um Werner Hüsken und Peter Heß hatte einen Einwohnerantrag initiiert.

Am 20. August 2010 überreichten sie Stadtdirektor Peter Greulich 10.000 Unterschriften von Duisburgern, die Sauerlands Abwahl forderten.

Am 13. September 2010 scheiterte der Abwahlantrag aber im Stadtrat, weil sich dort nicht die nötige Zweidrittelmehrheit (50 Stimmen) zur Einleitung des Abwahlverfahrens fand.

41 von 74 Ratsmitgliedern stimmten damals für den Antrag, also für die Einleitung des Abwahlverfahrens, 28 dagegen.

Die CDU stimmte geschlossen gegen den Antrag, die SPD geschlossen dafür.

Fünf Stadtverordnete fehlten unentschuldigt, darunter auch Grünen-Politiker, die sich gegen das Abwahlverfahren ausgesprochen hatten.

Seit Inkrafttreten der geänderten Gemeindeordnung am 4. Juni 2011 können Bürger in NRW Abwahlverfahren gegen Oberbürgermeister und Landräte durch Bürgerbegehren erzwingen.

Die nordrhein-westfälische Gemeindeordnung wurde am 24. Mai 2011 geändert.

Der Landtag beschloss in seiner Sitzung am 18. Mai den Gesetzesentwurf zur Änderung des Paragraphen 76.

SPD, Grüne und Linke stimmten für den entsprechenden Gesetzesentwurf.

Das „Gesetz zur Einleitung von Abwahlverfahren von Bürgermeistern und Landräten durch Bürgerbegehren“ wurde am 3. Juni verkündet uns trat am 4. Juni 2011 in Kraft.

Vor allem Mitglieder der CDU Duisburg werfen der Landesregierung und Innenminister Ralf Jäger, Mitglied im Vorstand der SPD Duisburg, vor, das Gesetz geändert zu haben, um Adolf Sauerland stürzen zu können.

Kritiker nennen das geänderte Gesetz daher „Lex Sauerland“.

Politiker der rot-grünen Minderheitsregierung weisen darauf hin, dass sie schon vor der Loveparade im Koalitionsvertrag vereinbart hatten, die gesetzlichen Voraussetzungen für durch Bürgerbegehren erzwungene Abwahlverfahren zu schaffen.

Der Duisburger Stadtrat beschloss die Zulässigkeit des Bürgerantrags zur Einleitung des Abwahlverfahrens gegen Adolf Sauerland am 24. November – und leitete damit das Abwahlverfahren formell ein.

Nach dem geänderten Gesetz mussten in Duisburg 15 Prozent der Wahlberechtigten unterschreiben, dass sie die Einleitung des Abwahlverfahrens wünschen.

Das waren umgerechnet exakt 54.885 Unterschriften.

Am 19. Juni 2011, zwei Wochen nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes, trafen sich Werner Hüsken, Theo Steegmann und Harald Jochums, die drei Sprecher der Abwahlinitiative.

Sie gaben ihrem Bündnis den Namen „Neuanfang für Duisburg“ und prüften die Formulare für die Unterschriften.

Die Bürgerinitiative startete die Unterschriftensammlung am 20. Juni 2011.

Sie hatte nach der Neu-Fassung von Paragraph 66 der Gemeindeordnung vier Monate Zeit dafür. Stichtag war der 20. Oktober 2011.

Bereits am 17. Oktober präsentierte die Bürgerinitiative „Neuanfang für Duisburg“ das Ergebnis ihrer Unterschriftensammlung.

Mit ihrer Unterschrift hatten demnach 79.193 Duisburger die Abwahl Sauerlands gefordert, den 2009 noch 74.179 Duisburger gewählt hatten.

Die Unterschriften überreichte die Abwahlinitiative dem Duisburger Stadtrat in 17 Aktenordnern.

Die Listen nahm am 17. Oktober Bürgermeister Benno Lensdorf (CDU) vor der Ratssitzung als Vertreter des befangenen OB entgegen.

Im Beisein von Vertretern der Bürgerinitiative zählten Mitarbeiter der Stadtverwaltung nach der Übergabe im Rathaus die Listen. Das Ergebnis: 8268 Listenblätter.

Vorschriftsmäßig sollte das Referat für Bürgerengagement und Bürgerangelegenheiten die Gültigkeit der Unterschriften bis zur nächsten Ratssitzung prüfen und somit feststellen, ob das Quorum zur Einleitung des Abwahlverfahrens erreicht wurde.

Allerdings musste die Stadt bereits am 14. November Meldungen bestätigen, wonach „Neuanfang für Duisburg“ ausreichend gültige Unterschriften zur Einleitung des Abwahlverfahrens gesammelt hat.

In der Vorlage zur Sondersitzung des Rates wurde am 16. November erstmals das Ergebnis der Unterschriften-Prüfung genannt: 67.329 Unterschriften waren demnach gültig.

Die Verwaltung erkannte also 67.329 der eingereichten 79.915 Unterschriften als gültig an. Erforderlich waren mindestens 54.885 Unterschriften.

Nach den umstrittenen Prüfkriterien der Stadt waren also 12.586 Unterschriften ungültig.

Etwa 7000 Unterzeichner hatten nach Auskunft der Stadt fehlende oder falsche Angaben gemacht.

4790 Unterzeichner hatten auf den Formularen zwar ihre Adresse, diese aber ohne Hausnummer angegeben.

Nach Ansicht der Stadtverwaltung waren diese 4790 Unterschriften ungültig, weil die Unterzeichner somit nicht eindeutig und ohne „unverhältnismäßige“ Recherche identifizierbar gewesen seien.

Um diese Prüfkriterien eskalierte ein Streit zwischen Stadt und Bürgerinitiative. Letztere beklagte, die Unterzeichner seien auch ohne Hausnummer leicht eindeutig identifizierbar. Zudem habe die Stadtverwaltung sie falsch beraten.

Denn auf den Formularen, mit denen „Neuanfang für Duisburg“ Unterschriften sammelte, fehlte ein Extrafeld zur Angabe der Haunummer.

So oder so: Die Zahl der Unterschriften reichte aus. In einer Sondersitzung leitete der Duisburger Rat das Abwahlverfahren gegen Adolf Sauerland am 24. November 2011 ein.

Nach der Gesetzesinterpretation des Innenministeriums hätte sich der Stadtrat dem Wählerwunsch nach einer Abwahl auch nicht ohne „triftige Gründe“ entziehen können.

Nächster Streitpunkt war der Abstimmungstermin: Die CDU wollte schnellstmöglich, bereits am 29. Januar, abstimmen lassen.

Die Abwahlinitiative stimmte aber letztlich dem Vorschlag der Stadtverwaltung, dem 12. Februar, zu.

Strittig war zwischenzeitlich auch die Einrichtung der sieben Briefwahllokale: Durch die Streichung der sieben Briefwahllokale wollte die rot-rot-grüne Ratsmehrheit 42.000 Euro einsparen. So steht’s im Haushaltssicherungskonzept.

Das verhinderte der Ratsbeschluss vom 17. Oktober 2011: Danach soll die OB-Abwahl „den Bedingungen bei der Wahl des Bürgermeisters“ im Jahr 2009 entsprechen. Fast 35.000 Duisburger wählten damals vor dem Wahlsonntag.

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In welchem Maße diese Verantwortung einzelne Personen und Organisationen trifft, muss so schnell wie möglich festgestellt werden“. Das würden die 86 von der Kanzlei vertretenen Betroffenen „nachdrücklich einfordern“. Daran geknüpft seien auch die Entscheidungen über die endgültige Entschädigung.

Wann die Duisburger Staatsanwaltschaft ihr Ermittlungsverfahren abschließt, ist noch unklar. Die Sonderkommission der Kölner Polizei hat ihre Ermittlungen abgeschlossen und die Akten an die Staatsanwälte übergeben.