Duisburg,. Der Abriss des Duisburger Stadtwerketurms wird aufwendig und teuer. Ein entsprechendes Rückbau-Konzept ist bereits in Arbeit, während das Denkmal-Gutachten noch aussteht
Die Vorbereitungen für den Abriss des „Langen Lulatschs“ sind angelaufen: Wie die Stadtwerke gestern mitteilten, haben sie bereits ein umfassendes Konzept für den „Rückbau“ des 200 Meter hohen Schornsteins und des ausgedienten Kohlekraftwerks in Hochfeld in Auftrag gegeben. Wenn die Bedingungen und der Umfang feststehen, sollen die Arbeiten im kommenden Jahr ausgeschrieben werden.
Klar ist: Mit einer Stange Dynamit wird es nicht getan sein, der Abriss wird aufwendig und teurer. Denn nach Angaben der Stadtwerke seien bei der „detaillierten Bestandsaufnahme“ in den vergangenen Monaten Schadstoffe erfasst worden, die beim Abriss gesondert entsorgt werden müssen. Darunter auch giftiges Asbest, das früher zum Brand- und Wärmeschutz eingesetzt wurde. „Wir haben Asbest in acht Bereichen nachweisen können. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um bauliche Strukturen innerhalb des Kraftwerks und der Turmkonstruktion“, sagt Peer Hoppe, der beauftragte Gutachter für die Sanierungsuntersuchung. Wie es das Gesetz erfordert, sei die Bezirksregierung Düsseldorf als zuständige Meldebehörde bereits über das Asbestvorkommen informiert worden.
Stadtwerke stellen Heute ihr spar-Programm vor
Die Stadtwerke plagen derzeit noch ganz andere Sorgen als der Turm-Abriss. Die Mitarbeiter erfahren heute auf zwei Belegschaftssitzungen, was an Sparmaßnahmen auf sie zukommt.
„Repower“ heißt das Restrukturierungs-Programm, mit dem das Unternehmen nach dem Gewinneinbruch in den kommenden beiden Jahren rund 30 Millionen Euro einsparen will, und das die neue Konzern-Spitze um Marcus Wittig gestern bereits den Aufsichtsräten vorgestellt hat.
Ein Großteil der Einsparungen soll über Personalabbau realisiert werden, der aber sozialverträglich ablaufen soll. Alterszeitregelungen sollen noch in diesem Jahr greifen.
Gleichzeitig steht ein ganz anderes Gutachten noch aus, das bei einigen Bürgern wieder die Hoffnung auf den Erhalt der nächtlich beleuchteten Landmarke genährt hatte. Wie die NRZ bereits Mitte September berichtete, wird derzeit geprüft, ob der Turm unter Denkmalschutz gestellt wird. Eigentlich sollte das Gutachten von Professor Walter Buschmann vom unabhängigen Fachamt für Denkmalpflege des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) bereits im Oktober vorliegen. „Die Fertigstellung hat sich etwas verzögert“, sagte Buschmann gestern der NRZ. In einigen Tagen aber werde er sein Gutachten vorlegen. Zu einer Tendenz wollte sich der Experte vorab nicht äußern.
Seit Frühjahr wird kein Strom mehr produziert
Sollte das LVR-Fachamt den Turm für denkmalwürdig halten, wird er sofort unter Schutz gestellt. Ob er stehen bleibt, entscheidet sich erst in einer zweiten Stufe, dann spielen auch öffentliche Belange und wirtschaftliche Interessen eine Rolle.
Der Stadtwerke-Turm in Duisburg
Letztere werden die Stadtwerke in einem solchen Fall sicher geltend machen. Sie legen den Kohlemeiler Ende Dezember endgültig still, das Kraftwerk erfüllt ab 2013 nicht mehr die immissionsrechtlichen Vorgaben. Bereits seit Frühjahr produziert die Anlage kein Strom mehr, sie diente lediglich noch als „Kaltreserve“. Den Turm lediglich als Landmarke zu erhalten, soll nach Berechnungen der Stadtwerke acht Millionen Euro in den kommenden 15 Jahren kosten. Bis 2014 wird er jedenfalls noch weiter über der Duisburger Nacht leuchten. Denn aufgrund der strengen Umweltauflagen sei der Abriss frühestens dann realistisch.
Zahlen gegen Emotionen - ein Kommentar von Ingo Blazejewski
Die Stadtwerke haben den Zeitpunkt ihrer Mitteilung über die Schadstoffe in dem Turm wohl gewählt. Denn auch in der Unternehmenszentrale an der Bungertstraße wendet sich der besorgte Blick auf das Denkmal-Gutachten. Da nutzt man die Gelegenheit, vorsorglich schon einmal darauf hinzuweisen, dass der Lange Lulatsch, der den Duisburgern in über 40 Jahren ans Herz gewachsen ist, mit giftiger Bausubstanz belastet ist.
Man kann über die Notwendigkeit des Turms als Wahrzeichen trefflich streiten: Zum einen taugt ein schnöder Schornstein eines ausgedienten Kohlemeilers mitten im Wohngebiet wohl kaum als zeitgemäßes Symbol eines Unternehmens, das an der Energiewende mitwirken will. Und dann kostet der Erhalt auch noch jede Menge Geld, wo doch ohnehin bei den Stadtwerken die Gewinn-Millionen wegbröseln.
Schmuck beleuchtetes Industrie-Relikt
Zum anderen hat sich das nachts schmuck beleuchtete Industrie-Relikt aber eben auch zu einer der wenigen identitätsstiftenden Landmarken entwickelt, mit dem viele Duisburger groß geworden sind. Und während die Bürgerstiftung gerade im großen Stil nach „Typisch Duisburg?!“ sucht, drängt sich der Turm als eine Antwort nahezu auf.
Doch selbst der Denkmalschutz wird den Abriss wohl nur verzögern, aber im Zweifel nicht aufhalten. Beispiele dafür gibt es genug. Fakt ist: Die gerade erst mit dem Bürgerehrenpreis ausgezeichneten Stadtwerke werden es trotz guter Gründe weiter schwer haben. Sie argumentieren mit Zahlen gegen Emotionen.
Und am Ende könnten sich selbst die Unsummen relativieren, die man als Kosten für den Erhalt angibt: Nämlich wenn feststeht, wie viel Geld es verschlingen wird, den 200 Meter hohen und mit einem Stahlgerüst ummantelten Dreifach-Schornstein einzuhausen und von Spezialfirmen Stück für Stück – bei Asbest sogar im Unterdruck-Verfahren– abtragen zu lassen.