Duisburg.
Es dürfte noch spannend werden in der Frage, wie sich der Konflikt um das Outlet-Center und den mangelnden Abstand zu den Grillo-Werken überhaupt lösen lässt. Denn in der heute geltenden Gesetzeslage stoßen verschiedene Ansichten, Interessen und gewachsene Siedlungsstrukturen offenbar unvereinbar aufeinander.
Brisant: Die Umsetzung der Seveso-II-Richtlinie zur Vermeidung möglicher Störfall-Folgen wird künftig wohl bundesweit Probleme bereiten. Und die Sicht der Stadt Duisburg widerspricht in diesem Fall der jenes Unternehmers, der zum Ende des Jahres als Präsident des Spitzenverband der deutschen Wirtschaft die Interessen von über 100.000 Unternehmen mit acht Millionen Beschäftigten vertreten wird.
Da wundert es kaum, dass sich der Unternehmerverband mit Sitz in Duisburg am Dienstag in die aktuellen Diskussion über Sicherheitsabstände eingeschaltet hat und dem designierten BDI-Präsidenten und Firmenchef Ulrich Grillo zur Seite springt. So fordert der hiesige Unternehmerverband einen „fairen Umgang mit Industrie in Duisburg“.
Unternehmerverband: „Städtische Enteignungsfantasien schaden Wirtschaftsstandort“
„Das Outlet-Center ist sicher eine große Chance, doch es darf nicht auf Kosten der Industrie verwirklicht werden“, mahnt Heinz Lison, Sprecher der regionalen Wirtschaft. „Gute Lösungen findet man nicht, wenn man wichtige Teile der Wirtschaft und gar Arbeitsplätze gegeneinander ausspielt.“ In die Kritik nimmt der Verband vor allem die Aussagen von Baudezernent Carsten Tum und CDU-Chef Rainer Enzweiler, die den Bestandsschutz der Grillo-Werke in Frage stellen. „Wer sich so leichtfertig äußert, hat offenbar die Bedeutung der Industrie für die Stadt Duisburg nicht verstanden“, sagt Lison. „Städtische Enteignungsfantasien schaden dem Wirtschaftsstandort.“ Die Grillo-Werke seien einer der bedeutendsten Arbeitgeber und ein wichtiger Fortschrittsmotor.
Es gebe im Umwelt- und Planungsrecht „klare Vorschriften und Gesetze“ und „keinen Raum für Ermessensentscheidungen“, so Lison. Grillo halte alle Vorschriften ein. Für das Outlet-Center müsse eine faire Lösung gefunden werden, die die Interessen der Industrie gebührend berücksichtige, sagt Lison und bemängelt, dass dies bei diesem Mega-Projekt zu spät erörtert wurde.
Die Stadt widerspricht: Dass die Betrachtung der Störfallverordnung nötig sei, war bereits beim ersten Erörterungstermin Thema. Die Bezirksregierung war beteiligt, der Investor habe das entsprechende Gutachten in Auftrag gegeben. „Die Ergebnisse liegen derzeit im Entwurf vor, müssen noch abschließend geprüft werden und sollen dann in die Bauleitplanverfahren einfließen“, teilt die Stadt auf NRZ-Anfrage mit. Auch daran werde die Bezirksregierung beteiligt sein.
Stadt verweist auf bisherige Rechtsprechung und Klageverfahren
Dass die Richtlinie und die Abstände auch im Baugenehmigungsverfahren anzuwenden sind, sei erst durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 15. September 2011 der Fall. Neubauten, die zuvor in dem betroffenen Bereich genehmigt worden sind, seien daher nicht betroffen.
Die Stadt verweist zudem auf die bisherige Rechtsprechung und zwei Klageverfahren. Geklagt hatten allerdings in beiden Fällen die Betriebe — aus Sorge, dass sie aufgrund der Genehmigung von Bauvorhaben jetzt andere und weitere Anforderungen erfüllen müssten.
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So hatte ein Chemiewerk mit benachbarter Wohnbebauung gegen die Zulassung einer Kindertagesstätte in rund 100 Metern Entfernung geklagt, weil das Unternehmen womöglich Gefahr laufen könnte, zu zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen verpflichtet zu werden. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte im Dezember 2011 entschieden, dass die Kindertagesstätte dennoch genehmigungsfähig sei. Juristen folgern aus der Umsetzung der Richtlinie aber auch, dass vorhandene Betriebe Bestandsschutz genießen und das Einhalten von Abständen nicht verlangt werden könne.
Gerichtsentscheidung steht noch aus
Auch die Stadt erkennt „eine Rechtsmaterie, die hinsichtlich der Rechtsprechung noch am Anfang ist“. Selbst in den beiden Klagefällen stehe eine Entscheidung in dem Hauptsacheverfahren noch aus.
„Es gibt hier eine Konfliktsituation, die sauber und sorgsam von der Verwaltung ohne Vorfestlegung aufgearbeitet wird“, äußerte sich OB Sören Link am Dienstag. „Hier gilt die Einschätzung der Experten und Gutachter. Ich kann versprechen, dass hier von Seiten der Stadt nichts passend gemacht oder zurechtgebogen wird“, so der OB.