Duisburg. . Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt sorgten am Rosenmontag auch beim Duisburger Rosenmontagszug für das große Bibbern. Doch das Tanzen auf der Stelle und Schunkeln hielt die Jecken warm. Was am Rande des Zuges geschah.
Als wandelndes Bierfass verkleidet bahnten sich Andreas und Astrid Liewerscheid aus Ungelsheim den Weg durch die Massen am Hauptbahnhof. „Bei den Verkleidungen lassen wir uns immer etwas einfallen.“ Seit drei, vier Jahren besuchen beide regelmäßig den Rosenmontags-Zug in der Innenstadt. Um nicht nur wie ein Bierfass auszusehen, sondern selbst auch das ein oder andere Bierchen trinken zu können, vertrauen sie auf die U-Bahn-Linie 79 als An- und Abreisemittel. Die umstehenden Polizisten, die zuvor alle Zufahrtsstraßen der Umgebung großräumig gesperrt hatten, würden diese Vernunft sicherlich gutheißen.
Auf der Neudorfer Straße im Schatten des früheren Klöckner-Hauses stehen die Narren schon vor dem offiziellen Zugbeginn um 13.11 Uhr in Dreierreihen. Fast alle haben sich unter ihrem Kostüm noch in dicke Jacken gemummelt. Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt sorgen für das große Bibbern. Doch das Tanzen auf der Stelle und Schunkeln hält warm. Eine Gruppe läuft mit Bollerwagen umher, darauf eine große Musikanlage. Aus den Boxen dröhnt der Tote-Hosen-Hit „Eisgekühlter Bommerlunder“. An Tagen wie diesem könnte der besungene Schnaps tatsächlich nicht warm werden.
„Wo seid ihr denn?!?“ So lautet die meist gestellte Frage der soeben in Neudorf eingetroffenen Jecken, die per Handy ihre in den Massen untergetauchte Gruppe orten und finden wollen. So ergeht es auch einem Herrn Papa, der seinen als Batman verkleideten Filius hoch oben auf den Schultern trägt. Ein Logenplatz – denn da vorne naht der erste Wagen.
Apropos Logenplatz: Über den verfügen auch Dennis Grubesic sowie seine Familie und Freunde. Die hat der Mieter einer Erdgeschosswohnung auf der Klöcknerstraße zu sich nach Hause eingeladen. Aus dem geöffneten Wohnzimmerfenster lässt es sich leicht erhöht herrlich „Duisburg, helau!“ rufen. Ein Teil des Trosses bevorzugt dennoch den Bürgersteig. „Wir feiern drinnen und draußen“, sagt der Gastgeber und lacht.
Als Bananen auf zwei Beinen sind Ilona und Michael Carstens aus Meiderich unterwegs. „Die Kostüme haben wir in einem Prospekt entdeckt und sofort bestellt.“ Sweatshirts im identischen Gelbton, die die an den Seiten herausguckenden Arme des Duos bedecken, und eine ebenso knatschgelbe Gesichtsbemalung sorgen für die perfekte Illusion. „Wir stehen meistens hier in Neudorf“, erzählen die Carstens, die beide übrigens auf jede Form von Alkohol verzichten. „Wir können auch ohne Riesen-Spaß haben.“
Gerhard Mercator rollt als Vier-Meter-Puppe herbei
Es ist Mercator-Jahr: Vor genau 500 Jahren wurde der bedeutende Kartograph und berühmteste Sohn der Stadt Duisburg geboren. Anlässlich seines runden Geburtstages wird ihm zu Recht eine große Ehre zuteil: Denn nach dem Festwagen von „Radio DU“, deren Moderatoren allesamt ein „Wulff“-Namensschild und Häftlingskostümen tragen, sowie einem andalusischen Reiterkorps kommt besagter Gerhard Mercator als Vier-Meter-Puppe angerollt. In der linken Hand trägt er eine Weltkugel, in der rechten einen Zirkel. Diesen Motiv-Handwagen schiebt ein Jecke problemlos per Hand an.
Manche Jecken erweisen sich als besonders ordnungsliebend und stellen ihre Leergut-Flaschen fein säuberlich in Reih und Glied aufgereiht an einer Hauswand ab. Andere sind nicht so pingelig und lassen Reste einfach zu Boden fallen. An das vom Ordnungsamt der Stadt verhängte Glasverbot haben sich deutlich sichtbar leider nur wenige Narren gehalten. Zum Glück sind kaum Scherben als potenzielle Schnitt-Fallen zu entdecken.
Karneval in Duisburg von oben
Das Ordner-Aufkommen ist wieder extrem hoch. Wie im Sicherheitskonzept gefordert müssen an jedem Rad eines jeden Treckers und jedes Wagens Aufpasser nebenher laufen. Alle tragen Warnwesten in leuchtenden Neonfarben – damit sind sie auffälliger als manch traditionelles Kostüm.
Die KG Grün-Rot Neudorf genießt hier rund um den Ludgeriplatz das „Heimspiel“ im Heimat-Stadtteil. Neben einer Fußgruppe fallen vor allem die Reiter auf den beiden Schimmeln ins Auge. Sie tragen schwarze Fellmützen, auf deren Spitze ein Federbüschel in den Vereinsfarben thront. Der Klub wird in diesem Jahr genau „2 x 11 Jahre“ alt. Narren verehren Schnapszahlen. Der dahinter folgende Fanfarenzug spielt den Udo-Jürgens-Hit „Griechischer Wein“. Ein als Marsmensch Kostümierter lässt sich eben diesen direkt aus der Flasche in den Rachen laufen. Duisburg, hellblau!
Apropos „hellblau“: Das ist die zehnköpfige Gruppe rund um Familie Gohr aus Mülheim auch. Denn die aus der n Nachbarstadt angereisten Narren, die sich einen Platz an der – natürlich! – Mülheimer Straße ausgesucht haben, erscheinen als Schlümpfe verkleidet. „Wir sind aber schon auf diese Idee gekommen, bevor im Kino der Schlümpfe-Film lief. Und die Kostüme sind alle selbst gemacht“, berichtet einer der Blauhäutigen aus dem Gohr-Clan. Schon früher seien sie als Comic-Helden unterwegs gewesen – als Dalton-Brüder aus „Lucky Luke“ oder als Panzerknacker aus „Mickey Maus“.
Prinzenfrühstück im Duisburger Rathaus
An der Ecke Klöcknerstraße/Ecke Danziger Straße tobt der „Krieg der Sterne“. Und Hartmut Klages ist im braunen Gewand der Jedi-Ritter mittendrin. Eine Lichtschwert baumelt an seinem Gürtel. „Ich bin aber ein Padawan, also in der Jedi-Ausbildung“, sagt der Bissingheimer und lacht. Seinen Lehrmeister trägt er auf dem Rücken. Yoda, der grüne Star-Wars-Gnom, hängt ihm wie ein Rucksack an den Schultern. Möge die Macht mit diesen beiden Karnevals-Kriegern sein. . .
Die jüngsten Kamelle-unters-Narrenvolk-Bringer stehen auf dem Wagen des evangelischen Kindergartenwerkes und des Kiga Pusteblume. Hier übt sich der potenzielle Prinzennachwuchs für die Sessionen 2032 bis 2042. Früh übt sich, wer ein Rosenmontagszugs-Meister werden will.
In der Bahn-Unterführung an der Mülheimer Straße ist es am lautesten. Von oben donnern die in den Bahnhof ein- und ausfahrenden Züge. Und unten donnern die Fanfaren und Pauken der Fußgruppen.
Auf der A-59-Brücke neben dem Finanzamt Duisburg-Süd an der Landfermannstraße kontrollieren Polizisten das dort geltende Kamelle-Wurfverbot. Fast alle Zugteilnehmer halten sich daran.
