„Morgen ist Tosca. Ich habe den Weinkeller schon eröffnet.“ Stephanie Schierhorn steht in einer kleinen Küche vor einem dampfenden Topf, in dem Teebeutel hängen, inmitten eines Riesenraums mit reichlich Regalmetern.
Sortiert und gestapelt liegen darauf Weidenkörbe, Rosen, Schirme, Brieftaschen, Schreibfedern, Bürsten, Hutschachteln, Spazierstöcke, Peitschen, Knuten... „Wir können alles bedienen“, sagt die Requisiteurin lachend. Und führt uns später in den früheren Luftschutzkeller, in dem das Bühneninventar nach Themen wie „Gaststätte“, „Spielwaren“ oder „orthopädische Abteilung“ (Skelett, Arme, Beine) sortiert ist. Im Theater am König-Heinrich-Platz arbeitet die 48-jährige Duisburgerin an Illusionen – und verrät ein paar Rezepte aus ihrer „Hexenküche“.
Awie Alkohol: Gibt es kaum noch auf der Bühne. Früher floss schon mal Bier aus echten Fässern oder es gab in der „Fledermaus“ ein Schlückchen Sekt. „Alkohol ist zurückgegangen, echte Lebensmittel haben zugenommen.“
B wie Briefe: Für die wurde eine eigene Theaterschrift entwickelt, damit Sänger nicht zum Lesen verleitet werden und damit aus dem eigenen Text geraten könnten. „Auf Wunsch schreiben wir aber auch den richtigen Text rein – mehr als moralische Unterstützung.“
C wie Chemiebaukasten: Bei der Verwandlung von Wasser zu Wein (in der früheren „Zauberflöte“) wurde eine Chemikalie im Korken versteckt. Wenn der Korken gedrückt wurde, färbte sich das Wasser rot.
Dwie Dosensuppe: Die Tomatensuppe, die in „Tosca“ serviert wird, kommt praktischerweise aus der Dose.
E wie Essen: Wird von den Sängern meistens vorgetäuscht, denn die Gefahr, sich zu verschlucken, ist einfach zu groß.
F wie Fertigblut: Da wird auf das dickflüssige Industrieprodukt zurückgegriffen, das auch in Filmen eingesetzt wird. „Wenn die Gattin den Kopf ihres geköpften Gatten hebt, muss es ja schön sämig triefen.“
Gwie Grusel: Für die „Phädra“-Inszenierung mussten Leichenteile in einer Zinkwanne her. „Die haben wir präpariert wie in CSI.“ Das wiederum sah so echt aus, dass die Reinigungskraft, die am nächsten Morgen in die Requisite kam, rückwärts raus ist.
H wie Hähnchen: Der Trend geht zum Echten (siehe oben). Plastikhähnchen haben ausgedient und werden durch echte Flattermänner ersetzt.
I wie Igitt: Auf Wunsch des Regisseurs musste für Puccinis Einakter „Schwester Angelika“ eine Nachgeburt her. Beim Metzger wurden Rindermilz und -luftröhre bestellt und in einem Eimer dekoriert.
J wie Jugend: Dafür sind die Maskenbildner zuständig.
Kwie Krach machen: Wenn auf der Bühne „Glas“ splittert, stehen die Requisiteure auf der Seitenbühne und treten gegen Blecheimer.
L wie Lilien: Frische Blumen zieren manches Zimmer auf der Bühne – und dienen auch als Schlaginstrument. Zum Beispiel bei Lilien müssen die Blütenpollen rausgeschnitten werden, damit es keine Flecken auf der Garderobe gibt.
Mwie Mineralwasser: Wünschen sich manche Sänger statt jeder anderen Flüssigkeit und wird dann in Korbflaschen „versteckt“. Auf Wunsch auch ohne Kohlensäure.
N wie Nudeln: Für Rossinis Komische Oper „Die Italienerin in Algier“ werden ein Pfund Spaghetti mit Tomatensoße und Parmesan gekocht. Die Nudeln sollen übrigens ebenso dampfen wie der Tee, den Madame Butterfly bei der Tee-Zeremonie zubereitet – muss also alles heiß auf die Bühne kommen.
Einblicke
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Owie Obst: Soll – vor allem als Obstteller – möglichst frisch und dekorativ arrangiert werden. Trauben, Bananen, Apfelsinen zieren die Obsttabletts in „La Traviata“.
Pwie Pflanzen: Wenn der Philodendron erzittern muss, weil auf der Bühne geniest wird, wird er zuvor mit Fäden präpariert, die dann in die entsprechende Richtung gezogen werden.
Q wie Quark: Die dreistöckige Hochzeitstorte ist nicht echt, zwei Stücke zum Rausschneiden werden zuvor mit Quark eingestrichen, damit das Messer auch schön verschmiert aussieht.
R wie Reinigung: Da ist die Kostümabteilung zuständig – und besteht darauf, dass alles wieder sauber wird.
S wie Sekt: Wird aus Apfelsaft und Mineralwasser gemischt. Es sei denn, die Flasche muss beim Öffnen richtig knallen und schäumen. Dann wird Sekt mit Naturkorken gekauft. „Es muss kein Champagner sein, die Flashe wird ja mit einem Tuch umwickelt.“
T wie Traubensaft: Ist bei den Sängern ganz unbeliebt, weil er die Schleimbildung fördert und spielt deswegen nicht die Rolle des Weins.
Uwie unecht: Ist vieles im Theater, jedenfalls im engeren Sinn. Weiter gefasst, bringt die Oper die großen Fragen ihm wahren Leben auf den Punkt.
Vwie verschlucken: Fürchten Sänger sehr, daher greifen sie beim Essen und Trinken nicht wirklich zu.
W wie Wein: Anstatt Rotwein gibt’s Malventee. „Der ist dunkler als Hagebutte“. Apfelsaft ersetzt sowohl Weißwein als auch Kümmelschnaps.
Z wie Zigaretten: Wenn’s sein muss, setzen die meisten Sänger nicht auf Kräuterzigaretten, sondern bevorzugen die ganz leichten Echten.
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