Duisburg. Jedes dritte Kind kommt laut einer Studie hungrig in die Schule. Wie können Freiwillige helfen, was sagen Lehrer und was ist in den Brotdosen?
Allen Initiativen zum Trotz gibt es in Duisburg weiterhin Kinder, die hungrig in der Schule sitzen, die kein Frühstück dabei haben. Die Nachfrage nach einem ausgewogenen Frühstück für Kinder an Duisburger Schulen schätzt das Amt für Schulische Bildung als „hoch“ ein. Deshalb werden weitere Maßnahmen geprüft, mit denen man ein gesundes Frühstück an allen Schulen etablieren kann, erklärt Stadtsprecher Falko Firlus.
Bereits seit zehn Jahren werden rund 1100 Schulkinder an 19 Duisburger Schulen mit einem Frühstück durch die gemeinnützige Organisation Brotzeit e.V. versorgt. Der Verein Immersatt Kinder- und Jugendtisch beliefert außerdem wochentags rund 800 Kinder mit Frühstücksbeuteln.
Derzeit werde geprüft, weitere Standorte durch Brotzeit fördern zu lassen. Das Amt für schulische Bildung stehe dazu in Gesprächen. „Derzeit stehen viele Familien vor einer wirtschaftlichen Herausforderung, häufig verzichten Familien aus benachteiligten Verhältnissen auf ein Frühstück, was zu einem Mangel an ausgewogener Ernährung und folglich auch zu Konzentrationsschwierigkeiten in der Schule führt“, sagt Stadtsprecher Falko Firlus.
Studie: Jedes dritte Kind kommt hungrig in die Schule
Bei einer Studie im Auftrag von Kelloggs wurden 1850 Lehrer in Deutschland befragt. Demnach kommt jedes dritte Kind täglich hungrig in die Schule. Im vergangenen Jahr habe sich die Situation nochmals verschärft. Kinder, die ohne Frühstück im Unterricht erscheinen, würden sich zur Hälfte nicht mehr am Unterricht beteiligen, Dreiviertel von ihnen könnten sich nicht konzentrieren und knapp 40 Prozent würden eher als krank und ungesund wahrgenommen, heißt es.
Schulleiter Torsten Marienfeld von der Alfred-Adler-Förderschule in Duisburg bestätigt: „Ich kann der Studie nur beipflichten. Wir erleben es immer mehr, dass Schüler ohne Frühstück und ohne Pausenbrot in die Schule geschickt werden. Es findet eine schleichende Unterversorgung vieler Schülerinnen und Schüler statt. Anstatt Pausenbrot bekommen sie Geld für Chips.“
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Michael Fuchs, Lehrer und Gewerkschafter vom Verband Bildung und Erziehung (VBE), sagt, dass sich „Kinder mit leerem Magen oft nicht konzentrieren können“. Jeder Lehrer kenne das Problem, „nicht nur in herausfordernden Lagen“. Durch Privatinitiativen wie Brotzeit habe sich eine Menge getan. Aber Kinder, die kein Frühstück mitbekommen und dann auch noch zu spät zur Schule kommen, würden davon nicht profitieren: „Die Alltagshelfer sind dann weg, die Brote verteilt.“ Er kenne viele Lehrer, die immer eine Packung Zwieback dabei haben oder ihre Äpfel teilen.
Brotdosen-Check in einer Grundschule
Die Grundschule Beethovenstraße in Rheinhausen gehört zu jenen Schulen, die keine Unterstützung durch Vereine wie Brotzeit oder Immersatt bekommt. Mit dem Sozialindex 6 und 80 Prozent Kindern mit Migrationshintergrund gehört sie zudem zu jenen Schulen, die besondere Herausforderungen stemmen müssen.
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Die Frühstücksfrage ist dennoch eins der geringeren Probleme, sagt Schulleiterin Heike Schoch. Sie kennt die Videos von Instagram-Muttis, die frühmorgens Brote in Sternform ausstechen, der Kiwi Augen basteln und Käsehäppchen mit Holzpickern anrichten. „Wir haben Kinder, die mit diesen 37-Fächer-Brotdosen ankommen und wir haben Kinder, die nur ein Nutellabrot dabei haben“, sagt Schoch, über die Hälfte bringe ein gesundes Frühstück mit. Und wenn mal ein Kind nichts dabei hat, wird eben geteilt. „Es sei menschlich, mal was zu vergessen“, sagt die Lehrerin. Und auf die Frage in die Klasse, wer sein Frühstück teilt, melden sich jedes mal so viele, dass das Kind dann einen ganzen Berg da liegen hat, freut sie sich.
Geschnippeltes Obst geht am besten weg
Früher gab es ein Projekt vom Verein Bürger für Bürger, wo Ein-Euro-Kräfte Obstteller vorbereitet haben, „das war toll“, schwärmt sie. Alles andere würde sie schon räumlich vor Herausforderungen stellen: „Wir haben keinen Platz, um Dinge zu kühlen, vorzubereiten, zu lagern.“ Aktuell gehen 380 Kinder in die Schule. Im nächsten Jahr kommen zusätzliche Container, die aus der 3,5- eine 4,5-zügige Schule machen.
Für gestresste Mütter schlägt sie eine Bresche: Denn auch ihre Kinder, die in Meerbusch „wie unter einer Käseglocke“ zur Schule gingen, bekamen mal abgepackte Croissants mit. Kinder würden zwar „spätestens in der dritten, vierten Stunde zappeliger, wenn sie nur Süßes zum Frühstück dabei haben“, so Schoch, aber „ich brauche zwischendurch auch meinen Kaffee oder mal ein Stück Schokolade“.
Bereits im ersten Schuljahr werde gesunde Ernährung thematisiert – mit den Kindern und auf dem Elternabend. Besonders gesunde Brotboxen werden gelobt und manche Kinder erzählen das daheim, wollen auch mal gelobt werden und bringen dann andere Sachen mit.
Brotdosen mit Nutellaschnitte sind selten
Beim Überraschungsbesuch in einer dritten Klasse der Grundschule müssen wir lange suchen, bis wir das erste Nutellabrot finden. Daran mag das halt am Liebsten und beißt herzhaft ab. Rehad hat Kekse und ein Schoko-Croissant dabei.
In der Klasse lernen Kinder aus mindestens fünf verschiedenen Nationen, sie stärken sich mit Graubrot und Brötchen, Körnerbrot und Toast. In einer Premiumdose sind Pfannkuchen-Röllchen, Erdbeeren und Nüsse. Diego piekt mit einer goldenen Kuchengabel Salat aus der Tupperdose, Schafskäse, Schinkenstückchen und Joghurtdressing mag er gern.
Melis zeigt stolz ihr belegtes Brot mit Gurke, dazu gibt es Oliven als Snack. Ivona isst ein Körnerbrot mit Salami, „ich hasse Käse“, sagt sie. Semi hört das und sagt, dass er Nutella hasst. In seiner Dose sind Äpfel und Gurkenscheiben – darunter im Fach liegt ein Hanuta. „Das mag ich schon!“
Schokolade sei in ihrer Klasse nicht verboten, betont Lehrerin Rebecca Schumacher, „aber bei den Elternabenden sprechen wir darüber, dass es nicht so sinnvoll ist“. Die Frühstücksvarianten seien für ihre Klasse schon typisch. Es gebe aber auch Kinder, die mit dem Burger vom Vortag oder einer Tüte Chips ankommen. Sie selbst esse nur Schwarzbrot und Obst in der Schule. „Sie sollen sehen, dass es anders geht.“
>>DIE PROJEKTE BROTZEIT UND IMMERSATT
Deutschlandweit versorgt Brotzeit e.V. aktuell an rund 300 Schulen jeden Morgen mehr als 14.000 Kinder mit einem Frühstück. 1660 Seniorinnen und Senioren sind schon ehrenamtlich in dem 2009 von Uschi Glas gegründeten Verein aktiv.
In Duisburg werden rund 1100 Kinder täglich mit dem Frühstücksbuffet satt gemacht. Rund 100 Frühstückshelferinnen und -helfer engagieren sich für die Kinder. Weitere Infos auf der Webseite www.brotzeitfuerkinder.com
Immersatt ist eine Duisburger Initiative, die seit 2010 Kinderarmut bekämpft und so bereits über 3,4 Millionen Frühstücksbeutel gepackt hat. Weitere Infos: www.immersatt.org