Duisburg. Etwa die Hälfte der Duisburger hat einen Migrationshintergrund oder einen ausländischen Pass. Wie Wirtschaftsförderer das nun nutzen wollen.

24,6 Prozent aller Duisburger haben einen ausländischen Pass (Stand 31.12.2022). Ein weiteres Viertel sind Deutsche, stammen aber aus einer Familie mit Migrationshintergrund. „Das ist etwa die Hälfte der Bevölkerung. Das ist keine kleine Gruppe und kein Nischenthema“, sagt Duisburgs oberster Wirtschaftsförderer, Rasmus C. Beck. Die Duisburg Business Innovation (DBI) möchte das Thema „Migranten-Ökonomie“ mehr in den Blick nehmen, schließlich gibt es eine ganze Reihe Unternehmer, Händler und Investoren mit Migrationshintergrund.

Und viele beweisen großen Mut, sich selbstständig zu machen. Allein: Zahlen, in welchen Branchen diese gründen oder in Duisburg tätig sind, gibt es nicht.

Mitarbeiter Ömür Hafizoglu von „Duisburg Business Innovation“ soll Türen öffnen

Ömür Hafizoglu soll künftig verstärkt auf Gründer und Geschäftsleute mit Migrationshintergrund zugehen.
Ömür Hafizoglu soll künftig verstärkt auf Gründer und Geschäftsleute mit Migrationshintergrund zugehen. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Mit Ömür Hafizoglu hat man aber immerhin jemanden in den eigenen Reihen, der genau diese Zielgruppe ansprechen und auf die Angebote der DBI aufmerksam machen soll. „Wenn ich da in der Tür stehe, denken die direkt, ich bin vom Ordnungsamt“, gibt Beck zu.

Ohnehin war für ihn das Thema, bevor er in Duisburg seinen Dienst antrat, eher eine „Black Box“. Bei einem Auftaktgespräch unter dem Titel „Reiz der Vielfalt, Perspektiven der ethnischen Ökonomie in unserer Innenstadt“ im Café Teos an der Münzstraße näherte man sich nun mit Dr. Alexandra David und Dr. Judith Terstriep vom Institut für Arbeit und Technik sowie mit der Bundestagsabgeordneten Lamya Kaddor (Bündnis 90/Die Grünen) und Bürgermeister Sebastian Ritter (ebenfalls Grüne) dem Thema. Schnell wurde klar: Wirtschaftsthemen, die Entwicklung des Stadtteils Marxloh und Integrationsfragen liegen dicht beieinander.

Dr. Alexandra David vom Institut für Arbeit und Technik definiert, was migrantisches Unternehmertum bedeutet.
Dr. Alexandra David vom Institut für Arbeit und Technik definiert, was migrantisches Unternehmertum bedeutet. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Die Wissenschaftlerinnen unterscheiden die Begriffe „ethnische Ökonomie“ und „migrantische Unternehmertum“. Ersteres trifft vor allem dann zu, wenn sich das Angebot an eine bestimmte Ethnie richtet – Halal-Lebensmittel etwa.

„Migrantisches Unternehmertum“ umfasst hingegen sämtliche Bereiche. Ihr Ziel: das „Dönerbuden-Narrativ“ durchbrechen. „Wenn wir unsere Studenten befragen, dann wissen die mit dem Begriff oft erst einmal nicht viel anzufangen. Aber, wenn man dann mal aufzählt: Da gibt es den Friseur, der auch türkisch spricht, den Taxifahrer und den türkischen Supermarkt, dann sieht man wie weitreichend das Thema ist“.

Jüngere Generationen, die in Deutschland die Schule durchlaufen haben, gründeten auch wissensbasierte Unternehmen, erklärt Wissenschaftlerin David. Sie weiß, dass die Brautmodenmeile in Marxloh weit über Duisburg hinaus einen guten Ruf hat und viele Kunden deshalb den Stadtteil besuchen.

DBI-Chef Rasmus C. Beck im Gespräch mit der Bundestagsabgeordneten Lamya Kaddor.
DBI-Chef Rasmus C. Beck im Gespräch mit der Bundestagsabgeordneten Lamya Kaddor. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Bundestagsabgeordnete Lamya Kaddor bedauert: Brautmodenmeile wird nicht so positiv gesehen wie das Japan-Viertel in Düsseldorf

Auch Lamya Kaddor hebt dieses Alleinstellungsmerkmal vor, bedauert allerdings, dass dies in Duisburg nicht so positiv gesehen wird wie das Japanviertel in der Nachbarstadt Düsseldorf. „Dort ist das Japan-Feuerwerk Teil des öffentlichen kulturellen Lebens.“ Immerhin waren bei dieser Runde alle Gäste schon einmal in Marxloh und keiner äußerte Ängste, sich dort nicht hinzutrauen. Sie habe es immer als positiv empfunden, wenn es in der Bank auch Mitarbeiter gibt, die beispielsweise Türkisch sprechen oder entsprechende Supermärkte zum Einkaufen. „Das bindet auch soziale Kräfte.“

[Nichts verpassen, was in Duisburg passiert: Hier für den täglichen Duisburg-Newsletter anmelden.]

Für den Stadtteil wäre es zweifelsohne besser, wenn die erfolgreichen Unternehmer auch in Marxloh wohnen würden und nicht rausziehen, wenn sie den Aufstieg geschafft haben, weiß Kaddor. Marxloh und Hochfeld gelten als klassische Ankunftsstadtteile. „Aber, wenn ich durch Hamborn und Marxloh gehe, sehe ich funktionierende Stadtteilzentren. Da gibt es kaum Leerstand, das würden wir uns in der Innenstadt manchmal wünschen“, sagt DBI-Chef Beck.

Auch interessant

Oberbürgermeister Sören Link (li.) und Ralf Meurer von der Wirtschaftsförderung (3.v.li.) besuchten Zihni Günes und Selcuk Kilic (re.) vor zwei Jahren in ihrem Betrieb in Neumühl.
Oberbürgermeister Sören Link (li.) und Ralf Meurer von der Wirtschaftsförderung (3.v.li.) besuchten Zihni Günes und Selcuk Kilic (re.) vor zwei Jahren in ihrem Betrieb in Neumühl. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Einer der Unternehmer, den die DBI erreichen möchte, ist Selcuk Kilic. Der 39-Jährige ist im Duisburger Norden aufgewachsen und mittlerweile Gesellschafter von acht Firmen. Angefangen hat alles mit der Günes Sanierungs GmbH, die er gemeinsam mit Zihni Günes gegründet hat. Der Betrieb saniert unter anderem Brand- und Wasserschäden. 112 Mitarbeiter beschäftigen Kilic und Günes.

Auch interessant

Mit der Wirtschaftsförderung hatte er früher kaum etwas zu tun, dabei hatte er schon oft Ideen, was sich ändern müsste. Kilic engagiert sich beim „Türkisch-Deutschen Unternehmer und Akademikerverein“ (Tiad). Die Vereinigung zählt rund 80 Mitglieder. Die Politik habe ihnen in den vergangenen Jahren kaum die „Hand gereicht“.

Erste Kontakte gab es schließlich im Sommer 2020, als der Oberbürgermeister und Wirtschaftsförderer der Firma einen Besuch abstattete. Nun will er dafür werben, dass man ins Gespräch komme.

Duisburger Unternehmen suchen Fachkräfte

Beifall klatschte Kilic, als Lamya Kaddor ankündigte, dass man vonseiten der Ampel-Koalition daran arbeite, die Fachkräfte-Einwanderung zu vereinfachen. „Eigentlich bräuchten wir eine Agentur, bei der sich Fachleute melden können. Dort muss man ihnen nur die deutschen Richtlinien beibringen, wie bei uns gearbeitet werden muss. Die können ihren Job ansonsten doch“, schlägt Kilic vor.

Teilnehmerin Gaye Sevindim, die in Duissern das Bistro „Edel“ betreibt und das Label „Skarabea“ gegründet hat, schaut sich die Veranstaltung auf Empfehlung an. Sie wunderte sich allerdings, dass nicht etwa auch deutsche Unternehmer eingeladen wurden, die vielleicht ebenso etwas zu dem Thema beizutragen hätten.

Auch interessant

Salih Altin, ehemaliger Fußballer, der das Café Teos vor vier Monaten eröffnet hat, fühlt sich nicht als klassischer migrantischer Unternehmer. Er gehört zur dritten Generation. „In Deutschland bin ich Ausländer, in der Türkei aber auch.“

Sein Café ist bewusst modern gehalten, es gibt Bowls und Panini. Der Betrieb sei gut angelaufen und immer mehr Gäste entdeckten das Teos. Mit den Nachbarn von der DBI, die am Calaisplatz sitzen, hat er schon Stammgäste gewonnen: „Das ist hier unsere zweite kleine Kantine“, sagt Rasmus C. Beck. Er ist überzeugt, dass sich die Altstadt zu einem angesagten Kiez entwickeln werde – und auch die Arbeit in den Stadtteilzentren will die DBI künftig verstärken.

>> So läuft die Arbeit im Werbering Marxloh

  • Ein Blick nach Marxloh zeigt, wie sich auch türkische Händler und Unternehmer in die klassische Struktur eines Werberings einbinden lassen. Der Vorsitzende des Werberings Marxloh, Selgün Calisir, erklärt auf Nachfrage unserer Redaktion: „Einer muss vorweg laufen.“ Von den Mitglieder seien 99 Prozent türkisch und selbst der Betreiber der Post habe einen Migrationshintergrund – er ist gebürtiger Niederländer.
  • „Wir tauschen uns in einer Whatsapp-Gruppe aus“, beschreibt Calisir und hat in der Vergangenheit etwa dafür gesorgt, dass in Marxloh eine Weihnachtsbeleuchtung installiert wurde. In anderen Fällen half der Werbering den Gewerbetreibenden zum Beispiel, Anträge für eine Außengastronomie bei der Stadt zu stellen. Und selbst wenn zwischendurch mal ein Laden schließen müsse, gebe es so gut wie keinen Leerstand in Marxloh, weil recht schnell wieder ein neues Geschäft eröffne.