Duisburg. Abriss im Hauptbahnhof: Ein Wahrzeichen ist nun Geschichte. Dafür gibt es ungewohnte Aussichten, ein XXL-Gerüst und bald einen „Löwengang“.

Der Duisburger Hauptbahnhof verändert sein Gesicht in einem Tempo, das man von der Bahn, mit Verlaub, nicht gewohnt ist: Anfang August begann mit fünfjähriger Verspätung die Modernisierung der maroden Gleishalle – vom Bahnsteig 6 (Gleise 12/13) ist inzwischen nicht mehr viel übrig. Und die bekannteste Glasfassade der Stadt ist bereits Geschichte.

Von der brüchigen Fensterwand an der Ostseite der Gleishalle, die wegen ihrer zahlreichen Gaffer-Tape-Klebestreifen im Laufe der Jahre zum geliebten wie verspotteten Wahrzeichen avanciert war, ist seit Anfang der Woche nichts mehr übrig. Auch das Stahlskelett und die Stützen der historischen schwebenden Gleishalle haben die Arbeiter auf der Ostseite komplett entfernt.

Wartende Fahrgäste haben von den Bahnsteigen darum ungewohnt freie Sicht hinüber nach Neudorf, auf das Kinogebäude und die ruhende städtische Baustelle zur Sanierung des Bahnhofsvorplatzes (wir berichteten).

Großbaustelle Duisburger Hauptbahnhof: 5000 Tonnen alter Bahnsteig entfernt

Die von der DB Station & Service beauftragten Firmen um die Baukonzerne SEH Engineering und Eiffage haben auch alle Dächer über dem gesamten Bahnsteig 6 entfernt – das alte Hauptdach samt Obergadenfenstern und die sogenannten Essener Dächer. Das ist der schmucklose, langgestreckte Wetterschutz auf beiden Seiten der Gleishalle.

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Auch der über 400 Meter lange Bahnsteig wurde zu knapp zwei Dritteln zurückgebaut. „Insgesamt wurden bislang circa 5000 Tonnen alter Bahnsteig und etwa 250 Tonnen Stahl des Daches entfernt“, bilanziert ein Bahnsprecher. Der ehemalige Bahnsteig ist größtenteils abgetragen bis hinunter zu den Schienen, über die seit August nur noch Bau- und Transportzüge rollen.

Auf der Ostseite ist die Fensterwand zwischen Eingang und Gleisen verschwunden. Links im Bild: der Aufbau des roten Schutzgerüstes und dessen Pfeiler.
Auf der Ostseite ist die Fensterwand zwischen Eingang und Gleisen verschwunden. Links im Bild: der Aufbau des roten Schutzgerüstes und dessen Pfeiler. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Nur im letzten Drittel im nördlichen Bahnsteigsbereich, auf dem Weg zur Linienbushaltestelle und zum U-Bahnhof, wird der Bahnsteig nicht komplett abgetragen. Dort, erläutert ein Bahnsprecher, „werden nur der Belag und das Blindenleitsystem erneuert“.

Parallel wächst draußen, vor dem Hauptbahnhof, über die Anbauten dort hinweg das 75 Meter lange Schutzgerüst, für das 17 Betonpfeiler im Boden verankert wurden. Das rote Stahlgerüst soll das Bahnhofsvordach, die Geschäfte sowie die Passanten schützen und wird eine Arbeitsbühne für alle sein, die an der Ostfassade der Gleishalle werken. Das Gerüst bleibt bis mindestens Mitte 2024 stehen, also auch während der zweiten Bauphase (Bahnsteig 5 – Gleise 10/11).

Das erste Sechstel des Wellendachs soll bis zum Sommer installiert werden

Unter dem Gerüst am Osteingang wird außerdem in den nächsten Wochen ein „Löwengang“ aufgebaut – ein Schutztunnel für Fußgänger. Sobald der Rückbau abgeschlossen und das Gerüst fertig ist, starte der Neubau der Dächer und des Bahnsteigs, so der Sprecher.

Vom Bahnsteig und den „Essener Dächern“ sind nur noch die Stützen übrig.
Vom Bahnsteig und den „Essener Dächern“ sind nur noch die Stützen übrig. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Voraussichtlich im ersten Quartal 2023 werden die beiden Kräne acht neuen Dachstützen die „Fischbauchbinder“ aufsetzen. Das sind die stählernen Querträger, die der Duisburger Welle den Schwung geben. Wenn diese fest sitzen, bekommt das erste Sechstel des Wellendachs die Trapezbleche aufgesetzt.

Die erste von neun Bauphasen soll im Sommer 2023 abgeschlossen sein. Ab dann sollen an den Gleisen 12 und 13 wieder Züge halten – unter dem neuen Dach, am neuen Bahnsteig. Während der nächsten Etappe folgen Abriss und Neubau am Bahnsteig nebenan. Dafür werden die Gleise 10 und 11 ein Jahr lang gesperrt.

Die letzte Bauabschnitt endet – so der Plan – im Sommer 2028 im Westen der Gleisanlagen, an Bahnsteig 1. Dort können Nostalgiker übrigens noch jahrelang eine Fassade mit Drahtglasscheiben gucken. Nur hat die Wand im Westen deutlich weniger Gaffertape-Klebestreifen zu bieten als das nun abgerissene Gegenstück.

Das Schutzgerüst wird 75 Meter breit.
Das Schutzgerüst wird 75 Meter breit. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

>> DUISBURGER WELLE: 260 MILLIONEN EURO UND SECHS JAHRE – MINDESTENS

  • Abriss und Neubau müssen unter dem rollenden Rad erfolgen, also während des laufenden Zugverkehrs.
  • Die Modernisierung erfolgt etappenweise Bahnsteig für Bahnsteig von Ost nach West, von Gleis 13 bis 1.
  • Für den Verkehr müssen sechs Jahre lang zehn statt zwölf Gleise ausreichen.
  • Die neue Gleishalle mit dem Wellendach hat mit 124 mal 150 Metern die gleichen Grundmaße wie die bisherige.
  • Zur Internationalen Gartenausstellung (IGA) 2027 mit dem Zukunftsgarten RheinPark in Hochfeld sollen fünf Bahnsteige samt Dach fertig sein.
  • 2016 hatte die Bahn für die „Duisburger Welle“ rund 100 Millionen Euro veranschlagt, nun investieren Bund, Land NRW und DB AG mindestens 260 Millionen Euro.
Die Großbaustelle Duisburger Hauptbahnhof im Oktober 2022 aus der Vogelperspektive.
Die Großbaustelle Duisburger Hauptbahnhof im Oktober 2022 aus der Vogelperspektive. © FUNKE Foto Services | Hans Blossey