Duisburg. Vor dem Hauptbahnhof werden ein riesiges Schutzgerüst und ein „Löwengang“ aufgebaut. In der Gleishalle gibt’s einen historischen Abriss zu sehen.
Falls die Bahn mal wieder später kommt – gibt’s im Duisburger Hauptbahnhof für wartende Passagiere seit zwei Wochen eine Art Unterhaltungsprogramm. Zumindest Fahrgäste auf dem Bahnsteig zu den Gleisen 10 und 11 bekommen dort werktags in den kommenden Monaten Außergewöhnliches zu sehen: Bis zu 100 Männer und Frauen reißen auf der Ostseite der Gleishalle mit schwerem Gerät das Dach und den Bahnsteig ab. Anke Goldbaum (39) und Iljan Seiler (46) sind bei der Modernisierung der Gleishalle die Projektleiter der DB Station & Service AG. Die Architektin und der Bauingenieur haben uns die spektakuläre Dauerbaustelle erklärt.
Dass die Arbeiten nun, mit etwa fünfjähriger Verspätung begonnen haben, ist seit Anfang August auch am Ostausgang des Bahnhofsgebäudes nicht mehr zu übersehen:
Hauptbahnhof Duisburg: Der Osteingang bekommt ein Schutzgerüst
Wo der Fußgängertunnel in Neudorf endet – und die städtische Baustelle zur Umgestaltung des Bahnhofsvorplatzes nach der Pleite der Baufirma weiter ruht (wir berichteten) –, ist es seit Tagen laut und staubig. Draußen setzen Baggerfahrer 17 Betonpfeiler ab, damit ein 75 Meter langes Schutzgerüst Halt bekommt. Es soll das Bahnhofsvordach, die Anbauten sowie die Passanten schützen und wird eine Arbeitsbühne für all jene sein, die an der Ostfassade der Gleishalle werken.
Artikel zur Modernisierung des Duisburger Hauptbahnhofs (chronologisch sortiert):
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„In den kommenden Wochen“, kündigt Anke Goldbaum an, „wird am Osteingang außerdem ein Löwengang aufgebaut.“ So nennen die Fachleute einen Schutztunnel für Fußgänger. Die vier Ladenlokale am Ein-/Ausgang (hier waren eine Backwerk-Filiale, ein Kiosk, ein Obstladen und ein Imbiss untergebracht) sind leer und ebenfalls Baustellen. Iljan Seiler erklärt: „In die Shops werden massive Stützen für die Randbalken des neuen Dachs eingebaut.“ Wenn die erste Bauphase im Sommer 2023 endet, sollen die Geschäfte wieder eröffnen.
Gaffertape-Scheibenwand: Fenster sind verseucht
Für alle, die nicht am Bau beteiligt sind, ist im Fußgängertunnel nun dort Endstation, wo früher Rolltreppen hinauf zu den Gleisen 12 und 13 ratterten. An diesem Bahnsteig hält seit zwei Wochen kein Zug mehr. Wände aus Holzplatten versperren den Weg nach oben. Dahinter wurden die Rolltreppen ausgebaut.
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Oben auf der Baustelle Bahnsteig gibt’s keine Oberleitungen mehr. Das Bett von Gleis 13 ist weg, wurde samt Schiene, Schwelle und Schotter beseitigt. Seit einigen Tagen schlagen Bauarbeiter hier die Drahtglasscheiben aus, die nach dem Zweiten Weltkrieg ins 1933 fertiggestellte Stahlskelett der Halle eingesetzt wurden (wir berichteten). Die Scheibenwand, die seit Jahren nur noch mit Unmengen Gafferband zusammengehalten wurde, genoss zuletzt beinahe Kult-Status.
Acht Dachstützenpaare pro Bahnsteig
Was hier oben am, auf und über dem Bahnsteig in den kommenden Wochen zu sichtbaren Veränderungen führt, „ist ein eng verzahnter Ablauf der beiden Hauptfirmen“, so Goldbaum. Vereinfacht zusammengefasst: Um den Stahlbau kümmert sich SEH Engineering aus Hannover, für den Gleis- und Tiefbau zeichnen Tochterunternehmen des französischen Baukonzerns Eiffage verantwortlich. Viele Arbeiten laufen parallel, etliche Gewerke bauen aufeinander auf:
- Die Bahnsteigkante wird auf beiden Seiten des 400 Meter langen Bahnsteigs abgetragen, der Bahnsteigkörper bekommt ein neues Innenleben, etwa ein modernes Entwässerungssystem, und einen neuen Belag.
- Darüber knabbern die Bauleute Schiff für Schiff das 150 Meter lange Hauptdach ab. Sie nutzen Hebebühnen, aber auch große Gerüste, um ans Dach zu kommen. Es werde bis zum Herbst bis hin zu den alten Trägern entfernt, die zwischen den Gleisen 12 und 11 auf bröckelnden Pfeilern stehen. Dass Träger so nah an der Strecke stehen, verbieten inzwischen mehrere Regelwerke, etwa die Eisenbahnbetriebsordnung, erläutern die Projektleiter. Zugverkehr in der alten Gleishalle war beziehungsweise ist darum nur noch wegen des Bestandsschutzes möglich.
- Die neuen Hallendachstützen werden also auf den Bahnsteigen platziert, die Fundamente dort in den kommenden Wochen gegossen. „Pro Bahnsteig wird es acht Stützenpaare für das 150 Meter lange Dach geben“, berichtet Seiler.
- Auf den Bahnsteigen bleiben nur die Fahrstühle unberührt. Bei den sogenannten Essener Dächern, die etwas neueren Flachdächer an den Enden der Bahnsteige, sagt Goldbaum, wird „die Dacheindeckung erneuert und die Stützenkonstruktion saniert“.
- Voraussichtlich im ersten Quartal 2023 werden die beiden Kräne (wir berichteten) den acht neuen Dachstützen die „Fischbauchbinder“ aufsetzen. Das sind die stählerne Querträger, die der Duisburger Welle den Schwung geben.
- Wenn diese fest sitzen, bekommt das erste Sechstel des Wellendachs die Trapezbleche aufgesetzt. Denn gläsern ist die Duisburger Welle nur an den Seiten, damit es darunter nicht zu warm wird und „die Glaselemente auch gereinigt werden können“, erläutert Goldbaum.
Glasfassade im Osten: Einbau erst 2024
Das Schutzgerüst vor der Gleishalle bleibt bis mindestens Mitte 2024, also auch während der zweiten Bauphase stehen. Aus statischen Gründen, so Seiler, könne erst dann die neue Glasfassade eingesetzt werden, durch die so viel Licht auf die Bahnsteige fallen soll.
Die erste von neun Bauphasen soll im Sommer 2023 abgeschlossen sein. Ab dann sollen an den Gleisen 12 und 13 wieder Züge halten, unter einem neuen Dach, an einem neuen Bahnsteig. Während der nächsten Etappe folgen Abriss und Neubau am Bahnsteig nebenan. Dafür werden die Gleise 10 und 11 ein Jahr lang für den Verkehr gesperrt. Die letzte Etappe endet – so der Plan – im Sommer 2028 im Westen der Gleisanlagen, an Bahnsteig 1.