Duisburg. Rassismus-Diskussion zum Internationalen Tag der Roma in Hochfeld. Landtagskandidaten diskutieren – Deniz Güner (CDU) muss sich rechtfertigen.

Der 8. April ist der Internationale Tag der Roma. Der weltweite Aktionstag soll auf die Diskriminierung und Verfolgung der Roma aufmerksam machen und zugleich ihre Kultur feiern. Anlässlich dieses Termins hat das Duisburger Anti-Rassismus-Informations-Centrum (Aric) Vertreter der Romnja-Community sowie Landtagskandidaten zu einer Podiumsdiskussion in die Pauluskirche in Hochfeld eingeladen. Viele Zugewanderte aus Südosteuropa, die nun in Hochfeld oder Marxloh leben, sind Romnja. Wie sie im Alltag Rassismus erfahren und damit umgehen, erklären die Brüder Dino und Neso Salijević.

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Neso Salijević und sein Bruder Dino haben den TKM Kulturverein gegründet. Sie geben Workshops in Schulen und wollen auf die Situation der Roma aufmerksam machen.
Neso Salijević und sein Bruder Dino haben den TKM Kulturverein gegründet. Sie geben Workshops in Schulen und wollen auf die Situation der Roma aufmerksam machen. © FUNKE Foto Services | Foto: STEFAN AREND

Die beiden stammen aus Serbien, leben seit 1999 in Duisburg und berichten zum Beispiel, wie demütigend es sein kann, jahrelang immer nur mit einer Duldung in Deutschland zu leben. Neso und Dino Salijević arbeiten mittlerweile als Tänzer und geben Workshops in Schulen. Doch als Dino 18 Jahre alt wurde, sollte er plötzlich abgeschoben werden. Nur mit einem Ausbildungsvertrag konnte er dem entgehen. Als er diesen dann beim Amt vorlegte, habe die Sachbearbeiterin gesagt: „Das habe ich nicht gedacht.“ Und als er seine Frau, eine Sinti, heiraten wollte, bekamen sie zwei Jahre lang keinen Termin. „Wir haben eine Tochter, sollten aber nachweisen, dass es keine Scheinehe ist.“

Roma aus Duisburg berichten von ihren demütigenden Erfahrungen mit den Ämtern

Dino Salijević (TKM Kulturverein), Sven Benentreu (FDP), Anabella Peters (Die Linke), Deniz Güner (CDU), Melih Keser (Die Grünen), Frank Börner (SPD), und Gülgün Teyhani (ARIC-NRW e.V.) saßen in der Pauluskirche auf dem Podium.
Dino Salijević (TKM Kulturverein), Sven Benentreu (FDP), Anabella Peters (Die Linke), Deniz Güner (CDU), Melih Keser (Die Grünen), Frank Börner (SPD), und Gülgün Teyhani (ARIC-NRW e.V.) saßen in der Pauluskirche auf dem Podium. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Frank Börner, SPD, erklärt: „Die Verwaltung darf keinen Menschen unterschiedlich behandeln.“ Anabella Peters von den Linken betont: „Die Linke setzt sich auf allen Ebenen gegen Rassismus ein.“ Und Sven Benentreu, Landtagskandidat für die FDP, ahnt: „Dieses Problem kann nicht die Politik alleine lösen, da muss auch etwas von der Gesellschaft kommen.“

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Wie vielschichtig die Probleme sind, weiß Melih Keser von den Grünen nur zu gut. Er berichtet von Häuserräumungen in Hochfeld, bei denen die Bewohner nur eine Stunde vorher informiert wurden und kaum Zeit hatten, ihre Sachen zu packen. Später durften sie zwar noch einmal in ihre Wohnung, sollten aber in vier Stunden den ganzen Umzug stemmen. Und als Ersatzunterkunft seien den Menschen Turnhallen angeboten worden. Er hätte sich die gleich Willkommenskultur, die die Stadt nun gegenüber den Geflüchteten aus der Ukraine zeige auch 2015, 2012 und 2006 gewünscht, als andere Flüchtlinge und Zuwanderer nach Duisburg kamen.

Schnell wird klar: Die Themen, bei denen es Verbesserung bedarf, sind vielfältig. Nicht nur die Wohnsituation ist oft prekär. Es fehlen zudem Schul- und Kindergartenplätze, insbesondere in Marxloh und Hochfeld.

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Eine pikante Rolle kommt an diesem Abend indes CDU-Kandidat Deniz Güner zu. Er ist selbst Marxloher und nach eigenen Aussagen damit vertraut, was es heißt, wenn man ausgegrenzt wird. Nur hat er erst jüngst mit einem Statement auf seiner Facebook-Seite polarisiert. Dort schreibt er: „Duisburg ist nicht das Sozialamt Europas! Die Einwanderung aus Südosteuropa nach Duisburg, nur um Sozialleistungen zu kassieren, muss verhindert werden! Die bewusste Einwanderung aus Südosteuropa in unsere Sozialsysteme ist bereits jetzt schon eine gewaltige Herausforderung für unsere Stadtteile. Schon jetzt gibt es Stadtteile im Duisburger Norden, die einen Anteil von Transfergeldempfängern von über 30 Prozent haben. Die Einwanderung findet in Stadtteile statt, die ohnehin mit massiven Armuts- und Bildungsproblemen zu kämpfen haben. Wie soll eine positive Stadtteilentwicklung stattfinden, wenn der Zuzug in die Sozialsysteme weiter fortgesetzt wird?“

Entsprechend ist das Echo bei der Fragerunde aus dem Publikum. „Ihr debattiert über Rassismus – kennt ihr dieses Statement nicht? Wie kann man so jemanden einladen?“, fragt ein Besucher entsetzt. Auch eine andere Besucherin bekommt „Puls“, wenn sie Güner zuhört. Der sagt indes, dass er damit die organisierten kriminellen Strukturen meine, die es auf das Abgreifen von Sozialleistungen abgesehen hätten. Die Forderungen könnten genau so auch auf Wahlplakaten von AfD und NPD stehen, halten ihm die anderen vor. Güner glaubt allerdings, dass es wichtig sei, dass die CDU sich dieses Themas annehme. Frank Börner, SPD, drückte sein Missfallen aus und warnte davor, am rechten Rand zu fischen.

Absichtserklärungen: Mehr Förderung für Wohnraum und Bildungsangebote

Dass die emotionale Debatte in der Pauluskirche nicht kippte, ist auch der besonnenen Moderation von Gülgün Teyhani von Aric zu verdanken. Seit 25 Jahren wird der Verein vom Land gefördert und ins Beratungsbüro an der Hochfeldstraße kommen Menschen aus ganz unterschiedlichen Ländern mit verschiedenen Anliegen.

Nach zwei Stunden Diskussion gab es viele Absichtserklärungen, etwa dafür zu sorgen, dass mehr sozial durchmischter Wohnraum geschaffen werden muss, es mehr Kita- und Schulplätze in den Stadtteilen „mit besonderem Förderbedarf“ geben soll und auch, dass kleinere Vereine, die sich für die Gleichberechtigung von Roma einsetzen, gefördert werden sollen, damit diese selbst in der Lage sind, ihre Stimme zu erheben.

>> Verein Aric wurde 1994 gegründet

Der Verein Aric-NRW ist seit Jahren in Duisburg-Hochfeld verwurzelt. Die Mitglieder beraten unter anderem Kommunen beim Kampf gegen Rassismus. Der Verein wurde 1994 als Reaktion auf die Brandanschläge in Solingen und Mölln gegründet.

Das Büro befindet sich mittlerweile mittendrin an der Hochfeldstraße.