Mülheim/Duisburg. Forscher der Uni Duisburg-Essen und ein Mülheimer Unternehmer arbeiten an der Revolution der Taxi-Branche. Was das mit Zahnbürsten zu tun hat.
Was haben Taxis und elektrische Zahnbürsten gemeinsam? Kurz hinter der Duisburger Stadtgrenze, am Flockenweg in Mülheim-Speldorf , liegt die Antwort neuerdings im Boden: die Ladetechnik. Auf dem Hof von Unternehmer Randolf Stephany tüfteln Duisburger Forscherinnen und Forscher am Taxiladekonzept für Elektrotaxis im öffentlichen Raum (Talako). Das könnte seinen Teil zur klimaneutralen Revolution der Branche beitragen – und nicht nur dort.
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Über 50.000 Taxen gehören in Deutschland zum öffentlichen Nahverkehr und ergänzen das Angebot von Bus und Bahn, wenn es mal schneller gehen muss. Das allerdings auf Kosten des Klimas : Zu knapp 85 Prozent bestehen die Flotten laut der Projektgruppe der Uni Duisburg-Essen aus Dieselfahrzeugen. Und das dürfte vorerst auch so bleiben, denn: Welcher Taxifahrer stellt sein E-Auto am Hauptbahnhof in die Reihe und stöpselt sich von Ladesäule zu Ladesäule, um wenige Meter vorwärts zu rollen? Wenn diese überhaupt vorhanden sind. Von den Anschaffungskosten für ein E-Taxi mal ganz abgesehen.
Talako-Projekt der Uni Duisburg-Essen: Elektrifizierung von Taxen birgt Potenzial
Dabei steckt in der Elektrifizierung von Taxen jede Menge Potenzial, wie Projekt-Vordenkerin Prof. Dr. Heike Proff betont. „Will man die CO2-Belastungen in den Innenstädten schnell verbessern, sind E-Taxen von besonderer Bedeutung“, sagt die in Duisburg wohnende Lehrstuhlinhaberin für Internationales Automobilmanagement. 13,7 Tonnen CO2 ließen sich durch einen Wechsel nach Berechnungen des Projekts pro Taxi und Jahr einsparen. Zumal Taxen 60.000 bis 90.000 Kilometer im Jahr zurücklegen, während der Deutsche mit seinem Privatwagen im Schnitt nur knapp 12.000 Kilometer fährt.
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Doch wie Taxen, E-Mobilität und Lademöglichkeiten sinnvoll zusammen bringen? Das Lösungswort in Mülheim lautet Induktion. In einem kleinen Häuschen verstecken sich unscheinbare, graue Kästen, die mit einer Ladeplatte im Boden verbunden sind. Ein helles Rechteck über der Spule kennzeichnet den Bereich, auf dem sich das mit einer weiteren Spule umgerüstete E-Taxi positioniert. Ein Knopfdruck – und schon strömen 20 KW, pro Minute lädt die Batterie für ein bis zwei Kilometer Reichweite.
Mülheimer Taxiunternehmer Stephany unter Spannung
„Das ist ideal“, sagt Randolf Stephany über das Prinzip, das mit Hilfe von zwei Millionen Euro Fördergeld des Bundeswirtschaftsministeriums kommendes Jahr auch in Köln zum Einsatz kommt. Dann mit mehreren Ladeplatten in Reihe, auf denen bis zu sechs Taxen gleichzeitig Energie beziehen.
Der Mülheimer Unternehmer war sofort unter Spannung, als er das erste Mal von Talako hörte. Den Kontakt stellte mit Projektbearbeiter Daniel Jaspers ein gebürtiger Duisburger her, der in Mülheim wohnt und eines der aus London nachempfundenen „Black Cabs“ des E-Taxi-Herstellers LEVC in Stephanys Besitz sah. Die perfekte Voraussetzung für eine Umrüstung – zumal der Unternehmer auch über Platz für die Prototypanlage auf seinem Hof verfügte.
Nachhaltigkeit für die Zukunft der Kinder
„Wenn ich etwas bewegen möchte, muss ich etwas tun. Lösungen schaffen, zielgerichtet nach vorne blicken, anstatt nur zu meckern.“ Es sind mehr als Phrasen, die Randolf Stephany von sich gibt – davon künden am Flockenweg Photovoltaik-Anlagen und eine E-Ladesäule. Bald soll Dachbegrünung folgen. In seine beiden E-Taxis – ohne Talako-Umrüstung – investierte er jeweils rund 70.000 Euro . „Davon hätte ich mir auch drei Tourans kaufen können. Und das ohne einen Euro Fördergeld. Die Politik lässt uns da im Regen stehen, anstatt zielgerichtet zu fördern.“
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Hohe Kosten, fehlende Infrastruktur und kaum Anreize: Wo andere Taxi-Besitzer zurückschrecken, geht Stephany in die Vollen. Er habe auch Kinder, sagt der Mülheimer. „Ihnen will ich eine Zukunft bieten.“
Die Kunden honorieren die Risikobereitschaft. „Wir sind fast hinten rüber gefallen, als wir gehört haben: ‘Wir nehmen auch eine Stunde Wartezeit für das London-Taxi in Kauf’“, berichtet Stephany. „Die Menschen kommen auf den Geschmack, das Taxi vermittelt die Begeisterung am elektrischen Fahren.“ Der Projektstart im Juni und die gut funktionierende Anlage – die Projektgruppe und Partner Intis räumten Probleme schnell und unkompliziert aus – bestärken Stephany zusätzlich.
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Weitere Einsatzmöglichkeiten im Dauer- und Schichtbetrieb
Die Kosten für den Aufbau in Mülheim möchte Daniel Jaspers auf Nachfrage nicht genau beziffern, nennt sie aber „forschungsbedingt noch zu hoch“. Er setzt auf eine Standardisierung mit geringeren Kosten bei höheren Stückzahlen. Einsetzbar sei das System für Flotten im Dauerbetrieb, zum Beispiel bei mehreren aufeinanderfolgenden Schichten, führt Projekt-Chefin Heike Proff aus. Stephany nennt etwa Busse an Endhaltestellen.
Die Duisburger Lehrstuhlinhaberin wirbt abschließend: „Wir hoffen, dass mit der Förderung E-Taxen sowohl für Taxifahrer als auch Taxikunden noch attraktiver werden und viele Städte dem Beispiel in Köln folgen.“ Dort wurde über das Projekt hinaus vier Mal 12.000 Euro für neue E-Taxen zur Verfügung gestellt. Drei Mal wurde die Förderung schon in Anspruch genommen.
>> Von der Reichweite bis zur Sicherheit
- Die Projektgruppe der Uni Duisburg-Essen nennt durchschnittlich 120 bis 150 Kilometer Fahrt pro Acht-Stunden-Schicht. Das LEVC-Taxi hat eine Reichweite von etwa 130 Kilometer, bei Bedarf kann ein Range-Extender (Benzin) für zusätzliche 500 Kilometer Reichweite hinzugeschaltet werden. Das Talako -System kann pro Minute für einen bis zwei Kilometer laden.
- Auch das Thema Sicherheit steht bei Daniel Jaspers und Co. weit oben auf dem Zettel. „Die elektromagnetische Verträglichkeit wird durch die Uni Wuppertal überprüft und überwacht“, erklärt der Projektbetreuer. Es geht zum Beispiel um Herzschrittmacher oder Magensonden. Referenzwerte würden nicht überschritten, so Jaspers.