Duisburg. Geflüchtete Frauen, die von Gewalt betroffen sind, machen sich mit der Flucht ins Frauenhaus strafbar, beklagt das Autonome Frauenhaus Duisburg.
Das Autonome Frauenhaus in Duisburg ist für Frauen in Not da, unabhängig von ihrer Herkunft. Bei von Gewalt betroffenen Frauen, die im laufenden Asylverfahren sind, müssen allerdings viele bürokratische Hürden überwunden werden. Die Hilfseinrichtung hadert mit den geringen Zukunftschancen dieser Betroffenen.
Im Behördendeutsch gibt es Begriffe, hinter denen sich Abgründe auftun: „Verlassenserlaubnis“ ist so einer. Für Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt sind und zugleich Flüchtling, ist das ein Problem. Denn eigentlich dürfen sie die Gemeinde, der sie zugewiesen wurden, nicht verlassen, um in einem Frauenhaus Schutz zu suchen. Dafür müssten sie eine Genehmigung bei diversen Behörden einholen.
Frauen, die ins Frauenhaus flüchten, verstoßen gegen Wohnsitzauflagen
„Dafür haben die Frauen im Ernstfall gar keine Zeit“, sagt Hiltrud Limpinsel vom Autonomen Frauenhaus, „aber im Prinzip machen sie sich strafbar, weil sie gegen ihre Wohnsitzauflage verstoßen“. Die Genehmigung für den Aufenthalt im Frauenhaus muss deshalb im Nachhinein eingeholt werden.
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Mit Widrigkeiten dieser Art haben das Autonome Frauenhaus und die Frauenberatungsstelle des Vereins „Frauen helfen Frauen“ immer wieder zu tun. Frauen aus dem Irak oder Syrien, aus Ghana oder Nigeria sind von diesen Regeln betroffen. Und wehe, sie kommen aus einer Unterkunft eines anderen Bundeslandes nach Duisburg, dann ist die Genehmigung fast unmöglich, auch wenn es aus Sicherheitsgründen notwendig wäre.
Männliche Gewalt wird nicht als Fluchtgrund anerkannt
„Frauenspezifische Fluchtgründe, also insbesondere die Flucht vor männlicher Gewalt, werden in Deutschland nicht anerkannt“, sagt Limpinsel. Frauen würden in „als sicher geltende Herkunftsländer“ abgeschoben, obwohl ihnen da sogar Gefahr von der eigenen Familie drohe.
In Albanien etwa gelten zwar europäische Gesetze, die Richter würden aber zugunsten der Männer entscheiden, Frauen seien nicht viel wert. „Manche Frau geht zurück zum gewalttätigen Mann, weil sie im Herkunftsland noch unsicherer ist“, bedauert Limpinsel.
Tägliche Angst wirkt sich auf die Psyche aus
Doppelt gefährdet seien Frauen, die zu den Sinti oder Roma gehören. Sie würden zum einen als Volksgruppe nicht geachtet und nach einer Trennung auch noch von den eigenen Leuten verfolgt.
Zurück in Bulgarien, Rumänien, auch in Serbien oder Bosnien bleibe ihnen oft nur die Obdachlosigkeit oder Prostitution. Denn wegen der starken Diskriminierung bekommen sie auch keinen regulären Job.
Die Frauen im Frauenhaus leben in der täglichen Angst, zurückgeschickt zu werden, sagt Limpinsel, „sie und ihre Kinder sind psychisch hoch belastet und das wirkt sich auch auf uns als Mitarbeiterinnen aus, wenn wir es für lebensbedrohlich halten, dass sie zurückgehen“.
Umfangreiche Arbeit mit den zuständigen Behörden
In den Frauenhäusern werden also viele Behördenwege gegangen, die Mitarbeiterinnen helfen, „einen ganzen Stapel von Anträgen auszufüllen“, Unterhaltsvorschuss, Kindergeld, ALG2, pipapo, „wir sind inzwischen mehr Dienstleisterinnen denn Ansprechpartnerinnen für die weitere Lebensplanung“, bedauert Limpinsel.
Besonders heikel sei die Auseinandersetzung mit der Ausländer-Behörde in Duisburg, die nicht nachkommt und teils gar nicht erreichbar sei. Der Sicherheitsdienst schicke Menschen weg, die in ihrer Not dorthin gehen, erzählt Limpinsel. Eine Frau habe im Januar einen Termin beantragt, im Februar einen Hinweis auf „in Bearbeitung“ bekommen, seit Mai telefonisch versucht, etwas zu erreichen. Im August läuft ihr Aufenthaltstitel für sie und die Kinder ab, geregelt sei immer noch nichts. „Was ist mit denen, die keine Unterstützung haben?“, fragt die Frauenrechtlerin, „ganz tragisch ist das“.
Frauenhäuser sind in einer finanziell prekären Situation
Tragisch ist auch die Finanzsituation der Frauenhäuser. Sie fordern seit Jahren, dass sie pauschal abgesichert werden, stattdessen tragen sie sich über eine Mischkalkulation aus Landesmitteln, kommunalen Zuschüssen (die Duisburg nach 40 Jahren des Zögerns erst seit kurzem zahlt), den Einzelfallfinanzierungen über Sozialleistungen und Spenden. „Unsere Aufgabe ist es, Plätze für Frauen in Not bereitzustellen. Wir können nicht immer voll sein“, sagt Limpinsel. Sind sie aber, häufig stehen die Aufnahmeampeln aller Häuser an der Rhein-Ruhr-Schiene auf Rot.
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Dank Spenden konnte das Frauenhaus im vergangenen Jahr auch Frauen aufnehmen, deren Finanzierung nicht gesichert ist. Aber in manchen Jahren könne man schon im März sehen, dass es eng wird. „Aber wir sind doch nicht dafür da, vorher auszusortieren, wem wir helfen.“
Es bräuchte mehr Plätze für Gewaltopfer in Duisburg, statt zweier Dependancen einen barrierefreien Standort, mehr Personal und eine solide Finanzierung ohne zeitraubende Spendenakquise: „Wir können uns vor Arbeit auch so schon kaum retten, wir stehen mit dem Rücken zur Wand“.
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>>FINANZIERUNG DER FRAUENHÄUSER
- Frauen, die berufstätig sind, müssen ihren Aufenthalt im Frauenhaus selbst zahlen. Bei Anspruchsberechtigten kommen Sozialamt oder Jobcenter für die Kosten auf. Schülerinnen oder Studentinnen müssten Bafög beantragen. Dafür müssten die Eltern allerdings ihre Einkünfte offenlegen „und wenn das die Aggressoren sind, wird das nichts“, verdeutlicht Limpinsel.
- Wer Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhält, dessen Platz wird auch im Frauenhaus bezahlt. Wer aber keinen gültigen Aufenthaltstitel hat oder EU-Bürger ist, hat es schwer. Wenn eine Frau mit den Kindern von den Arbeitseinkünften des Partners gelebt hat und noch nicht fünf Jahre in Deutschland wohnt, muss sie zurück in das Heimatland, sobald sie getrennt ist, sagt Limpinsel.
- Seit einem Jahr erhalten die beiden Frauenhäuser zusätzliche Gelder von der Stadt. Das Autonome Frauenhaus bekam 2020 und 2021 für den Erhalt jeweils 25.000 Euro und die gleiche Summe noch mal für eine Platzerweiterung. Seither gibt es eine Dependance und insgesamt zwölf Plätze für die Frauen und ihre Kinder.
- Es ist das Ziel, zusammen mit dem Gleichstellungsausschuss einen Antrag zu erarbeiten, um die 50.000 Euro festzuschreiben. „Das gäbe mehr Spielraum“, sagt Hiltrud Limpinsel.