Duisburg. Zum Internationalen Frauentag sagt die Duisburger Gleichstellungsbeauftragte: Wirtschaftliche Gleichberechtigung ist erst in 257 Jahren erreicht.

Zum zweiten Mal macht die Corona-Pandemie die Pläne zunichte, mit einem Empfang den Internationalen Frauentag in Duisburg zu zelebrieren. Gibt es denn überhaupt was zu feiern, Frau Seyffert?

Nicole Seyffert ist seit fast zwei Jahren Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Duisburg. Nach ihrer Wahrnehmung ist die Stadtverwaltung gut aufgestellt: „Das Bewusstsein ist groß, sich mit Gleichstellung auseinanderzusetzen.“ Aktuell seien von 276 Führungskräften 185 Männer, allerdings gelte bei der Frauenquote „je höher die Position, desto weniger Frauen“. Es sei dennoch eine positive Entwicklung hin zu mehr Frauen in Leitungsfunktion zu erkennen: Als 1987 das Landesgleichstellungsgesetz verabschiedet wurde, seien Führungspositionen zu 96 Prozent von Männern besetzt gewesen, 2016 sank deren Quote auf 75 %, berichtet Seyffert.

Führungspositionen sind in der Duisburger Stadtverwaltung in Teilzeit möglich

Zum Standard gehöre es inzwischen, dass Führung auch in Teilzeit möglich ist, um eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erreichen. Außerdem gebe es gezielt Fortbildungen. „Aber es bleibt ein Problem, dass sich das viele junge Frauen nicht zutrauen“, beobachtet die 50-Jährige. „Wenn sie sehen, dass sie von drei Anforderungen nur zwei erfüllen, bewerben sie sich nicht, Männer machen das trotzdem.“

Ihr Ziel sei es deshalb, Potenzialentwicklung voranzutreiben. Außerdem sorgt sie dafür, dass Frauen auch in Elternzeit informiert bleiben. Schön zu beobachten indes: „Die jungen Auszubildenden haben ganz andere Herangehensweisen, sie sind viel selbstbewusster und sagen klar: Ich will Karriere machen!“, so Seyffert.

Duisburg braucht ein drittes Frauenhaus

Sorgen bereitet ihr das Thema Gewalt gegen Frauen und Mädchen, das wegen der Corona-Pandemie und der häuslichen Enge womöglich noch größer geworden ist: „Ich befürchte eine hohe Dunkelziffer, es gibt viele Frauen, die betroffen sind, aber keine Hilfe holen.“ Ohnehin habe Corona viele Frauen an und über ihre Grenzen gebracht, auch im Kollegenkreis höre sie von Müttern, dass sie „nicht mehr können“. Duisburger Frauenhäuser fürchten Spätfolgen durch Corona

Seyffert fordert ein drittes Frauenhaus. „Es ist Fakt, dass wir zu wenig Plätze haben. Die beiden Frauenhäuser sind stets belegt.“ Immerhin habe die Politik für 2020 und 2021 in je zwei zusätzliche Familienappartements investiert, „aber das ist immer noch zu wenig“. Ein drittes Haus müsse außerdem barrierefrei sein: „Frauen mit Behinderung sind noch häufiger betroffen“, erklärt sie. Da die Förderrichtlinien noch nicht klar sind, hängt die Entscheidung.

Solchen Forderungen zum Trotz betont Seyffert: „Ich bin Teil der Verwaltung und entsprechend nicht direkt politisch aktiv.“ Ihre Aufgabe sei es vielmehr, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren. Manche Themen könne sie über die Landes- und Bundesarbeitsgemeinschaften der Gleichstellungsbeauftragten in politische Gremien tragen. „Da halten wir Frauen gut zusammen!“

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Perspektiven für junge Mädchen jenseits klassischer Frauenberufe

Stolz ist sie außerdem auf den erstmals gebildeten Gleichstellungsausschuss. „Das ist schon ein Pfund.“ Jetzt muss er nur noch tagen dürfen, das war coronabedingt bislang nicht der Fall.

Die Fortschreibung des Gleichstellungsplans steht bis zum Sommer auf der Agenda. Eine der Forderungen, etwa mehr männliche Erzieher in Kitas einzusetzen, sei bereits erfolgreich umgesetzt. Im Sommer soll außerdem wieder der „Mädchenmerker“ herausgegeben werden - ein Schulkalender ab Klasse 5, der Mädchen berufliche Perspektiven aufzeigt jenseits klassischer Frauenberufe: „Viele wissen gar nicht, dass es Feuerwehrfrauen, Brauerinnen oder Berufskraftfahrerinnen gibt. Den klassischen Männerberuf gibt es nicht mehr“, sagt Seyffert.

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Wichtig ist ihr auch der Equal Pay Day am 10. März, den sie dazu nutzen will, sich für mehr Wertschätzung für Frauen in systemrelevanten Berufen einzusetzen. Grundsätzlich macht der Tag auf die Lohnlücke zwischen Mann und Frau aufmerksam.

Braucht eine Kommune wie Duisburg eine Gleichstellungsbeauftragte? Das ist für Seyffert zweifellos so, zumal durch Corona viele Frauen wieder in traditionelle Rollenmuster geraten sind. „Ich würde mir wünschen, dass meine Funktion nicht mehr nötig ist. Der Gender Gap Report des Weltwirtschaftsforums hat aber ausgerechnet, dass es noch 257 Jahre dauert bis zur wirtschaftlichen Gleichstellung von Mann und Frau.“

>> DER GLEICHSTELLUNGSAUSSCHUSS

• Für die Wahlperiode 2020 bis 2025 wurde ein Gleichstellungsausschuss ins Leben gerufen. Vorsitzende der insgesamt elf Mitglieder ist die Grüne Ratsfrau Dr. Nazan Sirin.

• Die nächste öffentliche Sitzung könnte am 25. März um 15 Uhr im Rathaus stattfinden.