Duisburg-Hochfeld. Vier Menschen bringen ihre Überzeugungen und Zweifel mit zu den Hotspot-Impfungen an Fronleichnam in Duisburg-Hochfeld – und gehen glücklich.
Die Ärmel hochzukrempeln, um seine Ziele zu erreichen, das hat Dieter Uhlenbruck schon in seiner Kindheit gelernt. Und um die Ärmel hochzukrempeln, dafür ist der Duisburger an diesem Fronleichnams-Morgen auch gemeinsam mit seiner Frau auf den Hochfelder Markt gekommen. Als Erster. Für die Spritze in ein Leben voller neuer alter Möglichkeiten, die Einmal-Impfung gegen das Coronavirus mit dem Vakzin von Johnson & Johnson, klingelte der Wecker bereits um drei Uhr früh. Uhlenbruck zuckt mit den Schultern. „Ich muss mich bewegen, um etwas zu bewegen.“
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Zunächst einmal steht Dieter Uhlenbruck aber still. Es ist 8.30 Uhr, er und seine Frau Anja Koppers sind ganz vorne in der Schlange, die sich vom Markt über die Saarbrücker Straße bis vor die benachbarte Gemeinschaftsgrundschule staut. Rund 250 Menschen aus dem Postleitzahlbereich 47053, der sie als Hochfelder ausweist, warten an diesem Feiertag auf eine der rund 1000 Spritzen. Das Sonderkontingent von insgesamt 3800 Dosen nutzt die Stadt seit Pfingstmontag, um in sozial benachteiligten Wohnvierteln zu impfen. Erst Marxloh, dann Rheinhausen, jetzt Hochfeld.
Hotspot-Impfungen in Duisburg-Hochfeld: Gute Stimmung am frühen Morgen
Die Stimmung ist eher gelassen als angespannt. Security und Wartende scherzen miteinander, viele sitzen auf mitgebrachten Campingstühlen, Decken, sogar einem grauen Couch-Hocker. Sie zeichnen, lesen, unterhalten sich. Leise läuft Musik, die Haribo-Tüte raschelt, der Wachmacher Club Mate sprudelt.
Sie hätten von Anfang an geplant, sich impfen zu lassen, erzählt Uhlenbruck am Kopf der Schlange, um mögliche schwere Krankheitsverläufe zu vermeiden. Koppers berichtet von ihrer Prioritäten-Gruppe drei und den vergeblichen Mühen um einen Impftermin. „Das hier ist unsere beste Chance heute“, betonen beide und sind deshalb seit vier Uhr am Platz. Der gelernte Fachagrarwirt, als Rasenmeister für die Sportplatzpflege zuständig, sagt mit einem Lachen: „Es war schwer, ich bin morgens eine Trantüte. Aber wer ist das nicht um diese Uhrzeit?“
Feuerwehr Duisburg gibt um halb Zehn grünes Licht
Um 9 Uhr kommt Bewegung in die müden Augen der Hochfelder. Helferinnen in weiß aus dem 50-köpfigen Organisationsteam verteilen Klappbretter mit Anamnesebögen, es folgt kollektives Kopfbeugen. Das Kreuzchen hier setzen, die Unterschrift dort – abgeschlossen sind die letzten Vorbereitungen. Und kurz darauf geht auch schon das Tor auf, hinein in den mit Bauzäunen abgesperrten Innenbereich bis vor das Zelt zur Anmeldung.
Gegen halb Zehn gibt die Feuerwehr dann grünes Licht, das Paar hat seine Unterlagen da schon längst gezückt. Die Prüfung dauert wenige Augenblicke, bevor zwei Zelte mit jeweils vier Impfkabinen warten. Uhlenbrocks T-Shirt fällt, eine Ärztin desinfiziert die Einstichstelle – und dann geht die Spritze in den Oberarm. Ein kleines Pflaster beendet den Vorgang.
Stolz präsentiert der Duisburger danach seinen Impfpass, das gelbe Stück Papier mit dem lang ersehnten weißen Sticker. Der offizielle Stempel ragt etwas in den QR-Code. „Es sind die Feinheiten“, bemängelt er, bevor wieder die Freude überwiegt. Bei Anja Koppers kommt Dankbarkeit dazu – und ein Appell, es ihr nachzutun. Die bei Thyssenkrupp Beschäftigte spricht von einer Freundin, die mit 37 Jahren schwer an Covid erkrankt sei. „Wenn man mit einer Erkrankten gesprochen hat, dann will man sich impfen lassen.“
Risiken erschweren Steffi Gruner die Entscheidung zur Impfung
Sich mit Johnson & Johnson impfen zu lassen – das habe für Steffi Gruner nicht festgestanden, als sie sich mit ihrem Mann Willi um 9.45 Uhr in die Schlange gestellt hätte, um dieser „anderen Art der Fronleichnams-Prozession“ beizuwohnen. Die Eheleute sitzen eine gute Stunde später im Ruhebereich auf den Boden, eng beieinander, sichtlich zufrieden.
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Die Seelsorgerin für junge Erwachsene im Bistum Essen wirkt gelöst. Gedanken an eine Hirnvenen-Thrombose, für die sie als Frau unter 60 Jahren bei der Spritze mit Vektor-Imfpstoffen ein höheres Risiko trägt, hätten ihr Sorgen und inneren Stress bereitet. Viele Informationen hätte die Frau mit dem warmen Lächeln abgewogen, die Entscheidung sei im Zelt beim Arzt gefallen. Die 43-Jährige: „Ich bin mir des Risikos und der Verantwortung bewusst. Am Ende habe ich gedacht: Du bist blöd, wenn du es nicht nimmst.“
Wie kleine Stiche zu einem unvergesslichen Tag führen
Willi Gruner, in der Gastronomie tätig, hätte sich schon wegen seines Jobs ohne großes Nachdenken auf eine Impfung festgelegt. So unterschiedlich die Entscheidungsfindung war, so gleich ist danach die Reaktion: „Wir habe uns ganz fest umarmt“, berichtet Steffi, ehe Willi ergänzt: „Dieses Fronleichnam werden wir nicht so schnell vergessen.“
Und auch die Frühaufsteher Uhlenbruck und Koppers verlassen beschwingt den Hochfelder Markt. Sie freuten sich jetzt darauf, Freunde zu treffen, Spaß zu haben, am Leben teilzunehmen. „Aber vorher“, sagt der Hochfelder, „schlafen wir ein paar Stündchen und frühstücken ordentlich.“