Duisburg. Im Impfzentrum Duisburg werden zur Zeit täglich rund 2000 Menschen geimpft. Warum alles so gut läuft, erläutert Feuerwehrchef Oliver Tittmann.
Beim Schichtwechsel herrscht Hochbetrieb am Bühneneingang des Theaters am Marientor. Die Musicaldarsteller sind längst fort, das Theater haben vor und hinter den Kulissen Feuerwehrleute und medizinische Mitarbeiter komplett übernommen. Das Duisburger Impfzentrum läuft auch unter Volllast rund.
Pannen gibt es in Zusammenhang mit den Corona-Impfungen reichlich, seien es die chaotische Terminvergabe durch die Kassenärztliche Vereinigung oder der Ansturm aufs Essener Impfzentrum, wo nach der Astrazeneca-Freigabe für Über-60-Jährige auch ohne Termin geimpft wurde und kurzfristig chaotische Zustände herrschten. Wohin man aber in Duisburg auch hört: Fürs heimische Impfzentrum gibt es nur Lob.
Im Impfzentrum Duisburg herrscht gute Stimmung
Warum es so gut läuft? Feuerwehrchef Oliver Tittmann fällt das zuerst die „gute Stimmung“ ein, auf die man großen Wert lege und die bei allen herrsche, obwohl hier der Arbeitstag in drei Schichten von 6 bis 22 Uhr dauert. Die meisten der 800 Mitarbeiter identifizierten sich mit ihrer Aufgabe, von den Mitarbeitern der Fremdfirmen bis hin zu den eigenen Leuten, alle engagierten sich, „damit es läuft“. Dann nennt Tittmann den „schlanken Führungskopf“. Da werde auch mal „die eine oder andere Ansage gemacht“. Und man gehe auf Vorschläge ein, wo etwas verbessert werden könnte: „Wir sind offen für Anregungen.“
Wobei Bernd Wolf, den Tittmann zum „Corona-Koordinator“ der Feuerwehr ernannt hat, einräumt: Wenn es Ärger gebe, bekämen den zumeist die Mitarbeiterinnen der Anmeldung ab, bei denen die Menschen zuerst landen und ihre Unterlagen vorzeigen oder noch ausfüllen müssen. Fehlt hier etwas, wird gelegentlich jemand abgewiesen. Bei etwa 2000 Impfungen pro Tag bilden sich schon mal Schlangen. Und wer zuvor schon wochenlang auf seinen Termin gewartet hat, werde leichter ungeduldig.
Hendrik Magnusson ist Arzt und Feuerwehrmann
Außerdem hat sich die Feuerwehr gut vorbereitet, als sich die Mammutaufgabe Impfen abzeichnete. „Wir brauchten jemanden, der sich mit Medizin und Hygiene auskennt“, sagt Tittmann. Mit Hendrik Magnusson fand man einen Arzt und Feuerwehrmann. Er hat zunächst eine Ausbildung bei der Feuerwehr absolviert und dann mit Ende 20 ein Medizinstudium begonnen; zuletzt arbeitete er als Arzt in einem Krankenhaus in der Inneren Medizin. „Er spricht auch Feuerwehrdeutsch“, verrät Tittmann über seinen Kollegen.
Magnusson arbeitet bei der Leitung des Impfzentrums eng mit der Hausärztin Maria Retz zusammen, die für die Kassenärztliche Vereinigung im Einsatz ist. Die „rheinische Frohnatur“, wie sie selbst über sich sagt, scheint immer unterwegs zu sein. Gerade zeigt die Temperaturkamera am Eingang auffällig oft erhöhte Temperaturen bei den Eintretenden an. Dann muss Maria Retz mit dem Handthermometer nachmessen. „Es könnte daran liegen, dass die Leute in der Sonne angestanden haben“, vermutet sie. Bernd Wolf sagt, er werde ein Auge auf die Kamera haben.
Es gibt nur wenige medizinische Probleme
Bei den Impflingen gebe es nur wenige medizinische Probleme, sagt Maria Retz. Zumeist aus Aufregung, dann müsse man die Impfkandidaten ein wenig beruhigen und Händchen halten. Das übernehmen auch die Rettungssanitäter. Nur einmal habe es eine allergische Reaktion gegeben, aber nicht den gefährlichen allergischen Schock. Darauf ist man natürlich vorbereitet, Medikamente und Defibrillator sind vor Ort.
Einen der stressigsten Jobs im Impfzentrum hat Jürgen Niegemann, der Leiter der Koordinierungsstelle für die Vergabe der städtischen Impftermine und zuständig für Impfstoffmengen und den Betrieb der Impfstraßen. Während die KV die Termine für die jeweiligen Altersgruppen vergibt, ist Niegemann für die Duisburger zuständig, die etwa aus beruflichen Gründen nach den Vorgaben des Landes priorisiert sind wie Mitarbeiter in Kindertagesstätten, Grundschullehrerinnen, Menschen in medizinischen Berufen oder Polizisten.
Sechs Telefone im Impfzentrum stehen nie still
Sie werden zur Terminvergabe angesprochen, aber nicht alle Arbeitgeber reichen sorgfältig geführte Listen ein. Und natürlich gibt es immer wieder Rückrufe, wenn zum Beispiel der Termin für die Zweitimpfung nicht eingehalten werden kann. „Die sechs Telefone stehen nie still“, sagt Niegemann: „Das ist manchmal dramatisch, die Menschen weinen“ – aus Angst, nicht geimpft zu werden oder wenn die Bestätigungs-E-Mail fehlt. „Wir finden immer eine Lösung, aber es ist ein großer Aufwand für eine Einzelperson“, sagt Magnusson.
„Das Ganze ist riesig geworden“, sagt Oliver Tittmann mit Blick auf die die Theaterfassade am Bühneneingang, wo neben an- und abrollendem Personal und Handwerkern auch schon mal ein Wagen der Feuerwehr mit Nervennahrung vorfährt. Die Pforte ist rund um die Uhr besetzt. Bis auf den letzten Raum werde das Gebäude inzwischen genutzt, sagt Tittmann. „Angefangen haben wir mit einem kleinen Testzentrum im Foyer“, blickt Wolf zurück, „inzwischen können wir 6000 Tests am Tag machen.“
Das frühere Theater wird bis unters Dach genutzt
Jetzt wird das komplette Erdgeschoss für alles rund ums Impfen genutzt, im 1. Obergeschoss befinden sich Umkleide, Duschen, Sozial- und Schulungsräume, wird doch jeder Mitarbeiter zunächst etwa über die Hygienevorschriften unterrichtet. Und im Obergeschoss arbeitet die Koordinierungszentrale.
Die ehemalige Theaterkantine ist mit erheblichem Aufwand zum Labor umgebaut worden, schildert Bernd Wolf. Ein Apotheker habe die Feuerwehr beraten, was an Lüftung, Filter und Schleusen nötig sei für ein Labor, in dem die pharmazeutisch-technischen Assistentinnen den Impfstoff aufbereiten. Die Vials, also kleinen Fläschchen, in denen er angeliefert wird, werden in Kühlschränken mit Temperaturüberwachung gelagert.
Kühlschränke mit direktem Draht zur Feuerwehr
Ging man beim Biontech-Vakzin anfangs von Temperaturen zwischen minus 80 und minus 60 Grad aus, liegt die Vorgabe des Unternehmens inzwischen bei minus 25 bis minus 15 Grad; dann bleibe der Impfstoff für zwei Wochen stabil. „Die Kühlschränke sind an unsere Meldeanlage angeschlossen, zur Not rücken wir auch nachts aus“, sagt Wolf. Am Labor holen sich auch die niedergelassenen Ärzte und mobilen Teams die Dosen ab, die sie etwa bei Hausbesuchen verimpfen – „in vibrationsgeschützten Kühlboxen.“
Von den Impfstraßen geht es für die Geimpften schließlich in Tittmanns „Lieblingsraum“. Im ehemaligen Zuschauersaal können sie sich nach der ganzen Aufregung entspannen. Auf Abstand und mit Plastikfolie überzogenen Sitzen, die nach jedem Wechsel neu bezogen werden. „Eine Materialschlacht, aber Vorschrift“, sagt der Feuerwehrchef. „Die Leute sitzen gerne dort, lassen sich berieseln“, gesteht der Feuerwehrchef, dass er jedes Mal eine Gänsehaut bekommt, wenn er den Raum mit seinen roten Sesseln betritt.
>>>DISKUSSION UM IMPFZENTREN
- Bundesgesundheitsminister Jens Spahn geht davon aus, dass die Priorisierung beim Impfen im Juni aufgehoben werden kann, weil ausreichend Impfstoff erwartet wird. Ob die Impfzentren dann schließen können und das Impfen in die Arztpraxen verlagert werden sollte, wird noch diskutiert.
- Feuerwehrchef Tittmann: „Wir werden immer schneller. Je jünger die Jahrgänge sind, die geimpft werden dürfen, desto mehr sinkt der Betreuungsaufwand.“