Duisburg. Der 25-jährige Simon Petzinna hat nach seinem Examen in Duisburg im Testzentrum im TaM gearbeitet. Warum er gute Nerven brauchte.

Es war ein durchschnittlicher Tag kurz vor Weihnachten im Corona-Testzentrum in Duisburg. 177 Lehrer und 277 mögliche Infizierte, die Hausärzte zugewiesen hatten, sind abgestrichen worden. Feierabend an der Teststraße der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) im Theater am Marientor (TaM), Feierabend für die sechs medizinischen Mitarbeiter, die Feuerwehrleute und Simon Petzinna, der hier seit August als Arzt im Einsatz ist.

Im Mai hat der 25-Jährige sein Examen an der Bonner Universität abgelegt, auch die Promotion hat der junge Doktor bereits abgeschlossen. Bevor er im Januar seine erste Stelle in der Onkologie der Uni-Klinik Bonn antritt, hat er im TaM mit weiteren Ärzten Tausende von Abstrichen gemacht. „Zum Höhepunkt Ende Oktober, Anfang November waren es hier insgesamt 600 in sechs Stunden, 30 Sekunden pro Abstrich.“

Duisburg: Der Tag im TaM beginnt mit Temperatur messen

Simon Petzinna wohnt in seinem Studienort Bonn, seine Mutter ist niedergelassene Hausärztin in Duisburg. Als der Aufruf der KV kam, Ärzte fürs Testzentrum würden gesucht, hat er sich gemeldet, um die Zeit zwischen Studium und Stelle zu überbrücken. „Ich wollte was machen, das hier macht Sinn, in diesem Team auch viel Spaß, und es wird gut bezahlt.“

Seine Schicht begann anfangs um 10, inzwischen um 8 Uhr, 20 Minuten vorher muss man da sein. Zuerst wird „bei allen Mitarbeitern inklusive Security die Temperatur gemessen“. Kurze Teambesprechung, was der Tag bringt, dann einkleiden: Schutzumhang, Papiermütze übers Haar, Handschuhe, FFP2-Maske, auch ein Gesichtsschild. Weil viel gehustet wird.

"Das war zu Hochzeiten kaum zu schaffen"

„Es gibt drei Gruppen, die zum Test kommen“, sagt Petzinna. Die Reiserückkehrer, die sich vor allem nach den Herbstferien testen lassen mussten, die Lehrer, die sich dreimal pro Quartal testen lassen können, und die, die vom Hausarzt per Fax oder E-Mail überwiesen werden. Der junge Arzt ist froh, dass jetzt nicht mehr jeder einfach so kommen kann. „Das war zu Hochzeiten kaum zu schaffen.“

In drei Schlangen hätten die Testwilligen zu Beginn der zweiten Welle angestanden, „da haben uns auch die Mitarbeiter des Gesundheitsamtes unterstützt“.

In höchsten Tönen lobt Simon Petzinna die Kollegen von der Feuerwehr: „Ich bin begeistert, die sind super.“ Die gute Stimmung ist spürbar, hier sind alle per Du. Wenn Simon an manchen Tagen stundenlang pausenlos abgestrichen hat, nicht zum Trinken und Essen gekommen ist, dann war es „ein Highlight, wenn mir ein Feuerwehrmann ein Twix zugesteckt hat“.

Der junge Arzt erlebte Aggressionen und Panikattacken

Während sich medizinische Helfer wie die Krankenschwester Celine Pieringer und Altenpfleger André Gresch, die für eine Zeitarbeitsfirma arbeiten, sich darum gekümmert haben, dass es für jeden Testkandidaten eine Schale mit Röhrchen bereit steht, die Daten zugeordnet und anschließend zum Labor geschickt werden, muss der Arzt nur kurz aufklären und abstreichen: Rachen, Nase, ab ins Röhrchen. Als wegen des Andrangs alles noch ganz schnell gehen musste, waren aufgeregte, mitunter sogar aggressive Besucher eine zusätzlichen Belastung.

Kaum zu glauben, dass Simon Petzinna von Genervten sogar beschimpft worden ist. „Ich habe sie daran erinnert, dass sie freiwillig gekommen sind und dass die Alternative 14 Tage Quarantäne ist“, sagt der junge Arzt, der auch im Umgang mit Teenagern außer Rand und Band die Nerven behalten musste.

Zwei „Höhepunkte“ der versuchten Testverweigerung: Die 14-jährigen Zwillinge, die sich hingeworfen und mit Händen und Füßen auf den Boden getrommelt haben, und der 16-Jährige, der von seinem Vater ins Testzentrum getragen werden musste.

Viel Horrorgeschichten kursieren über Corona

„Denen habe ich gesagt, sie sollen sich erstmal eine Weile umgucken, was wir hier machen. Der 16-Jährige Testskeptiker sei dann nach überstandenem Abstrich mit einem Lächeln gegangen. Bei kleinen Kindern habe er nur einen Rachenabstrich genommen, sagt Simon Petzinna. Kindern unter fünf Jahren hätten noch sehr enge Nasengänge, da tue ein Abstrich weh, und das „verderbe“ die Kleinen möglicherweise für künftige medizinische Behandlungen.

Auch Misstrauen ist ihm begegnet. Ein Mann habe ihn gefragt, ob er ihn jetzt gechipt habe. „Ich habe ihm gesagt: Ja, ich werde von Bill Gates bezahlt.“

Angst bis hin zur Panik habe er bei vielen Menschen erlebt, sagt Simon. Zu viele auch falsche Informationen und Gerüchte über die Corona-Pandemie und das Virus seien unterwegs. „Ich habe viele Horrorgeschichten gehört“, sagt Simon Petzinna.

Rückblick auf 250 Stunden und 9500 Abstriche

Vor allem ältere Menschen hätten oft große Angst gehabt – vor dem Test, viel mehr vor dem Ergebnis. Manche über 80-Jährige „waren regelrecht panisch“, weil sie glaubten, ein positives Ergebnis bedeute ein Todesurteil. „Die musste man regelrecht aufbauen.“ Die Zeit im Testzentrum habe ihn im Umgang mit Menschen weitergebracht.

Jetzt sind die Zeiten vorbei, da die Testwilligen in Schlangen vor dem TaM standen. Der Takt dieser Fließbandarbeit ist inzwischen langsamer geworden, vor allem, weil neben Lehrern jetzt nur noch Menschen mit Symptomen überwiesen werden. „Ein bisschen nostalgisch“ schaut Simon Petzinna auf etwa 250 Stunden im Testzentrum und rund 9500 Abstriche zurück.

Jetzt freut er sich auf die Weihnachtszeit mit der Familie, auf eineinhalb Wochen Entspannung und Kraft tanken. „Ich habe mich schon fürs Impf-Zentrum gemeldet.“ Mal abwarten, ob ihm seine erste Stelle als Jungassistent dazu Spielraum lässt.

>>TESTEN UND IMPFEN IM TAM

Das Testzentrum im Theater am Marientor hat am 22. Juni geöffnet. Dort wurde jetzt auch das Impf-Zentrum eingerichtet.

Eine Teststraße wird von der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein betrieben, um die Hausarzt-Praxen und entlasten und das Infektionsrisiko zu senken. Die anderen Teststraßen betreiben Feuerwehr und Gesundheitsamt.

Außerdem gibt es mobile Testteams der Feuerwehr, die Menschen aufsuchen, die wegen ihres Alters oder Gesundheitszustands nicht ins Testzentrum kommen können.