Duisburg. Die Polizei muss wegen falscher Bußgeldzahlen Postkarten für ihre „Carfreitag“-Aktion gegen die Raserszene in Duisburg einstampfen.

Dicke Autos, schöne Frauen, laute Motorengeräusche und ein Fast-Food-Restaurant - was klingt wie das Filmset für die Fortsetzung der Kinoreihe „Fast and Furious“, ist an vielen Wochenenden in Duisburg-Hamborn Alltag – auch am „Carfreitag“, wenn sich die Raser- und Tunerszene zum Saisonauftakt trifft. Jetzt kommt noch eine Prise Komödie hinzu: Denn die Idee der Polizei, gemeinsam mit den Unternehmen entlang der Raserstrecken mit Bannern und Postkarten auf die teuren Konsequenzen der Raserei aufmerksam zu machen, ist gestoppt: Die aufgedruckten Bußgelder stimmen nicht.

Mit bunten Grafiken und ironischen Sprüchen wollte die Abteilung Verkehrsunfallprävention und Opferschutz der Polizei auf Nachteile der Raserei aufmerksam machen: „Breiter, tiefer, lauter … pleite!“

Die Zahlen stammen aus der Novelle des Bußgeld-Katalogs - die einkassiert wurde

Die Botschaft stimmt, allein das Preisschild nicht. Der Behörde ist das hochnotpeinlich, der Auslöser der Verwirrung ist allerdings auf Bundesebene zu finden: Die falschen Zahlen stammen aus dem neuen Bußgeldkatalog, der jedoch im Sommer als ungültig bezeichnet und einkassiert wurde. Ursächlich war ein Formfehler im Bundesverkehrsministerium bei Andreas Scheuer - eine Lösung ist da noch nicht in Sicht, so lange gilt der alte Bußgeldkatalog in der Fassung vom 1.11.2017 - auch in Duisburg, wo mutmaßlich eine alte Datei in den Druck gegangen ist, sagt Polizeisprecherin Jacqueline Grahl.

Der Kampf gegen die Autoszene bleibt aber losgelöst von dieser Aktion ein wichtiger. „Wir haben es inzwischen mit einem ,Poser- und Flirt-Treff’ zu tun“, sagt Grahl. Mit aufheulenden Motoren würden die Jungs auf sich aufmerksam machen, um Blicke mit jungen Mädchen tauschen zu können. Auch Autorennen gebe es immer mal wieder. Das Kräftemessen reiche bis hoch zum Fähranleger in Walsum und bis zum Landschaftspark Duisburg Nord.

Polizei greift ein, wenn Verkehrsteilnehmer gefährdet oder Anwohner gestört werden

Berat Ergüner (21), der in Obermarxloh aufgewachsen ist, hatte zuletzt im Stadtteilcheck dieser Zeitung erklärt, dass die Autorennen angesagt seien, weil den wagemutigsten Rasern die Herzen wunderschöner Frauen zufliegen. Zu McDonald’s zu gehen, „ist das Romantischste was man hier machen kann.“ Dorthin habe er immer seine Exfreundin ausgeführt.

„Uns stört ja nicht, wenn die Leute flirten oder ihr Auto zeigen“, betont die Sprecherin, aber sobald es laut wird oder andere Verkehrsteilnehmer gefährdet werden, greife die Polizei ein. Manche jungen Männer würden regelrecht in ihren Wagen liegen, seien wie Rennfahrer unterwegs, hätten die Autos aber gar nicht im Griff. Grahl verweist auf ein Autorennen in Moers, bei dem eine unbeteiligte Passantin starb.

Mit diesen Postkarten wollte die Polizei die kostspieligen Folgen illegalen Tunings verdeutlichen. Restaurantleiter Thomas Dzudzek und Mitarbeiterin Nasim Vaghei zeigen die Motive. Wegen falscher Bußgelder werden die Karten jetzt aus dem Verkehr gezogen.
Mit diesen Postkarten wollte die Polizei die kostspieligen Folgen illegalen Tunings verdeutlichen. Restaurantleiter Thomas Dzudzek und Mitarbeiterin Nasim Vaghei zeigen die Motive. Wegen falscher Bußgelder werden die Karten jetzt aus dem Verkehr gezogen. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Außerdem hätten die Anwohner kaum Ruhe. „Und was uns maßlos ärgert, ist die Umweltverschmutzung, die ungeheure Vermüllung an Straßenrändern.“ Wegwerfen oder liegenlassen von Kippen oder Schachteln werde mit Bußgeldern zwischen 60 und 300 Euro geahndet. Auch beim bloßen Hin- und Herfahren ohne Grund sei nicht zuletzt aus Umweltschutz-Gründen ein Bußgeld von 20 Euro fällig. Viel zu tun also für die Polizeibeamten, die regelmäßig an den Wochenenden in Hamborn unterwegs sind und auch an den Ostertagen keine Ruhe geben wollen, verspricht Grahl.

Die Bedeutung der Burger-Ketten für die Flirtszene

„Natürlich profitieren wir umsatzmäßig von der Szene, deshalb ist es aus kaufmännischer Sicht kontraproduktiv, mit der Polizei zusammenzuarbeiten“, sagt Markus Weber, der Geschäftsführer der fünf Duisburger McDonald’s-Filialen. Auch wenn es für Handeltreibende grundsätzlich immer da gut sei, wo Bewegung ist: Als Bürger könne er die Auswüchse der Raserszene nicht gutheißen, deshalb verzichte er lieber auf diese Art von Umsatz, „das ist schließlich lebensgefährlich“. Zum Glück sei es in Duisburg nicht ganz so schlimm wie in Dortmund. Außerdem sei die Szene ohnehin nicht sein nächtlicher Hauptumsatzbringer: „Das sind die, die Hunger haben“, betont Weber.

Fast-Food-Müll ist ein Ärgernis

Ein Dilemma sei auch der Fast-Food-Müll: „Die Jungs wollen ihre Autos blitzsauber halten und werfen alles raus.“ Für McDonald’s komme hinzu, dass alle Verpackungen – anders als Pommesschalen oder Dönertüten – das Markenlogo tragen. „Wir bemühen uns um Sauberkeit rund um unsere Restaurants, aber wir können die Mitarbeiter nicht durch ganz Hamborn schicken“, stellt er klar. Weber, der die Duisburger Filialen vor zweieinhalb Jahren übernommen hat, betont, dass es sich zwar um ein globales Unternehmen handele, er sich als Franchisenehmer aber lokal verantwortlich fühle.

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34 Sonderkontrollen gegen die Raserszene in 2020

Im vergangenen Jahr hat die Polizei Duisburg 34 Sonderkontrollen an den bekannten Treffpunkten der Raser- und Tunerszenen durchgeführt. Dabei wurden 26 Anzeigen geschrieben wegen des Verdachts der Teilnahme an illegalen Autorennen. 28 Fahrzeuge und 25 Führerscheine wurden sichergestellt.

Bei der Vorstellung der Verkehrsunfallstatistik 2020 betonte die Polizei, dass sie auch 2021 die Szene ins Visier nehmen und rücksichtslosen Verkehrsteilnehmern Grenzen aufzeigen wolle. So haben Zivilpolizisten im März illegale Autorennen gestoppt. Bei einer Kontrolle am 19. und 20. März wurden auf der L1 in Hamborn „70 hochmotorisierte Fahrzeuge“ nebst Insassen kontrolliert: Neben Verstößen gegen die Corona-Schutzverordnung wurden nächtliche Ruhestörungen mit 15 Platzverweisen und neun Verwarngeldern geahndet.

Transparenzhinweis:

In einer ersten Version dieses Artikels haben wir die Postkarten-Aktion der Polizei angekündigt. Weil diese nun abgesagt wurde, haben wir diesen Artikel entsprechend aktualisiert.