An Rhein und Ruhr. Immer wieder kommt es in NRW zu illegalen Autorennen. Experten erklären, was Menschen dazu verleitet, sich und andere dieser Gefahr auszusetzen.

Die Ampel springt auf "Grün" und die beiden Fahrer geben Gas. Mit 110 km/h rasen zwei 18-Jährige in ihren VW Golfs am vergangenen Donnerstag durch die Dinslakener Innenstadt. Glücklicherweise fallen die Wagen der Streifenpolizei auf und es gelingt ihnen, die Raser zu stoppen, bevor sie sich und andere Verkehrsteilnehmer weiter gefährden können. Doch nicht alle Autorennen auf offener Straße enden so glimpflich.

Eine 43-jährige Mutter ist im Jahr 2019 ums Leben gekommen, als sich zwei Duisburger in Moers ein illegales Autorennen lieferten und einer von ihnen den Kleinwagen rammte, in dem die Frau saß. "Solche Unfälle sind leider keine Einzelfälle", weiß Rainer Fuchs. Er ist Raser-Experte bei der Gewerkschaft der Polizei NRW (GdP NRW).

Fokus liegt beim Autorennen nicht auf dem Straßenverkehr

Aus seiner Erfahrung weiß er zu berichten: "Illegale Autorennen liefern sich in den meisten Fällen junge Menschen, die gerade erst ihren Führerschein haben und die ihre eigenen Fahrfähigkeiten überschätzen." Nur der Zufall entscheide dann, ob ein Unfall passiert oder nicht. "Der Fokus der Raser ist nur auf das Übertrumpfen des Rivalen gerichtet, nicht mehr auf den Verkehr", sagt Fuchs. Leicht werde ein schnelles und manchmal sogar illegal getuntes Auto in Verbindung mit Unaufmerksamkeit zu "einer fahrenden Bombe".

Deshalb hat sich Fuchs auch für höhere Strafen bei Raser-Prozessen eingesetzt. Bis 2017 wurden Raser-Unfälle als Ordnungswidrigkeitsverfahren eingestuft. Nun dürfe die Polizei unmittelbar nach einem entdeckten illegalen Autorennen handeln und beispielsweise die Autos beschlagnahmen. Unfälle, wie der in Moers im Jahr 2019, könnten durch die Gerichtsbarkeit mittlerweile auch als Tötungsdelikt eingestuft werden. Der 22-jährige Fahrer aus Duisburg wurde zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.

Hoch gefährlich für den Straßenverkehr

"Diese Menschen sind keine professionellen Rennfahrer auf einer Rennstrecke. Sie können einfach keine Autos in solch hohen Geschwindigkeiten sicher führen. Selbstüberschätzung in Verbindung mit einem aufgemotzten Wagen ist dies hoch gefährlich für den Straßenverkehr", meint der Raser-Experte.

Erst am vergangenen Wochenende hat die Polizei in mehreren Städten die illegale Tuning- und Autoposer-Szene kontrolliert. In Düsseldorf zum Beispiel überprüften Beamte etwa 150 Autofahrer, ahndeten 88 Verstöße und stoppten 245 Raser (wir berichteten). Allerdings müsse auch zur legalen Tuningszene unterschieden werden: "Es gibt Menschen, die machen ihr Auto zum Hobby. Sie rasen nicht, weil sie Angst um ihr Auto haben und handeln verantwortungsbewusst. Sie wissen von der Gefahr", erklärt Fuchs. Die technischen Veränderungen an solchen Autos seien nicht verkehrswidrig, die Fahrzeuge seien außerdem von einem anerkannten Prüfer beziehungsweise Sachverständigen geprüft.

Es geht um Ehre und Anerkennung

Warum junge Menschen sich überhaupt auf offener Straße ein Rennen liefern, weiß der Düsseldorfer Verkehrspsychologe Jürgen Walter: "Es geht um Ehre, um Anerkennung und natürlich auch um einen Adrenalinkick." Oft handele es sich um junge Fahrer, "die ihren Platz im Leben noch nicht gefunden haben." Geringe Wertschätzung durch die Familie und Freunde in der Raser-Szene würden dieses verantwortungslose Verhalten im Straßenverkehr bedingen.

Vielen dieser Menschen fehle soziale Kompetenz und Einfühlungsvermögen. Walter berichtet von einigen Menschen, die "emotional völlig abgestumpft sind" und denen andere egal zu sein scheinen. "Es gibt Leute, die sagen, sie schauen Horrorfilme und empfinden dabei nichts. Da wird mir Angst und Bange, wenn so jemand im Straßenverkehr richtig Gas gibt."

Die Illusion der eigenen Unverletzbarkeit

Natürlich spiele auch der Gedanke, etwas Verbotenes zu tun, eine große Rolle. "Manche empfinden das Leben als langweilig, also wollen sie etwas tun, das Aufregung verursacht", lautet die Einschätzung des Verkehrspsychologen. Die Illusion der eigenen Unverletzbarkeit sei ein weiteres Kriterium für den Hang zum Übermut im Straßenverkehr.

Ein Bewusstsein für die Gefahr des Autorennens können man nur schaffen, wenn der Staat eingreift, ist sich Rainer Fuchs sicher. "PS-Beschränkungen oder Fahrsicherheitstrainings für junge Fahranfänger wären sinnvoll", sagt er. Er schlage außerdem ein Belohnsystem vor, das angemessenes Fahren im Straßenverkehr honoriert. Auch, dass Autohersteller mit Schnelligkeit und einer sportlichen Ausstattung werben, helfe nicht, das PS-Kräftemessen zu unterbinden. "Nicht alle Autorennen nehmen ein schreckliches Ende. Nur das Risiko, anderen Verkehrsteilnehmern zu schaden, wird billigend in Kauf genommen. Und genau da muss angesetzt werden", sagt der Raser-Experte.

Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren

Unerlaubte Kraftfahrzeugrennen fallen unter den Paragrafen 315d des Strafgesetzbuches. Wer an einem solchen Rennen teilnimmt oder allein rast, dem drohen Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren.