Duisburg. Raser und Poser bringen mit ihrem Lärm die Hamborner um den Schlaf. Mit Kontrollen wie am Freitagabend will die Duisburger Polizei abschrecken,
Motoren heulen, Bremsen quietschen und die Hupen ertönen wie bei der Weltmeisterschaft. Szenen, die in Hamborn fast täglich zu erleben sind. „Es macht einen echt fertig“, klagen die Anwohner – sie können nicht mehr schlafen, werden von Auto-Posern um die Nacht gebracht. Frühlingserwachen für die Tuning -Szene auf Duisburgs Straßen. Die WAZ war auf Streife bei der Raser-Razzia mit der Polizei, die bei einer Schwerpunktkontrolle am Wochenende im gesamten Stadtgebiet kontrollierte.
Treffpunkt Straße: Kneipen und Clubs bleiben geschlossen in Corona-Zeiten, da verabreden sich viele PS-Protze in den Häuserschluchten unserer Stadt. Mit einem Großaufgebot hat die Polizei Freitagabend wieder einmal die Autos auf der Duisburger Straße kontrolliert. Mehr als hundert Fahrzeuge halten die Beamten an diesem Freitagabend an: gern mit glänzenden Felgen und hohen Pferdestärken.
PS-Boliden werden oft geliehen oder geleast
Darunter auch Hasan Eser, der einen offenen dunklen Mercedes GTC mit 550 PS fährt. „Ich gehöre nicht zur Raserszene, auch wenn die hier auf der Straße oft fährt. Ich nutze die Strecke geschäftlich, habe Immobilien in der Nähe und auch ein Autohaus. Leider färbt der schlechte Ruf der Szene auf Autofahrer wie mich ab. Ich habe den Wagen so wie er ist bestellt und gekauft.“ Andere leasen pferdestarke Wagen oder leihen sie für ein paar Stunden, um sich zu präsentieren. Showtime! Die Polizisten nehmen den Wagen von Hasan Eser trotzdem kurz unter die Lupe, dann darf der Geschäftsmann weiterfahren.
Gleich darauf halten die Beamten einen Kleinwagen mit drei jungen Frauen an – drei sind eine zu viel. Sie müssen ihre Ausweise vorzeigen und dann ist schnell klar: So dürfen sie nicht weiterfahren! Sie sind nicht verwandt und wohnen auch nicht in einem Haus. Eine der drei Frauen muss zu Fuß weiterlaufen. Pandemie ist Abstandsphase und die Polizei schaut bei allem Fokus auf Tempo-Überschreitungen auch darauf, dass die Coronaschutzmaßnahmen eingehalten werden.
Präsenz der Polizei wirkt abschreckend
Einige auffällige Karren sind immer unterwegs. Die Beamten ziehen eine nach der anderen aus dem Verkehr zur Kontrolle. „Unsere Präsenz ist wichtig. Das schreckt die Raser ab. Es spricht sich rum, dass wir hier stehen. Da kommen manche gar nicht mehr hier vorbeigefahren und die Hupkonzerte lassen dann natürlich auch nach“, sagt Polizeipressesprecher Stefan Hausch. Er weiß, wie schlimm es für einige Anwohner ist.
In Nicht-Corona-Zeit trifft sich die Szene bei McDonald’s und Burger King auf den Parkplätzen. Vermüllt die Straße und hört laut Musik. Doch auch die Parkplätze der Fastfood-Restaurants sind ja momentan dicht. Hier darf niemand parken, posen oder zum Quatschen aussteigen. Bleibt also nur die Straße: auf und ab und ab und auf… „Es ist unerträglich. Wenn ich nach Hause komme, dann will ich auch mal abschalten, aber das geht nicht, wenn die Autofahrer hier ständig hupen und ihre Motoren aufheulen lassen“, erzählt Anwohnerin Dilan Karaaslan.
Die junge Frau empfindet die Belästigung seit Corona als zunehmend. Sie höre nun auch unter der Woche häufig den übertriebenen Lärm. Eine Nachbarin mischt sich ein: „Das macht mich krank. Ich kann keine Nacht mehr durchschlafen. Im heißen Sommer muss ich mit geschlossenen Fenstern schlafen. Es macht einen echt fertig. Wer hier nicht wohnt, der glaubt das nicht.“ Der nächste Herr stimmt ins Klagelied ein: „Die böllern auch nachts. Da fällt man aus dem Bett. Und dann fahren circa 30 Autos, immer im Kreis. Die Straße rauf und runter. Immer am Hupen.“
Zwei Kinder auf dem Beifahrersitz
Im Laufe des Abends kommt es dann aber auch noch zu einer anrührenden Szene: Die Polizisten halten eine Mutter an, weil auf ihrem Beifahrersitz ihre beiden Kinder zusammengeschnallt sitzen. Die Rückbank ist vollgepackt mit Fahrrädern und einem Kindersitz. Im Kofferraum steckt noch ein Buggy. Die Frau steigt aus, setzt sich einen Mundschutz auf und erklärt unter Tränen verzweifelt, dass beide Kinder einen Platten mit ihren Rädern hatten. Mit einem Auto alles zu transportieren, war für die Mutter reine Nervensache. Und dann wurde sie auch noch erwischt! Auf dem Beifahrersitz beginnt der kleine Junge zu weinen.
Die Beamten wollen ihn beruhigen, was die Lage angesichts von Mundschutz und Taschenlampe nur verschlimmert. Auch die Schwester beginnt jetzt zu weinen. Die Freund-und-Helfer-Lösung: Die Fahrräder kommen in einen Dienstwagen, die Kinder auf die vorgesehenen Sitzplätze im Wagen der Mutter. Was für eine Aufregung. Die Mutter ist erleichtert und kommt mit einer Ermahnung davon. Ermessensspielraum.
Bilanz: Polizeisprecher kündigt weitere Kontrollen an
Nach dem Wochenende zieht die Polizei zufrieden Bilanz. Die Beamten kontrollierten stadtweit insgesamt 538 Fahrzeuge und schrieben 13 Strafanzeigen, davon allein acht wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Weil einige Fahrer mit mehr als 21 km/h unterwegs waren, fertigten die Einsatzkräfte 25 Ordnungswidrigkeitsanzeigen (gesamt: 62). 240 Mal mussten Verkehrssünder in die Tasche greifen. Bei mehr als der Hälfte aller verhängten Verwarngelder (159) hat sich damit die Angelegenheit erledigt.
Auf einem Parkplatz einer Diskothek an der Wanheimerstraße stellten die Beamten am Samstag gegen 23 Uhr etwa 40 szenetypische Fahrzeuge fest. Sie kontrollierten die Insassen, ahndeten Verstöße und erteilten Platzverweise. Teuer wird’s für einen Fahrer, der auf der Rheinpreußenstraße in Homberg mit 109 km/h statt der erlaubten 50 km/h unterwegs war: Ihn erwarten 280 Euro Bußgeld, zwei Monate Fahrverbot sowie zwei Punkte in Flensburg.
Auch die Verstöße gegen die Corona-Schutzverordnung hatten die Ordnungshüter im Blick: 29 Ordnungswidrigkeitsanzeigen nahmen sie auf, unter anderem weil zu viele Personen zusammen unterwegs waren, die nicht in einer häuslichen Gemeinschaft leben oder miteinander verwandt sind.
Pressesprecher Stefan Hausch: „Wir werden in nächster Zeit immer wieder kontrollieren. Wir haben momentan keine Fußballspiele und auch keine Demonstrationen, so dass genügend Beamte zur Verfügung stehen.“ So soll die Raser-Szene daran gehindert werden, sich zu treffen. Im vergangenen Jahr hatte die Polizei 26 illegale Straßenrennen gestoppt, 23 Führerscheine eingezogen und 19 Fahrzeuge sichergestellt. 2018 lag die Zahl der festgestellten illegalen Rennen bei 21.