Duisburg. Nach der Debatte um die riesige Halle vor Tiger & Turtle fürchten die Ruhrorter nun, dass sie bald nicht mehr auf Rheinorange schauen können.

Touristische Attraktivität contra wirtschaftliches Wachstum: Die Logistikhalle vor Tiger & Turtle spaltet die Stadt. Auf der einen Seite stehen Politiker, der Hafen und auch der Oberbürgermeister, für die die Ansiedlung von Arbeitsplätzen Priorität hat. Auf der anderen Seite gibt es etliche Kritiker, die ein herausragendes Wahrzeichen verschandelt sehen. Nun befürchten Nachbarn in Ruhrort, dass sich eine ähnliche Geschichte auf der Mercatorinsel wiederholen könnte. Schließlich gibt es einen Bebauungsplan, der dem Hafen gestattet, eine weitere Logistikhalle zu errichten. Damit wäre dann allerdings der Ausblick vom Leinpfad Richtung Rheinorange passé.

Bebauungsplan in Duisburg-Ruhrort: 313,30 Meter lange und 12,40 Meter hohe Halle

Die Maße des neuen Gebäudes wären enorm: 313,30 Meter lang, 85 Meter breit und 12,40 Meter hoch soll – so steht es im Bebauungsplan, den der Rat im Januar 2018 genehmigt hat. „Die Mercatorinsel befindet sich im Besitz von Duisport. Selbst wenn uns eine rechtlich zulässige Bebauung nicht gefallen hätte, wäre dies auch hier kein Grund gewesen, eine Baugenehmigung zu versagen“, erklärt Stadtsprecherin Gabi Priem.

Ähnlich argumentiert die Verwaltung auch im Fall von Tiger & Turtle. Außerdem sei die Logistiknutzung der Ruhrorter Mercatorinsel wegen ihrer guten Anbindung an Wasser und Straße schon im Masterplan vorgesehen gewesen.

Dirk Lechtenberg beim Blick aus seinem Büro. Schon 2017 haben er und seine Mitstreiter vom Runden Tisch Ruhrort Unterschriften gegen eine zweite Halle gesammelt.
Dirk Lechtenberg beim Blick aus seinem Büro. Schon 2017 haben er und seine Mitstreiter vom Runden Tisch Ruhrort Unterschriften gegen eine zweite Halle gesammelt. © WAZ FotoPool | Foto: Alexandra Roth

Um die Aussicht zu schützen, hat sich indes bereits 2017 Protest gegen die Bebauung formiert. Innerhalb von ein paar Stunden waren beim Hafenfest gut 1000 Unterschriften zusammen gekommen. Noch heute hängen in einigen Fenstern Plakate mit der Aufschrift „Wenn Menschen mit Weitsicht entscheiden – keine Halle 2.“

Dirk Lechtenberg vom Runden Tisch Ruhrort erklärt: „Ich denke, dass durch die Situation bei ,Tiger und Turtle’ die Sensibilisierung der Bevölkerung zunimmt. Wir können nur hoffen, dass die Duisburger Hafen AG sich intensiv damit beschäftigt, ob es nicht andere Standorte für eine derartige Halle gibt – zumal kein Wasserzugang erforderlich ist und es genügend andere Flächen im Besitz der Hafen AG gibt, an der eine derartige Logistikhalle gebaut werden kann.“

In der Bevölkerung sei das Verhältnis zum Hafenbetreiber Duisport gespalten, beschreibt Lechtenberg weiter. Die einen honorieren die „Anstrengungen“ des Hafens, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Anderen sei der Hafen zum Beispiel wegen des zunehmenden Verkehrs im Stadtteil und nur „gering bezahlter Beschäftigung“ ein „Gräuel“, schildert Lechtenberg.

Ruhrorter Bürgerverein enthält sich der Debatte

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Dirk Grotstollen, Vorsitzender des Bürgervereins Ruhrort kennt die Debatte: „Auch bei uns wurde kontrovers diskutiert. Deshalb haben wir beschlossen, uns als Bürgerverein der Diskussion zu enthalten, um den Verein nicht zu spalten.“

Er erinnert sich an die Zeiten, als auf der Mercatorinsel noch Kohle umgeschlagen wurde und jede Menge Schmutz an Land wehte. „Mittlerweile gibt es am Leinpfad allerdings Gastronomie und viele Besucher, die gerne bummeln gehen. Die würden dann vor eine Halle gucken.“

Einsatz für touristische Aufwertung Ruhrorts

Dirk Lechtenberg und seine Mitstreiter vom Runden Tisch bemühen sich derzeit, dass in Ruhrort weiter investiert und zum Beispiel ein Projekt namens „Ruhrorter Hafen Gärten“ im Rahmen der Internationalen Gartenausstellung 2027 umgesetzt wird. „Leider fällt Ruhrort in keine Förderkulisse, weil die Stadtteile Hochfeld, Marxloh und Laar bevorzugt behandelt werden.“

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Von der Stadtmarketing-Gesellschaft „Duisburg Kontor“ gab es in den vergangenen Monaten immer wieder Bestrebungen, Ruhrort touristisch zu vermarkten. Besucher können sich auf öffentlichen Stadtplänen einen Überblick über die Sehenswürdigkeiten verschaffen. Es wurde ein Steiger für Flusskreuzfahrtschiffe geschaffen und nicht zuletzt die Horst-Schimanski-Gasse lockt zahlreiche Besucher.

Besitzer der Schifferbörse klagt gegen geplanten Bau der Halle

Die Köhler Immobilien Stiftung GmbH & Co. KG hat als Eigentümer der Schifferbörse beim Verwaltungsgericht Düsseldorf Klage eingereicht. Sie sah den Denkmalwert der Schifferbörse durch eine Halle gefährdet. „Es gab im vergangenen Jahr einen Ortstermin des Gerichts“, bestätigt Norbert Klein vom Verwaltungsgericht auf Nachfrage. Allerdings sei die Klage im Januar 2020 abgewiesen worden, weil sich der Denkmalschutz nicht auf Sichtbeziehungen anwenden lasse.

Die Stiftung hat daraufhin einen Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht Münster gestellt. Eine Entscheidung steht noch aus.

Hafen-Sprecher: „Jeder achte Duisburger arbeitet bei Duisport oder dessen Kunden“

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Thomas Hüser, Sprecher des Hafens, teilt mit, dass das „Ausschreibungsverfahren zur Vergabe der Bauleistungen“ bereits laufe. Die Größe der Halle sei vergleichbar mit der Halle 1, die mit dem Bau des ersten Bauabschnitts des „Logistikpark Mercatorinsel“ entstanden ist.

Nach weniger als drei Jahren seien dort, Stand September 2019, 325 Arbeitsplätze geschaffen worden. Zwei Fakten sind Thomas Hüser im Zuge der Debatte wichtig: „Mittlerweile arbeitet (mindestens) jeder achte Duisburger bei Duisport selbst oder einem Kundenunternehmen auf unserem Hafengelände.“ Insgesamt seien in der Region 50.000 Menschen, und damit fast 5000 mehr als vor fünf Jahren, direkt oder indirekt vom Hafen abhängig.

Hafen betont Rolle als wichtiger Arbeitgeber in der Region

In Zeiten der Pandemie habe der Hafen keine Kurzarbeit anmelden müssen und die Arbeitsplätze vieler Menschen gesichert. „Im Gegenteil: Wir investieren in die Zukunft des Standorts mit neuen Projekten, wie der Halle 2 oder Logport VI. Das ist – insbesondere im internationalen Vergleich mit anderen Häfen – eine Ausnahme, von der Stadt und Region sehr profitieren“, ist sich Hüser sicher.

Dirk Lechtenberg glaubt dennoch, dass die Kontroverse im Kommunalwahlkampf eine Rolle spielen wird.