Duisburg. Um die Duisport-Halle, die nun den Blick auf Tiger & Turtle verdeckt, gibt’s einen Riesenärger. Dabei war viel Zeit, um die Baupläne zu stoppen.
Der Bau einer neuen Logistikhalle durch die Hafengesellschaft Duisburg ist eigentlich eine Standardnotiz im Wirtschaftsleben der Stadt. Doch dieser zehn Meter hohe Zweckbau in Wanheim-Angerhausen erhitzt die Gemüter von kunstsinnigen Bürgern und lässt Bezirkspolitiker zürnen, verstellt er doch den Blick auf Tiger & Turtle – Landmarke, Wahrzeichen der Kulturhauptstadt 2010 und Beleg dafür, dass diese Stadt mehr kann als Montan. „Wie konnte das passieren?“, ist jetzt die Frage. Die Suche nach der Antwort beginnt vor 15 Jahren.
Land NRW gab Millionen für die Sanierung des Berzelius-Geländes
Die Pleite der Zinkhütte MHD Sudamin, vormals Berzelius, eine der größten Dreckschleudern der Duisburger Industriegeschichte, hatte der Stadt nicht nur eine hochbelastete Brache und eine kaum zu sanierende Deponie auf gegenüberliegenden Straßenseite hinterlassen, sondern auch hunderte mit Schwermetallen verseuchter Kleingärten. Das NRW-Umweltministerium gab Millionen für die Sanierung, am 19. April 2007 brachten Sprengladungen die Kamine der Zinkhütte zu Fall. Der Knall war auch Startschuss für die Entwicklung des Areal zu Logport II unter Regie von Duisport.
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Hochbelastete Bauteile wurden zu einer Sonderdeponie gekarrt, die weiteren Reste zu einer 35 Meter hohen Halde aufgetürmt über der Zinkhütten-Deponie, um so weiteren Schaden durch die Altlasten abzuwenden. Die schlummern auch im Hügel. „Wenn die Rohstoffpreise steigen, denken wir über eine Ausbeutung nach“, pflegte der damalige Umweltdezernent Dr. Peter Greulich über den Schwermetall-Cocktail zu scherzen, der durch eine stabile Plastikplane vor Auswaschungen geschützt liegt.
Noch bevor Umweltminister Eckhard Uhlenberg im November 2008, gut zwei Jahre nach dem ersten Spatenstich, das Landschaftsbauwerk eröffnete, war die Idee geboren, den Hügel nach dem Vorbild so vieler im Revier mit einer Landmarke zu veredeln. Eine Stahlpfanne des Wedauer Künstlers Hans Büning (Gruppe Turm 66) könnte den nach dem Wanheimer Heimatforscher Heinrich Hildebrandt benannten Gipfel zieren, hatte Theo Küpper vom örtlichen Heimatverein angeregt.
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Kunstwerk für Kulturhauptstadt im Jahr 2010 geplant
Doch die Verantwortlichen hatten da schon die Idee, einen Künstlerwettbewerb für ein prominentes Werk auszuschreiben, das pünktlich zur Kulturhauptstadt eröffnet werden sollte. Fast zeitgleich beschäftigten sich die politischen Gremien auch mit dem planerischen Beschlüssen, die Duisport die Entwicklung des Areals ebneten. Darunter auch die Flächen zwischen Halde und Ehinger Straße - dort steht jetzt die umstrittene Halle.
Dass der Bebauungsplan für eine logistische Nutzung, dem sie dort zustimmen sollten, den Bau einer bis zu zwölf Meter hohen Halle vorsah, sorgte zwar für Murren in der Bezirksvertretung Süd, doch letztlich votierte nur der heutige Ratsherr Mirze Edis (Linke) gegen den Plan, der dann im Rat final beschlossen wurde.
„Das hatte einfach niemand mehr auf dem Schirm“
Von Tiger & Turtle war da noch keine Rede, der Wettbewerb startete erst im Frühjahr 2009 und es sollte auch das Kulturhauptstadtjahr vergehen, ehe das Werk des Künstlerpaares Heike Mutter/Ulrich Genth im November 2011 eingeweiht wurde.
Während das Werk sich schnell zum beliebten Ausflugsziel entwickelte, wuchs Gras nicht nur auf der Halde, sondern auch über den Bebauungsplan.
Bezirksvertreter gingen und neue kamen, dabei hätte es Anlass gegeben, erneut über die Fläche nachzudenken: Etwa im Zuge der Diskussion über einen Besucherparkplatz für die Halde. Am Ende mag’s wohl so sein, wie die aktuelle Bezirksbürgermeisterin Beate Lieske (SPD) sagt: „Das hatte einfach niemand mehr auf dem Schirm.“ Und wer sich erinnerte, der mag, spätestens seit sich der Erfolg des Kunstwerks abzeichnete, gehofft haben, dass Duisport wohl die Kunst über den Kommerz stellen werde.
So blieb der Bebauungsplan in Kraft und bildete nun die Grundlage für den am 29. Juli 2019 eingereichten und am 10. Januar genehmigten Bauantrag von Duisport. Selbst wenn dem zuständigen Baudezernenten Martin Linne gewahr wurde, was sich dort anbahnte, war’s da schon zu spät, den Anker zu werfen: Erhebliche Planungskosten waren schon aufgelaufen, der Bebauungsplan gab Duisport einen Rechtsanspruch auf Genehmigung.
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Im Aufsichtsrat von Duisport hätte OB Sören Link Hafenchef Erich Staake noch ausbremsen können – das gelang etwa, als Pläne für ein Holzkraftwerk auf dem Walsumer Papierfabrik-Areal bekannt wurden. Ob’s daran lag, dass es der Zweidrittel-Mehrheit der Landesvertreter im Aufsichtsrat an Sinn für das Kunstwerk fehlte, das einst vom Land mitfinanziert wurde, ist Spekulation. Auf die Anfrage, ob denn die Repräsentanten der Stadt den Versuch unternommen hätten, folgt aus dem Rathaus der Hinweis auf die Vertraulichkeit der Sitzung. Zumindest bei Thomas Susen ist der Widerstand wohl nicht besonders intensiv gewesen. Er sitze im Hafen-Aufsichtsrat, so ließ der CDU-Ratsherr aus dem Stadtsüden verlauten, „um ein Unternehmen zu unterstützen, und nicht, um Baugenehmigungen zu verhindern.“
Peter Gasse: Industrie braucht Akzeptanz
„Industrie lebt von der Akzeptanz der Bevölkerung“, sagt Peter Gasse. Auch deshalb hat er als Arbeitsdirektor der Hüttenwerke Krupp-Mannesmann die Barbarafeier der HKM mit ins Leben gerufen, im Ruhestand absolviert der 68-Jährige regelmäßig seine Schichten im Bürgerbüro des Werkes, das „guter Nachbar“ im Stadtsüden sein will.
Zur Halle vor der Landmarke – die Stützen auf denen sie ruht, spendierten die HKM – hat er auch als Wanheimer eine klare Meinung: „Da fehlte jegliches Fingerspitzengefühl. Duisport tut sich damit keinen Gefallen.“ Denn der Makel, keine Rücksicht genommen zu haben auf das prominente Kunstwerk, werde Hafenchef Erich Staake „auf ewig anhaften“, ahnt Gasse.
Gleichwohl sei der Widerstand gegen das Bauvorhaben auf diesem Teilstück von Logport II viel zu spät gekommen, glaubt der einstige NRW-Vorsitzende der IG Metall: „Die Auseinandersetzung ist damals verloren worden, nicht heute.“