Duisburg-Marxloh. Duisburg Dockers beenden unter strengen Regeln ihre Corona-Pause und trainieren wieder. Aber Missbrauchsskandale erschüttern die Wrestling-Szene.

Sie greift gekonnt nach ihrer Gegnerin, hebt sie hoch und wuchtet sie krachend auf die Ringmatte. Wrestlerin Julie Böx, die ihre Fans unter dem Ringnamen Ruby Rebel kennen, ist mit dem Hebewurf rundum zufrieden – nicht so Trainingspartnerin Denise Wiegmann. Denn beim Aufprall hat sie gelächelt, statt ein schmerzverzerrtes Gesicht zu machen. Doch sie ärgert sich erst gar nicht, denn wie bei allen Duisburg Dockers überwiegt die Freude, nach der Corona-Zwangspause endlich wieder im Marxloher Schwelgernstadion trainieren zu dürfen. Dennoch beeinträchtigt das Virus weiterhin das Vereinsleben.

Trainiert wird in der Corona-Pandemie in festen Zweierteams. Die Wrestler Kadir Kalafat (links) und Marvin Kallen verbessern gerade ihre Technik für den Schwitzkasten.
Trainiert wird in der Corona-Pandemie in festen Zweierteams. Die Wrestler Kadir Kalafat (links) und Marvin Kallen verbessern gerade ihre Technik für den Schwitzkasten. © Oliver Müller

„Es sind harte Zeiten“, sagt Abteilungsleiter und Cheftrainer Daniel Böx. Die für Juni geplanten Showkämpfe mit mehr als 100 erwarteten Zuschauern musste er absagen. „Das Virus trifft uns aber nicht so hart wie andere“, sagt er. Als Breitensportverein verursache Corona den Dockers keine laufenden Kosten. Einen Preis haben aber alle Mitglieder gezahlt: „Wir haben jetzt alle Corona-Pfunde auf den Hüften“, sagt er und lacht, „die gehen aber schnell wieder runter“

Beim Training im Schwelgernstadion gelten strenge Corona-Auflagen

Zumal jetzt alle richtig heiß auf die Übungen sind, die intensiver sind als das Online-Fitnessprogramm der Trainer. „Natürlich wollen wir am liebsten alle in den Ring“, sagt die 16-jährige Denise Wiegmann, um wieder Würfe, Sprünge und das Fallen zu üben. Doch wegen Corona sind die Auflagen streng: Cheftrainer Böx hat die Sportlerinnen und Sportler in feste Zweierteams eingeteilt. Auch steht Desinfektionsmittel bereit und Abstandsregeln müssen eingehalten werden.

Dass Vorbereitungen für die nächste Show zunächst ausfallen, findet Denise Wiegmann schade, denn sie wird dann als Bösewicht Betzy Be vor Publikum in den Ring steigen. Beim Grundlagentraining kniet sie sich trotzdem rein. „Alle haben den Ehrgeiz, den Zuschauern die bestmögliche Show zu bieten, und alle wollen immer besser werden“, sagt Alessio Sibione. „Besonders unsere Ladys haben echt Talent und müssen sich bei uns nicht verstecken.“.

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Bedrückende Erfahrungsberichte erschüttern die Wrestling-Szene

Millie McKenzie ist eine bekannte Wrestlerin, die jetzt öffentlich über ihre Missbrauchserlebnisse in der britischen Szene sprach. Sie ist der amtierende Champion der Ruhrpott-Liga Wrestlingkult.
Millie McKenzie ist eine bekannte Wrestlerin, die jetzt öffentlich über ihre Missbrauchserlebnisse in der britischen Szene sprach. Sie ist der amtierende Champion der Ruhrpott-Liga Wrestlingkult. © SARAH_HOLZHäUSER

Mädchen und Frauen seien bei den Dockers gegenüber Jungen und Männern gleichberechtigt, beim stets gemischten Training oder bei den Shows, betont Julie Böx. Als Teamleiterin ist sie die offizielle Vertrauensperson für Mobbing oder schlimmere Vorfälle. Entsprechende Erfahrungsberichte von Wrestlerinnen haben zuletzt die internationale Szene erschüttert. Auch im Ruhrgebiet wurden durch die „Speaking-Out-Bewegung“ bereits einige Karrieren mutmaßlicher Täter in Profi-Ligen und an Wrestlingschulen beendet.

Zu den prominenten Opfern gehört Millie Mackenzie, Champion der Bochumer Liga Wrestlingkult. Sie ist ein Vorbild für so einige Nachwuchswrestlerinnen und schilderte schlimme Erlebnisse als minderjährige Wrestlingschülerin in England.

„Wir sind schockiert, das alles ist bedrückend“, sagt Julie Böx. „Wir wollen ein sicherer Ort für alle sein.“ Noch sei dem Verein zwar kein Fall von Mobbing oder sexueller Belästigung bekannt, doch er stehe hinter allen Opfern, die ihre Erfahrungen nun öffentlich machen. Aufgerüttelt durch diese Bewegung soll sich künftig aber auch bei den Duisburg Dockers etwas ändern. So wollen die Verantwortlichen wirksamer dagegen vorgehen, wenn sich Fans unangemessen benehmen. „Wir sind ein Unterhaltungssport, aber wir wollen und müssen uns nicht alle fiesen Sprüche anhören“, sagt Julie Böx entschieden. Insbesondere die Athletinnen würden in der Szene von vielen Wrestlingfans nicht für ihre sportlichen Leistungen geschätzt, sondern sexualisiert und derbe bepöbelt.

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Die Duisburg Dockers sind stolz auf das Talent ihrer Wrestlerinnen.
Die Duisburg Dockers sind stolz auf das Talent ihrer Wrestlerinnen. © Oliver Müller

Auch bei Shows der Dockers sei das leider schon vorgekommen. So bejubelten im März betrunkene Zuschauer unflätig den Busen des belgischen Nachwuchstalents Jungle Jill. „Das ist absolut respektlos“, ärgert sich Julie Böx. „Wenn eine Wrestlerin zwischen den Seilen hängt, dann wackeln große Brüste natürlich.“ Pöbelsprüche seien da völlig unangebracht, insbesondere wenn sie sich gegen Minderjährige richten.

„Wir haben aber nicht das typische Wrestling-Publikum“, betont die Teamleiterin. Als Breitensportverein seien auch immer die Familien der Mitglieder in der Halle. Daher seien Verbalattacken, wie sie Jungle Jill abbekam, sehr selten – und wenn Zuschauer nach den Kämpfen Fotos mit den Athletinnen machen wollen, liefe das größtenteils respektvoll ab.

Im Verein herrscht eine vertrauensvolle Atmosphäre

Das bestätigt die frühere Titelträgerin Hannah Leah Orth alias Luna, die den Verein inzwischen verlassen hat, um sich an einer Wrestlingschule weiter ausbilden zu lassen. „Die Atmosphäre ist sehr schön und familiär.“ Das schließe auch ein, dass man jeden Verantwortlichen oder Trainer vertrauensvoll ansprechen könne, wenn es eine Situation gibt, in der man sich unwohl fühle. „Meistens ist das aber ein blöder, unbedachter Spruch und die Sache ist schnell aus der Welt geschafft.“ Dass das Miteinander so bleibt, dafür wollen sich das Ehepaar Julie und Daniel Böx und der Trainerstab weiter einsetzen.

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>> Die Wrestling-Szene blickt beim Thema Mobbing auch auf die Duisburg Dockers

Bei den Duisburg Dockers ist zwar kein Mobbing- oder Missbrauchsfall bekannt, trotzdem geriet der Verein in den Fokus der Speaking-Out-Bewegung. Was war passiert? Eine Wrestlerin, die ihre Karriere als Jugendliche bei den Dockers begann, warf in einer Internet-Sendung einem Trainer ihrer aktuellen Wrestlingschule Mobbing vor. Ein Dockers-Trainer schrieb anschließend privat dem Moderator in übertrieben drastischen Worten, dass die junge Frau nicht vertrauenswürdig sei. Er hatte bereits im vergangenen Februar eine Anzeige gegen die Nachwuchswrestlerin wegen übler Nachrede erstattet. Die Frau wollte sich auf Nachfrage nicht zu der Angelegenheit äußern.

Mit dem Fall beschäftigt sich noch die Staatsanwaltschaft. Der Moderator sah in der Nachricht allerdings den Versuch, ein Opfer mundtot zu machen und veröffentlichte den Inhalt rechtswidrig auf Facebook. Auch damit beschäftigt sich jetzt die Justiz.

Obwohl die Duisburg Dockers sich von der Wortwahl ihres Trainers „ganz klar distanzieren“, stellen sie sich geschlossen hinter ihn und heben seine Verdienste in der Jugendarbeit hervor. „Er ist völlig sauber“, sagt Abteilungsleiter Daniel Böx auf Nachfrage und verweist auf ein polizeiliches Führungszeugnis, das der betroffene Jugendtrainer vorlegen musste.

„Das ist in Duisburg Pflicht, wenn man Minderjährige trainiert und dafür eine Vergütung bekommt“, sagt Isabelle Königs, Fachkraft für Jugend beim Stadtsportbund. Das Führungszeugnis sei ein guter Anhaltspunkt, „aber es schützt nicht vor allen Fällen“. Denn nicht jeder Verein gehe nach einem Vorfall zur Polizei und gehe gegen den Trainer oder die Trainerin vor, sondern trenne sich lediglich.

Eine Privatfehde kostete die Duisburger Wrestler ihr Sommerferienprojekt

Die Anzeige ihres Trainers gegen die frühere Dockers-Wrestlerin und die Kontaktaufnahme zu dem Moderator bewertet der Verein als Teil einer Privatfehde. Diese Haltung rief jedoch in der Wrestling-Szene zunächst Irritationen hervor. Zumal eine andere Liga im Ruhrgebiet, wo der Betroffene hinter den Kulissen bei der Organisation half, umgehend die Zusammenarbeit komplett beendete.

Das kostete die Dockers jetzt ihr geplantes Filmprojekt für die Sommerferien, das der Trainer geleitet hätte. Denn viele beteiligte auswärtige Wrestler sagten vorsichtshalber ab. Die Wogen scheinen sich aber wieder geglättet zu haben, denn das Filmprojekt wird im Spätsommer nachgeholt.

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>> Noch drei Wrestling-Shows in diesem Jahr geplant

  • Die Wrestling-Abteilung freut sich immer über Interessierte, die zum kostenlosen Schnuppertraining kommen wollen. Derzeit wird bei gutem Wetter sonntags von 12 bis 17 Uhr im Schwelgernstadion (Willy-Brandt-Ring 44) trainiert. Willkommen sind alle Jugendliche ab zwölf Jahren und Erwachsene. Anmeldung: Daniel Böx, 0157 78811995.
  • Die Dockers planen 2020 noch drei Shows, je eine im September, November und Dezember. Ob es dazu kommt, hängt natürlich vom Verlauf der Corona-Pandemie ab. Infos zu den Shows gibt’s auf: dockers-wrestling.com
  • Soziale Netzwerke sind seit Mitte Juni eine Plattform für Wrestlerinnen und Wrestler, um über sexuellen und psychischen Missbrauch, Gewalt und Mobbing zu sprechen. Dafür nutzen sie den Hashtag #SpeakingOut, verbunden mit der Hoffnung, damit die Wrestling-Szene besser und sicherer zu machen.