Essen. Wrestler Walter Hahn übt einen harten Sport aus, der vom Körper viel verlangt und oft weh tut. Gefährlich wird es nur, wenn man etwas falsch macht.
Wenn „Big Daddy Walter“ seinen Gegner in die Seile wirft, mit ihm im festen Griff von einer Seite des Rings zur anderen rennt, dabei immer mehr an Geschwindigkeit gewinnt, schließlich einer dem anderen Wrestler ins Gesicht springt, so dass dieser mit voller Wucht auf den Boden aufprallt, dann... Aua!
Dann möchten empfindsame Gemüter am liebsten nicht hinschauen. Und auch keiner der Profis würde behaupten, dass das gar nicht weh getan hätte. Aber: „Man gewöhnt sich dran. Es gibt da eine gewisse Abhärtung“, sagt „Big Daddy Walter“, der im echten Leben Walter Hahn heißt, vor 29 Jahren in Wien geboren wurde – und heute in der wXw-Wrestling-Academy in Essen-Katernberg seine Trainings- und Arbeitsstätte gefunden hat. Hahn ist nach eigenen Angaben der einzige Wrestler in Deutschland, der fest unter Vertrag steht, als Trainer und als Kämpfer. Denn normalerweise arbeiten Wrestler auf eigene Faust, tingeln von Show zu Show, von einer Promotion-Firma zur nächsten. Hahn hat das Zeug, andere echte Kerle in den Schwitzkasten zu nehmen. 1,93m groß, 130 Kilo Kampfgewicht, das sind die soliden Eckpfeiler, an denen man sich orientieren kann.
Am Ende steht das Urteil des Zuschauers
Wrestling ist kein Sport wie jeder andere. Dass es ein Showsport ist, schmälert die Leistung der Athleten keineswegs, bringt aber mit sich, dass bei der Bewertung andere Dinge zählen als in anderen Disziplinen. „Wrestling wird nicht gemessen an einem sportlichen Ziel, das erreicht wird. Bei uns ist der Urteilende der Zuschauer. Ob es ihm gefallen hat oder nicht, das ist für uns entscheidend. Auch wenn ich sportlich ganz viel geleistet habe an einem Abend, kann der Zuschauer immer noch sagen: Das fand ich jetzt nicht cool. Der Erfolg ist also schwer messbar.“ Oder wie Walter Hahn mit einem Lächeln weiter ausführt: Wrestler müssen nicht nur körperlich topfit sein, sondern auch dabei noch gut aussehen. Wobei das Wörtchen „gut“ natürlich einen besonderen Charakter hat im Wrestling-Sport: „Es gibt Leute, die sind sportlich richtig gut, aber die bringen’s nicht, weil sie eventuell ein langweiliges Gesicht haben. Das ist diese Extrakomponente, die bei uns hinzu kommt. Und die die Spreu vom Weizen trennt.“ Typen mit Charakter, die kommen gut an im Ring, außergewöhnliche Kämpfer – oder welche, die auf Knopfdruck den Anschein erwecken können, sie hätten so eine richtige Wut im Bauch.
Dabei ist es ja kein Geheimnis, dass beim Wrestling alles kalkuliert ist, auch wenn die halsbrecherischen Aktionen im Ring nicht gespielt, aber in unzähligen Übungen einstudiert sind.
Gerade das Fallen will gelernt sein
Denn wer als Wrestler bestehen will, muss viel trainieren. Walter selbst weiß das allzu gut, er legt pro Woche acht Trainingseinheiten ein, ein- oder zweimal im Ring, den Rest mit Gewichten im Fitnessstudio. Die Belastungen sind für Wrestler sehr vielseitig: Sie müssen runter auf den Boden, müssen wieder hoch, laufen, hüpfen, heben, wegdrücken. Und natürlich fallen. Fallübungen sind das A und O im Wrestling, denn wer nicht lernt, richtig zu fallen, läuft leicht Gefahr, sich zu verletzen. Dabei sollte man die Härte des Sports nicht mit seiner Gefahr gleichsetzen. „Erst wenn man etwas falsch macht, wird’s gefährlich. Unter professioneller Betreuung, mit einem gut ausgebildeten Trainer, kann da nichts passieren“, sagt der Wrestlingtrainer. Seine makellose Krankenakte spricht da eigentlich für sich, er wurde noch nie von einer Verletzung für längere Zeit außer Gefecht gesetzt. „Allerdings: Dinge, bei denen sich die Fußballer auf dem Boden herumkugeln und von drei Betreuern verarztet werden, werden bei uns oft gar nicht erwähnt.“
Hahn liebt das Wrestling, auch weil es eine Parallelwelt darstellt. „Diese ganzen vordergründigen Probleme, die es im normalen Leben gibt, die gibt es bei uns nicht. So etwas wie Rassismus, das ist bei uns überhaupt kein Thema. Man lernt so viele Leute kennen aus der ganzen Welt, dass so etwas niemals eine Rolle spielt“
Wrestler aus der ganzen Welt in Katernberg
Tatsächlich trainiert Hahn an diesem Tag zusammen mit zwei Kollegen aus unterschiedlichen Teilen der Welt. Der eine nennt sich im Ring „The Arabian Superstar Hakeem“. Und er spricht mit leicht südlichem Akzent. Also mit süddeutschem. Denn auch wenn er eigentlich aus dem Nahen Osten stammt, lebt der bürgerlich auf den Namen Waseem Azzim hörende Athlet seit 13 Jahren in Deutschland, genauer in Regensburg. Der Dritte im Bunde ist Timothy Thatcher und stammt aus Sacramento, Kalifornien.
Gemeinsam trainieren sie im Katernberger Ring für die nächste Show des Westside Xtreme Wrestling, das unter anderem in der Oberhausener Turbinenhalle eine dreitägige Meisterschaft austrägt. Und das Training in Essen ist hart. Die wichtigsten Übungen machen sie, indem sie Karten ziehen. Jeder Übung ist eine Kartenfarbe zugeordnet, der Kartenwert gibt die Anzahl der Wiederholungen an. Sie machen verschärfte Formen der Liegestützen und Kniebeugen, auch die Ringerbrücke, die schon beim Zuschauen weh tut. Anders als bei einer normalen Brücke biegen sich die Wrestler so weit mit dem Kopf hinüber, dass sie fast mit der Nase auf dem Boden landen. Die Übung ist gut für den Nacken, eine gefährdete Körperpartie für Wrestler. Warum? Das wird deutlich, wenn Hahn und Thatcher sich gegenseitig in den Griff nehmen und an den Nackenpartien zerren, als wäre das nichts.
„Meine Nase war auch schon mal gerader.“
Wie viel von den schmerzverzerrten Gesichtern echt ist und wie viel nur Show, lässt sich schwer abschätzen. Aber Thatcher bringt es auf ganz gut auf den Punkt: „Alles, was wir machen, tut auf die ein oder andere Weise weh. Ich hatte schon mal bessere Zähne. Und meine Nase war auch schon mal gerader. Das ist der Preis, den man für Erfahrungen zahlt.“
- wXw-Wrestling live: 30.9.-2.10. Oberhausen, Turbinenhalle.14.10. Borken, 10.12. Oberhausen. Infos: wxw-wrestling.com