Bottrop. Apotheker fordern seit Monaten höhere Bezahlung und weniger Bürokratie. Eine Bottroper Apothekerin macht den Kassensturz: Kosten und Verdienst.
- Was verdienen Apotheker? Karima Ballout, Inhaberin von zwei Standorten in Bottrop, rechnet vor.
- Allein der Erwerb einer durchschnittlichen Apotheke kostet mindestens 800.000 Euro.
- Karima Ballout macht die Rechnung auf für eine Apotheke mit 3,3 Millionen Euro Jahresumsatz und zeigt, was übrig bleibt.
Sie sind in den vergangenen Monaten auf die Straßen gegangen, haben ihre Geschäfte geschlossen: Bundesweit haben Apotheker für eine bessere Bezahlung protestiert, haben auf Lieferengpässe, lähmende Bürokratie und schlechte Vergütung aufmerksam gemacht. Doch über welche Größenordnung reden die Apotheker? Was verdienen sie, was müssen sie ausgeben? Karima Ballout ist Inhaberin der Post- und der Westfalia-Apotheke in Bottrop sowie Vorsitzende der Bezirksgruppe Bottrop im Apothekerverband Westfalen-Lippe. Die 41-Jährige rechnet vor, welche finanzielle Belastung eine Apotheke mit sich bringt.
Zunächst einmal stellt sie klar: 80 Prozent ihres Umsatzes macht eine Apotheke mit Waren, die sie bei der Krankenkasse abrechnet. Bleiben nur 20 Prozent, die sie mit anderen, frei verkäuflichen Produkten verdient. „Das ist die einzige Preisschraube, an der wir drehen können“, sagt die Apotheken-Chefin.
Denn für die übrigen 80 Prozent sind sie und ihre Kollegen und Kolleginnen auf die Krankenkasse angewiesen. Die zahlt bei einem Medikament einen festen Satz: den Einkaufspreis plus drei Prozent plus 8,35 Euro, abzüglich zwei Euro Herstellerabschlag. „Das steckt keine Marge drin, kein Verdienst dahinter“, sagt Karima Ballout. „Aber das ist unser Grundgerüst.“ Klar, in der Corona-Zeit seien die von der Krankenkasse unabhängigen Einnahmen beispielsweise durch Maskenverkäufe in die Höhe geschnellt, aber das war nur ein kurzer Effekt, der längst wieder abgeflacht ist.
Bottroper Apotheken-Besitzerin: „Ich verdiene weniger als meine angestellten Apotheker“
Blickt man auf die Jahresumsätze, die eine Apotheke macht, wirken sie zunächst hoch. Doch am Ende bleibt für viele Apotheken-Besitzer eine erschreckend kleine Summe übrig. Karima Ballout sagt: „Ich verdiene schlechter als meine angestellten Apotheker.“ Ohnehin bezahle sie ihre Mitarbeiter 30 Prozent über Tarif – „sonst bekomme ich niemanden“.
Der Deutsche Apothekerverband (DAV) hat in seinem aktuellen Wirtschaftsbericht aufgeschlüsselt, wie sich der Umsatz in Apotheken verteilt. Bei rund vier Prozent liegt der Umsatz bei acht Millionen Euro oder mehr im Jahr. Die Hälfte aller Apotheken bewegt sich in einer Umsatzspanne zwischen zwei und 3,5 Millionen Euro jährlich.
Karima Ballout sortiert sich mit ihren beiden Standorten im oberen Bereich einer typischen Apotheke ein. Ihre exakten eigenen Zahlen veröffentlicht sie nicht, macht aber eine Beispielrechnung für eine mittelgroße Apotheke:
- Netto-Umsatz: 3,3 Millionen Euro
- Wareneinsatz: 2,61 Millionen Euro
- Personalkosten: 350.000 Euro
- sonstige Kosten: 210.000 Euro
- Betriebsergebnis: 130.000 Euro
Von diesem Betriebsergebnis muss die Besitzerin oder der Besitzer einer Apotheke neben der normalen Einkommenssteuer auch Gewerbesteuer zahlen (in Bottrop wären das beim Hebesatz von 490 rund 20.000 Euro) sowie Rücklagen für die Haftung zur Seite legen – denn Apotheker haften persönlich.
Fast eine Million Euro Investition für eine Apotheken-Übernahme
Ein weiterer großer Posten kommt bei vielen jüngeren Apothekern hinzu: Die Abzahlung des Kredits für den Kauf einer Apotheke. Denn wer nicht die Apotheke seiner Eltern übernimmt („das werden immer weniger“, sagt Karima Ballout), muss eine erhebliche Summe aufbringen, um ein Geschäft zu übernehmen.
„Es gibt die Leitlinie, dass man keine Apotheke unter einem Jahresumsatz von 2,7 Millionen Euro kaufen sollte“, sagt die 41-Jährige. Eine solche koste etwa 800.000 Euro – reiner Kaufpreis. Hinzu kommen Investitionen in die Infrastruktur des Geschäftes. Karima Ballout hat beispielsweise einen Mitarbeiterraum gebaut, hat einen Bereich abgetrennt, in dem Kunden diskret Kompressionsstrümpfe anprobieren oder sich über Inkontinenz-Produkte informieren können.
Viele Kosten seien in den vergangenen Jahren gestiegen oder neu hinzugekommen. Allein für ihr digitales Warenwirtschaftssystem zahle die Apothekerin 3000 Euro im Monat. Der Strompreis für ihre Apotheken habe sich verdreifacht in den vergangenen zwei Jahren. Grundsätzlich sind die bürokratischen Anforderungen nicht vergleichbar mit denen von vor beispielsweise 20 Jahren.
Hohe finanzielle und mentale Belastung für Apotheker und Mitarbeiter
Gerade als Existenzgründerin ist die finanzielle, aber auch die mentale Belastung immens. Nicht nur für sie, sondern auch für ihre Mitarbeiterinnen. 26 Personen beschäftigt die junge Apothekerin an ihren beiden Standorten, vier von ihnen sind Apotheker (einer davon muss immer vor Ort sein), vier pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte (PKA), vier pharmazeutisch-technische Angestellte (PTA) sowie Service-Kräfte und Fahrer.
Zwei Faktoren verstärken die Belastung: Zum einen müssen Apotheken in Vorkasse gehen, mit teils sehr hohen Beträgen, denn teure Medikamente können auch fünfstellige Summen kosten. Oder es müssen aufgrund von Arzneimittelmangel größere Mengen bestellt werden, um auszunutzen, dass überhaupt Ware verfügbar ist.
Abrechnen kann die Apothekerin immer erst im Folgemonat. Und dann kann es immer noch passieren, dass die Krankenkasse im Nachhinein das Geld zurückfordert, weil es einen bürokratischen Fehler gab. Das ist der zweite belastende Faktor: Alle Formalia korrekt zu erfüllen, um nicht später auf Kosten sitzen zu bleiben.
Bottroper Apothekerin: „Ich will Dinge verändern, mein eigener Herr sein“
Hinzu komme der Druck beim Selbstherstellen von Medikamenten. Für Aufsehen hatte da zuletzt ein Fall in Köln gesorgt: Eine schwangere Frau hatte 2019 in der Praxis ihres Gynäkologen eine Glukosemischung aus der Apotheke getrunken und war anschließend zusammengebrochen. Sie und ihr Baby starben im Krankenhaus. Grund war eine Verunreinigung der Mischung mit einem Betäubungsmittel. Die verantwortliche Apothekerin ist vergangenes Jahr zu einer Bewährungsstrafe wegen fahrlässiger Tötung verurteilt worden.
Angesichts all dieser Verantwortung, aber gleichzeitig schlechterer Bezahlung und höherer Kosten, kämpfen die Apotheken weiter für eine gerechtere Verteilung der Gelder im Gesundheitssektor. Mehr als 500 Apotheken haben deutschlandweit 2023 geschlossen. Im ersten Quartal dieses Jahres waren es bereits 143.
Warum sie sich das antut, fragt man Karima Ballout, die vor der Übernahme ihrer beiden Standorte vor zwei Jahren 15 Jahre lang als angestellte Apothekerin gearbeitet hat. „Ich will Dinge verändern, mein eigener Herr sein“, sagt sie. Und vor allem sei es Leidenschaft, Ethos. „Ich habe das Gefühl, ich tue etwas für andere“, sagt Karima Ballout. „Es gibt kein besseres Arbeiten.“
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>>> Forderungen der Apotheker an die Bundespolitik
Die BundesvereinigungDeutscher Apothekerverbände (Abda) hat einen Zehn-Punkte-Forderungskatalog an das Bundesgesundheitsministerium zusammengestellt.
Darin fordert sie unter anderem eine Erhöhung des Fixums in der Arzneimittelpreisverordnung von aktuell 8,35 auf zwölf Euro, eine regelmäßige Pauschale für jede Betriebsstätte, einen finanziellen Ausgleich bei Lieferengpässen sowie einen Abbau der Bürokratie.
Außerdem müsse das Retaxationsverfahren „auf das sachlich gebotene Maß“ reduziert werden. Retaxionen sind die Rückforderungen von Krankenkassen aufgrund von Formfehlern.