Bottrop. Am 1. April tritt das neue Cannabis-Gesetz in Kraft. Warum die Kleingartenvereine skeptisch sind. Es gibt noch ein weiteres umstrittenes Thema.
Cannabis statt Eiersuche im Schrebergarten? Wenn am 1. April das umstrittene Gesetz zum Cannabisanbau und -konsum in Kraft tritt, wäre das früher als Aprilscherz durchgegangen. Dann hätte man über die Väter (oder Mütter) der Klamotte geschmunzelt, die Kleinen zum Eiersuchen in den Garten geschickt und als Erwachsene vielleicht zum beschwipsten Ei mit Weinbrandfüllung gegriffen und auf Ostern angestoßen.
Das ist nun tatsächlich anders: Der 1. April, der Ostermontag 2024, ist mit Entscheidung von Bundestag und -rat zum Stichtag geworden. Unter gewissen Auflagen, hauptsächlich was Anbau, Menge und Ort des Konsums betrifft, ist Cannabis nun legalisiert. Und schon stellen sich womöglich sogar Kleingartenpächter die Frage, ob in den 15 Bottroper Vereinsanlagen mit ihren über 1000 Gärten bald Hanfpflanzen gedeihen – oder überhaupt erlaubt sind.
Gärten sind Oasen für Familien und Kinder – Cannabisanbau und -konsum wäre schwierig
Lothar Kremer, Vorsitzender des Kleingartenvereins am Beckramsberg im Fuhlenbrock, sieht das skeptisch. Er könne und wolle sich nicht vorstellen, dass demnächst neben Obst und Gemüse im Gewächshaus drei erlaubte Hanfpflanzen für den Privatgebrauch gedeihen oder zur Erntezeit Haschwolken durch die Gärten ziehen. Abgesehen davon, dass eine Kleinartenanlage immer auch ein Ort für Familien und Kinder sei, könne er weder die möglichen Dünste bei Konsum noch die erhöhte Einbruchgefahr in die Gärten wegen der begehrten Pflanzen gutheißen.
Zumindest am Beckramsberg sei das aber noch kein akutes Thema gewesen. Konkrete Anfragen habe es auch nicht gegeben. Da sei zum Beispiel die Frage nach Photovoltaikanlagen in einzelnen Parzellen schon häufiger gestellt worden.
Die Fuhlenbrocker Gartenfreunde möchten bei beiden Themen natürlich keine Alleingänge unternehmen. Dafür gibt es schließlich den Bezirksverband, dem alle Kleingartenvereine angehören. Der wiederum ist Teil des Landesverbands Westfalen und Lippe der Kleingärtner. Dessen Vorsitzender, Rolf Rosendahl, hat kürzlich während einer Versammlung deutlich gemacht, dass „der private Anbau von Cannabis im Bereich von Kleingartenanlagen, auch nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes, grundsätzlich nicht erlaubt sein wird“.
Der Anbau der viel zitierten drei Cannabispflanzen werde nämlich lediglich im Bereich der Wohnung beziehungsweise des gewöhnlichen Aufenthaltsorts erlaubt. Und da eine Gartenlaube nicht als Wohnung und nicht zum gewöhnlichen Aufenthaltsort zählt, sei der Anbau von Cannabis in einem Kleingarten nicht zulässig, so der Landesverbandsvorsitzende.
Eine Haltung, der sich auch der Vorsitzende des Bottroper Bezirksverbands, Steffen Purlinski, anschließen kann. „Ich weiß, dass der Landesverband Rheinland den Cannabisanbau in seinen Kleingartenvereinen prinzipiell bereits verboten hat“, so Purlinski. „Ich persönlich finde das gut, auch wenn sich unser Landesverband dazu noch nicht offiziell geäußert hat“. Aber die Tendenz sei ja bereits vorgezeichnet.
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Bislang habe es seines Wissens nach in Bottroper Vereinen noch keine Anfragen oder ein Interesse an Hanfanbau gegeben. „Wenn es jemand machen sollte, käme meines Erachtens der große Aufschrei.“ Wenn so etwas erst anfange, sei die Entwicklung immer schwer einzugrenzen und am Ende seien alle Anlagen doch auch Orte für Familien, aber auch kleine Biotope. Allein das Abstandsgebot und dessen Kontrolle würde schon schwierig sein. Auch dürften Vereinsvorstände nicht einfach Gärten und Lauben kontrollieren, sondern nur mit handfester Begründung und mit vorheriger Ankündigung einen Garten von Mitgliedern betreten.
Schon jetzt und mit Blick auf eine erwartete Verlautbarung durch den Landesverband findet Steffen Purlinski: „Man muss nicht für alles Tür und Tor öffnen.“
Photovoltaikanlagen sorgen für Differenzen – Oft reicht das Stromnetz nicht aus
Cannabisanbau ist nicht das einzige aktuell umstrittene Thema in den Kleingärten. Auch bei der Frage zur Installation von privaten Photovoltaikanlagen (PV) in Kleingärten zeigt sich Steffen Purlinski kritisch-abwartend. Eine Nachfrage sei punktuell vorhanden. Aber abgesehen vom wirtschaftlichen Nutzen so einer 800-Watt-Anlage, den sogenannten „Balkon-Anlagen“, der seiner Meinung oft nicht gegeben sei, müsse der Pächter auch einen eigenen Vertrag mit einem Stromanbieter haben. „Man muss selbst mit einem Energieversorger abrechnen können.“
Diese Voraussetzungen hätten aber weit über 90 Prozent der Bottroper Vereinsmitglieder nicht, die Versorgung laufe zumeist über einen allgemeinen Vereinsanschluss. Dann müsse auch beachtet werden, wie der Zustand des Stromnetzes der Vereinsanlagen sei, die ja oft sehr alt und zusätzlichen Beanspruchungen nicht gewachsen seien.
Am Ende stellt sich die Frage: Wer entsorgt den Sondermüll?
Am Ende komme noch die Entsorgung alter oder nicht mehr benötigter Anlagen dazu. „PV-Anlagen sind Sondermüll, hört ein Pächter auf und entsorgt seine Anlage nicht, bliebe das an der Allgemeinheit hängen“, so Steffen Purlinski.
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Nachdem die Bundesregierung im Februar mit Blick auf PV keinen Änderungsbedarf am Kleingartengesetz festgestellt habe, äußerte sich der Geschäftsführer des Bundesverbandes der Kleingartenvereine in Deutschland, Stefan Grundei, in der Verbandszeitschrift so: Es müsse vor Ort individuell entschieden werden, was geht und was nicht.
Grundei stellt noch einmal klar, dass dort, „wo bisher keine Stromversorgung zulässig war, auch Photovoltaik nicht für eine zukünftige Zulässigkeit sorgt.“ PV für Arbeitsstrom zu nutzen sei möglich, die Versorgung einer Laube im Regelfall jedoch ausgeschlossen. Eine Haltung, die sowohl der Verband Westfalen-Lippe als auch Steffen Purlinski für die Bottroper Kleingärtner nachvollziehbar findet.