Bottrop. Sekou (29) und Lara (31) aus Bottrop haben zwei Jahre für ihre Ehe gekämpft. Nach vielen Hindernissen durften sie heiraten – so geht es ihnen.

Als Sekou vor fünf Jahren Lara kennenlernt, ist sie blind. Sie hat Multiple Sklerose, ihr erster Krankheitsschub beeinträchtigt die Augen. Seitdem, sagt Lara, seien die beiden nie getrennt gewesen. Nach gut einem Jahr hält Sekou um ihre Hand an, schreibt im Urlaub „Marry me“ in den Sand. Früh, sagen manche, „aber das, was wir in einem Jahr durchgemacht haben, erleben andere nicht in 20 Jahren“, sagt Lara mit Blick auf ihre schwere Krankheit. Doch einfach heiraten ist für das Paar nicht möglich.

Denn Sekou ist in Guinea geboren, kam im Alter von elf Jahren nach Deutschland. Er besitzt keine Original-Geburtsurkunde, aber eine beglaubigte Kopie samt Übersetzung. Das reicht dem Bottroper Standesamt nicht, auch wenn Sekou zu dem Zeitpunkt bereits seit zwei Jahren eingebürgert ist, die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt.

Bottroper Paar kämpft für seine Hochzeit

Es beginnt ein bürokratischer Kampf, wie ihn Lara nennt. Sekou soll nach Guinea reisen, um eine neue Geburtsurkunde zu beantragen. Aber in Corona-Zeiten ist das kaum möglich, noch dazu teuer. Und der heute 29-Jährige hat gar keinen Bezug mehr zu seinem Geburtsland. Seit seiner Auswanderung nach Deutschland ist er nicht mehr dorthin zurückgereist.

Heute können Lara und Sekou mit Freude auf ihre Hochzeitsbilder blicken.
Heute können Lara und Sekou mit Freude auf ihre Hochzeitsbilder blicken. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Fast zwei Jahre lang diskutiert das Paar mit den Bottroper Behörden, mit der deutschen Botschaft in Guinea. Sie sollen jemanden in Guinea finden, der Sekous Identität bestätigt, scheitern daran, müssen hunderte Euro für eine Urkundenprüfung bezahlen. Unzählige E-Mails und Telefonate führen die beiden.

Bottroper Standesamt lässt sich schließlich auf Kompromiss ein

Der schon geplante Hochzeitstermin verstreicht, Sekou und Lara müssen den Gästen absagen. „Ich weiß gar nicht, wie oft ich geweint habe“, sagt Lara. „Wir wollten einfach nur heiraten und eine Familie sein. Das Standesamt hat sich so quergestellt.“ Beide sind voll berufstätig, Sekou arbeitet als Bauleiter, Lara ist Teamleiterin.

Erst nachdem die WAZ über ihren Fall berichtet, lässt sich die Stadt auf einen Kompromiss ein: Sekous Schwester, die in Mülheim lebt, darf seine Identität bestätigen. Am 18. Mai 2022 heiratet das Paar im Bottroper Standesamt. Am selben Tag unterschreiben sie beim Notar den Kaufvertrag für ihr neues Haus – das wollten sie als Eheleute tun. Im Sommer dann folgt die große Feier mit 60 Gästen im Forsthaus Specht, eine freie Trauung mit Traurednerin. „Das war dann unsere richtige Hochzeit“, sagt Lara. „Es war wunderschön.“

Lara und Sekou bei ihrer Hochzeit am 18. Mai 2022 vor dem Bottroper Standesamt.
Lara und Sekou bei ihrer Hochzeit am 18. Mai 2022 vor dem Bottroper Standesamt. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Sorge vor Rassismus: Sekou hat Laras Namen angenommen

Sekou hat seinen Nachnamen Bah abgelegt, den Namen von Lara angenommen, sie heißen beide nun Hartmann. „Wenn wir mal ein Kind bekommen, wissen wir, dass es Rassismus ausgesetzt sein wird“, begründen die beiden diese Entscheidung. „Mit einem deutschen Nachnamen können wir das vermindern.“

Offensichtlich angefeindet werde das Paar nicht, aber es erregt immer wieder Aufmerksamkeit. „Wenn ich mit einem weißen Mann unterwegs wäre, würde uns niemand beachten“, sagt Lara. Sekou fällt das gar nicht auf, aber sie merke durchaus, dass viele Menschen sie anders betrachten – und sich besonders Mühe geben, tolerant zu wirken. „Das ist von den meisten gar nicht böse gemeint“, sagt Lara, „aber viele betonen, dass sie nicht rassistisch sind.“ Normal sei die Ehe zwischen einer Weißen und einem Schwarzen für viele eben immer noch nicht.

Die beiden leben heute in ihrem neuen Haus in Grafenwald, zusammen mit ihrer Hündin Snow. Lara kämpft immer noch mit ihrer Multiplen Sklerose, ist heute aber medikamentös besser eingestellt, kann sich wieder normal bewegen und sehen. Sie und ihr Mann sind froh, dass der bürokratische Stress vorbei ist. Vielleicht holen sie nächsten Winter ihre Hochzeitsreise nach, würden gerne auf die Malediven fliegen. Als Ehepaar.