Bottrop. Der Junge aus Bottrop kann nicht selbständig laufen, nicht sprechen. Seine Familie hofft auf die Entwicklung einer neuen Gentherapie.

Zu den Lieblingsplätzen von Zeki (4) zählt eindeutig das kleine Bällebad in seinem Kinderzimmer. Er strahlt, als er die bunten Bälle durch die Luft fliegen lässt. Dabei ist es nicht selbstverständlich, dass das Werfen so gut klappt. Ein sehr seltener Gendefekt schränkt Zeki in seiner Motorik ein; er kann nicht selbstständig laufen oder essen, nicht sprechen, hat manchmal Angstzustände.

Typische Symptome des CTNNB1-Syndroms, berichten seine Eltern, Zeinab (38) und Bülent (44) Günebakan. Bislang gilt es als nicht heilbar. All ihre Hoffnung setzt die Familie aus Bottrop deshalb nun auf die Entwicklung einer neuen Gentherapie.

Seltener Gendefekt: Weltweit sind 400 betroffene Kinder bekannt

Das erst vor gut zehn Jahren entdeckte Syndrom ist bislang bei nur rund 400 Kindern weltweit diagnostiziert worden, berichtet Zeinab Günebakan (38). „Das CTNNB1-Gen hat die Funktion, ein bestimmtes Eiweiß zu produzieren“, erklärt ihr Mann Bülent. Fehlt durch den Gendefekt das Protein Beta-Catenin, sind geistige und motorische Entwicklungsverzögerungen die Folge. Es können sich Spastiken in den Beinen entwickeln, und es droht eine Netzhautablösung samt Erblindung, berichtet Zeinab über das, was noch auf Zeki zukommen könnte.

Zeki liebt sein Bällebad. Papa Bülent Günebakan lässt sich von der Freude seines Sohnes anstecken.
Zeki liebt sein Bällebad. Papa Bülent Günebakan lässt sich von der Freude seines Sohnes anstecken. © Bottrop | Frank Oppitz

Dabei hatten die Eltern zunächst gedacht, dass ihr kleiner Sohn sich normal entwickelt. Als jüngerer Bruder von zwei Schwestern (heute 12 und 15 Jahre alt) kam er im Juni 2019 zur Welt. Wurde auf die Welt geholt, muss man wohl eher sagen, denn seine Mama erzählt: „In der 35. Schwangerschaftswoche hieß es, er würde nicht mehr wachsen.“ Es sei besser, die Geburt einzuleiten. Doch als Zeki dann da war, war er zwar mit 2200 Gramm ein Leichtgewicht – aber davon abgesehen „war eigentlich alles normal“.

Bis Zeki drei Monate alt war und einer Tante bei ihrem Besuch auffiel, dass er seinen Kopf nicht halten konnte. Das war der Moment, in dem der Untersuchungsmarathon für die Familie begann. Während Zekis Symptome zunahmen – er hatte zum Beispiel Schluckbeschwerden, Angstzustände bis hin zur Panik vor Regentropfen, fremdelte schlimm, war körperlich instabil – und dann irgendwann eine Zerebralparese festgestellt wurde, blieb die Ursachenforschung ohne Ergebnis, erzählen die Eltern.

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Bis ihnen geraten wurde, einen Gentest zu machen. Die Gewissheit über Zekis Erkrankung erhielten sie dann im September 2021. „Das war ein Schock. Wir wussten nicht, was wir machen sollen“, sagt Zeinab Günebakan. Dann wurden die Bottroper Mitglieder einer Whatsapp-Gruppe mit anderen betroffenen Familien. Der Austausch war und ist wertvoll für sie.

Um die bestmöglichen Behandlungsansätze für Zeki zu finden und zu verfolgen, suchten die Eltern mit ihm unterschiedlichste Kliniken auf, reisten dafür sogar bis München und Istanbul. Sie besuchen regelmäßig einen Spezialisten in Dortmund, ermöglichen Zeki neben Ergotherapie, Logopädie, Krankengymnastik und Heilpädagogik eine Reittherapie.

Während Papa Bülent neben seiner Hausmeister-Tätigkeit noch einen Nebenjob stemmt, hat Mama Zeinab ihren Beruf aufgegeben, ist für den Kleinen da. Dank eines Integrationshelfers könne der Vierjährige den Kindergarten besuchen – aber das klappe nicht an jedem Tag reibungslos. So fröhlich Zeki gerade lächelt, „er kann auch um sich schlagen, schreien, richtig aggressiv sein“, berichten seine Eltern.

Zeki (4) kann laufen, aber nur an der Hand

Ist die Familie draußen unterwegs, wird Zeki im Rollstuhl gefahren. Laufen kann er nur an der Hand. Für ihre vor mehr als zehn Jahren in der Boy erworbene Eigentumswohnung im ersten Stock denken Bülents daher gerade über den Anbau eines Außenaufzugs nach. So sich das für sie finanzieren lasse, sie rechnen mit Kosten von 17.000 Euro dafür. „Es ist alles nicht einfach“, bemerkt Zeinab Bülent.

Und: „Mich macht die Situation traurig. Was passiert, wenn wir als Betreuer ausfallen? Ich will nicht, dass es eine Last für seine Schwestern wird.“ Und der Gedanke, dass ihr Junge vielleicht mal in ein Heim müsse, den kann sie eigentlich gar nicht zu Ende denken.

Also hoffen sie auf die Entwicklung einer neuen Gentherapie. „Vor etwa zweieinhalb Jahren haben wir einen Anruf bekommen, dass es eine Studie gibt.“ Spela Mirosevic hatte in Slowenien die CTNNB1-Foundation gegründet, um eine wirkungsvolle Behandlung für Kinder mit der Genmutation auf den Weg zu bringen. Ihr Sohn hat selbst das CTNNB1-Syndrom. „In einem Zoom-Meeting wurde uns erklärt, dass sie an einem Medikament arbeiten. Das schien uns damals noch sehr weit weg“, sagt Zeinab Günebakan.

Ehemann Bülent reiste vor rund zwei Jahren zu einem entsprechenden Kongress in Madrid. Nun steht Mitte Juni die zweite Konferenz der Foundation in Ljubljana an, diesmal wollen Zeinab und Zeki mitkommen. „Die Kinder sollen dort untersucht werden.“ Nach Informationen der Familie soll die Studie Ende 2024 in die klinische Phase gehen.

Foundation-Gründerin Spela Mirosevic erklärt auf WAZ-Nachfrage, dass der Herstellungsprozess für die Behandlung gerade begonnen habe. Es müssten u.a. auch noch Dokumente bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur eingereicht werden. Klappt alles, werde die Therapie Anfang 2025 richtig einsatzbereit sein. Rund 80 Kinder kommen wie Zeki nach Slowenien, um mit Blick auf eine Teilnahme an der anstehenden klinische Studie untersucht zu werden.

Bottroper Familie hat Spendenaufruf auf „Gofundme“ gestartet

Die Entwicklung der Therapie für diesen seltenen Defekt kostet Geld, viel Geld. Die Bottroper Familie berichtet von möglicherweise rund 100.000 Euro an Kosten für eine Injektion, wobei diese pro Kind ausreichen soll. Die Familie hat deshalb jetzt einen Spendenaufruf auf der Plattform Gofundme gestartet, zu finden hier: www.gofundme.com/f/hilfe-fur-zekis-medikament

Spela Mirosevic erläutert, dass sie mit ihrer Foundation in Slowenien mehr als zwei Millionen Euro an Spenden gesammelt habe, um das Projekt zu starten. Derzeit gehe es für die von Spenden abhängige Non-Profit-Organisation darum, weiteres Geld zusammenzubekommen, um den Herstellungsprozess und die toxikologische Studie zu vollenden.

Worüber die Familie Günebakan-sehr froh ist, ist Zekis Fröhlichkeit.
Worüber die Familie Günebakan-sehr froh ist, ist Zekis Fröhlichkeit. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Wie viel genau die Produktion einer Dosis für ein Kind kosten wird, könne derzeit nicht gesagt werden. Klar sei aber, dass diese Kosten von der CTNNB1-Foundation getragen würden, nicht von den Kindern bzw. Familien. Allerdings: An der Behandlung teilnehmende Familien müssten nach Slowenien kommen und sich dort dann etwa sechs Monate aufhalten.

Eigentlich, sagt Zeinab Günebakan, hatten sie nie daran gedacht, um Spenden zu bitten. Auslöser war letztlich der Arbeitgeber von Bülent Günebakan, der vor Weihnachten intern eine Spendensammlung für die diesen Sommer anstehende Delfintherapie Zekis angestoßen hatte.

Aktuelles Spendenziel sind 15.000 Euro. Sollte Zeki am Ende gar nicht für die in der Entwicklung befindlichen Therapie in Frage kommen – laut der Familie gelten im Rahmen der Studie bestimmte Auswahlkriterien, nach dem Kongress im Juni wissen sie hoffentlich mehr – dann möchten Günebakans das gespendete Geld für andere Möglichkeiten einsetzen, es Zeki im Leben leichter zu machen.