Bottrop. Der Bottroper Juliano (10) ist seit einer Erkrankung nach der Geburt schwer behindert. Eine Delfintherapie soll ihm helfen, besser zu leben.
Wenn Juliano einem die Hand schüttelt, dann lässt er sie erstmal nicht mehr los. Ein Lächeln huscht über die Lippen, ein neugieriger Blick, dann wandern die Augen wieder zur Seite. Der Zehnjährige kam als gesundes Kind zur Welt – und ist heute schwer behindert. Seine Eltern wollen ihm eine Delfintherapie ermöglichen, finanziell leisten können sie sich diese allerdings nicht und bitten nun um Spenden.
Als Juliano am 7. Juli 2012 mit 2790 Gramm zur Welt kommt, scheint alles normal. Wenngleich Mutter Melanie Ziemmek eine schwere Geburt hat – sie hustet stark, hat Atemnot – wirkt das Baby gesund, die erste Untersuchung ist unauffällig. Doch nach dem ersten Tag im Krankenhaus läuft der Neugeborene blau an. Weil die Kinderkrankenschwester beschwichtigt, wird die Familie nach drei Tagen entlassen.
Zu Hause aber wieder der Schockmoment: Juliano läuft erneut blau an. Im Krankenhaus stellt man allerdings nur eine Erkältung fest, schickt die Eltern wieder nach Hause. Weil den beiden aber die Atmung des Babys komisch vorkommt und weil Melanies Mutter sagt „geh zum Arzt, da stimmt was nicht“, fahren die Eltern mit dem Kleinen zur Kinderärztin.
Juliano (10) aus Bottrop läuft kurz nach der Geburt blau an
Die schaut nur einmal in den Maxi-Cosi, bevor sie die junge Familie sofort ins Krankenhaus schickt: Der Junge hat eine doppelte Lungenentzündung. Während Melanie zu Hause fix ihre Tasche fürs Hospital packt, läuft ihr Sohn erneut blau an und wird auf die Intensivstation verlegt. Die nächsten Tage werden zur Qual für die Familie. Die Ärzte versetzen Juliano ins künstliche Koma, beatmen ihn künstlich. Seine große Schwester Leni, damals dreieinhalb Jahre alt, muss viel zurückstecken für ihren Bruder.
Juliano kann kaum atmen, er bekommt Bluttransfusionen und eine Bronchoskopie. Sein Körper schwillt mit Wasser an, über acht Kilogramm wiegt er, sieht aus wie ein Buddha, wie sein Vater sagt, die Augen kaum erkennbar im aufgedunsenen Gesicht. Schläuche, Spritzen, Medikamente, Sauerstoffgerät und Überwachungsgeräte traktieren den kleinen Menschen.
Derweil suchen die Ärzte nach der Ursache. Eine Herpesinfektion? Hat sich Juliano an Milch verschluckt? Zwischenzeitlich sagen sie den Eltern, sie müssen sich von ihrem Sohn verabschieden, ihn nottaufen. Jeder Gang aus dem Krankenhauszimmer könnte der letzte sein. Marco Ziemmek verzweifelt daran, ihm versagt die Stimme, als er erzählt, wie er ziellos aus dem Krankenhaus gelaufen ist, im Kopf die Frage, wie lange sein Sohn noch leben darf.
Diganose Keuchhusten – angesteckt von der Mutter
Schließlich die Diagnose: Juliano hat Keuchhusten, angesteckt von seiner Mutter, die mit nicht diagnostiziertem Pertussis in die Klinik gekommen war. „Schwangere werden auf alles getestet, aber nicht auf Keuchhusten“, sagt Melanie Ziemmek, die an werdende Mütter appelliert, sich auch auf diese Krankheit untersuchen zu lassen. Ihr Sohn ist aufgrund der frühen Infektion zu hundert Prozent behindert.
Erst als Juliano nach vier Monaten das Marienhospital verlässt und an das Helios-Klinikum nach Duisburg verlegt wird, bessert sich sein Zustand. Der dortige Chefarzt der Kinderklinik, Peter Seiffert, habe ihm das Leben gerettet, sagt Melanie Ziemmek. Und er gab den Eltern Hoffnung, dass Juliano krabbeln und laufen lernen werde, auch wenn viele Ärzte zuvor gesagt hatten, dass er das nie können werde.
Heute schafft der Zehnjährige einige wenige Schritte alleine, muss sonst an der Hand gestützt werden durch das alte Zechenhaus in Batenbrock. Das übernimmt auch sein kleiner Bruder Leandro, er spielt mit ihm, seine Finger tippeln Julianos Arm hoch: „Kommt ein Mann die Treppe rauf, klopft an, klingeling, guten Tag Herr Ohrenmann.“ Die Variante Ohrenmann statt Nasenmann habe ihm Mama beigebracht, sagt der Fünfjährige und lacht. Juliano lacht mit, wiegt sich dann wieder vor und zurück, ohne Unterlass.
Mehr als Mama, Papa, Oma, Aua kann der Zehnjährige nicht sagen. Er verletzt sich selbst, haut sich ins Gesicht, beißt sich auf die Handknöchel, an denen Hornhaut gewachsen ist. Er liebt es, mit langen Tüchern um sich zu schleudern, mag das Schaukeln und Trampolinspringen auf den Knien. „Eine Wasserratte hoch zehn“ sei er.
Delfintherapie für Bottroper Juliano kostet 12.000 bis 15.000 Euro
Von der Delfintherapie erhofft sich die Familie, dass Juliano besser laufen lernt, dass sein Sprachzentrum angeregt wird, er sich weniger haut und beißt. Von anderen Betroffenen weiß Melanie Ziemmek, dass die Therapie Entwicklungsschritte auslösen kann. „Da geht einem das Herz auf, wenn man die Erfolge sieht.“
Die Anträge hat sie schon rausgeschickt, hat alle ärztlichen Berichte und Diagnosen eingereicht. Doch für die Familie sind die Kosten von 12.000 bis 15.000 Euro nicht zu bezahlen. Bei Marco Ziemmek ist in diesem Jahr Blasenkrebs diagnostiziert worden, er ist mehrfach operiert worden, kann nicht mehr arbeiten.
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Melanie Ziemmek kann ohnehin keinem Beruf nachgehen. Zu oft fällt die Integrationskraft aus, ohne die Juliano nicht zur Schule gehen kann. In der Corona-Zeit war die 42-Jährige durchgehend mit den Kindern zu Hause, konnte Juliano nicht aus den Augen lassen, während Leandro als Kleinkind ebenso viel Aufmerksamkeit forderte.
Die Familie hofft nun auf Unterstützung. Die Post-Apotheke hat bereits 500 Euro gespendet, nachdem sie auf Julianos Schicksal aufmerksam geworden ist. Wenn genügend Geld zusammenkommt, würde die Familie gemeinsam reisen, nach Curaçao oder in die Türkei, wo Juliano mit Delfinen schwimmen kann. Es wäre der erste Urlaub der Familie überhaupt. Die Kinder haben noch nie das Meer gesehen.
Spenden für Juliano
Die Familie hat eine Internetseite für Juliano eingerichtet: www.juliano-ziemmek.de. Dort findet sich auch der Link zur Spendenplattform Gofundme, über die Familie Ziemmek Geld für die Delfintherapie sammelt: gofundme.com/julianoziemmek. Damit der Spendenaufruf bei Gofundme online ging, mussten Melanie und Marco Ziemmek sämtliche ärztlichen Unterlagen und Behinderten-Bescheinigungen einreichen, die dort geprüft wurden.
Die Delfintherapie ist eine tiergestützte Therapie, die von der Krankenkasse nicht bezahlt wird. Wissenschaftlich sind die Erfolge von Delfintherapien nicht gesichert, allerdings zeigen zahlreiche Studien, dass es schwerstbehinderten Kindern nach der Therapie emotional-sozial besser geht und ihre sprachlichen Fähigkeiten zunehmen.