Bottrop. Der Sozialindex gibt Aufschluss über die Zusammensetzung der Schülerschaft. So können Bottroper Schulen davon profitieren.

Schulen, die aufgrund der sozialen Zusammensetzung ihrer Schülerschaft besondere Herausforderungen zu meistern haben, sollen Unterstützung in Form von zusätzlichen Lehrerstellen und einer besseren Ausstattung bekommen. Dafür hat das Land jüngst den neuen schulscharfen Sozialindex vorgestellt. Wir haben nachgefragt, was dieser für Bottroper Schulen bedeutet.

Grundsätzlich gilt: Jeder Schule wird eine Indexstufe von 1 bis 9 zugeordnet, wobei 1 für die geringsten und 9 für die höchsten Herausforderungen steht. Ausdrücklich wird damit in keiner Form die Qualität der Schulen oder des Unterrichts bewertet. Der Sozialindex basiert vielmehr auf diesen vier Faktoren: Dichte der Kinder- und Jugendarmut im Einzugsgebiet, Schüleranteil mit vorwiegend nicht deutscher Familiensprache, eigener Migrationshintergrund der Schülerschaft und Anteil der Jungen und Mädchen mit sonderpädagogischem Förderbedarf.

Aktualisierung hat für viele Schüler höhere Einstufungen zur Folge

Durch die jüngste Index-Aktualisierung sind landesweit viele Schulen einer höheren Sozialindexstufe zugeordnet worden, teils auch in Bottrop. Aus dem Schulministerium heißt es dazu, dies bedeute nicht automatisch, „dass sich die tatsächliche Situation an einer Schule verändert hat. Und schon gar nicht ist damit eine Bewertung der Qualität schulischer Arbeit verbunden. Der aktualisierte Schulsozialindex bildet lediglich die schulischen Verhältnisse hinsichtlich der sozialen Zusammensetzung der Schülerschaft im Vergleich der Schulen untereinander besser ab.“

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Eigentlich eine gute Sache, findet René Heuwieser, Leiter der Janusz-Korczak-Gesamtschule (JKG). „Der Sozialindex ist der Versuch des Landes, die soziale Ungerechtigkeit ein bisschen zu bekämpfen.“ Früher sei landesweit von Schulleitungen angemerkt worden, dass die Einteilung in die Indexstufen teils ungerecht gewesen sei. „Es war so, dass Schulen, die bekanntermaßen in einem Brennpunkt lagen, nur die Indexstufe 5 erhielten.“ Das sehe dank der neuen Kriterien jetzt anders aus.

Als Schule mit Indexstufe acht (früher sechs) habe die JKG den Vorteil, zusätzliche Ressourcen in Aussicht gestellt zu bekommen. Bei einem höheren Anteil von Schülerinnen und Schülern, die von zu Hause nicht so viel Geld haben oder es insgesamt schwerer beim Lernen hätten, versuche das Land, einen Ausgleich in Form von mehr Lehrerstellen zu schaffen. „Das wurde so angekündigt.“ Was das genau für die JKG ab dem kommenden Schuljahr bedeutet, sei noch unklar. Allerdings bemerkt René Heuwieser schon jetzt mit Blick auf fehlenden Pädagogen-Nachwuchs: „Man muss diese zusätzlichen Stellen auch besetzen können.“

Oft genug fehlten (geeignete Bewerber) für offene Stellen, beklagt Heuwieser. Aus seiner Sicht müsse deshalb das Land dafür sorgen, dass die Extra-Lehrer auch an den Schulen ankommen.

René Heuwieser, Leiter der Janusz-Korczak-Gesamtschule in Bottrop.
René Heuwieser, Leiter der Janusz-Korczak-Gesamtschule in Bottrop. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Zwei Schulen an gleicher Stelle – aber mit unterschiedlicher Indexstufe

Im Schulvergleich sieht René Heuwieser im Übrigen Einteilungen, die ihm nicht ganz einleuchten. „Was ich kritisch sehe: Die Marie-Curie-Realschule und die Gustav-Heinemann-Realschule liegen praktisch auf einem Grundstück, haben aber zwei verschiedene Sozialindexstufen.“ Nämlich, im genau gleichen sozialen Umfeld, sieben und fünf.

Gabi Bruns, Leiterin der Marie-Curie-Realschule, hat dafür eine Erklärung in der Berechnung des Sozialindex‘ gefunden. Ein Faktor dabei sei ja auch der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit den Förderschwerpunkten Lernen, emotionale/soziale Entwicklung (ESE) und Sprache. „Die MCR ist Schule des Gemeinsamen Lernens, und circa zehn Prozent unserer Schülerinnen und Schüler sind im Gemeinsamen Lernen. Einen Schwerpunkt bilden dort die Schülerinnen und Schüler im Bereich Lernen, ESE und Sprache.“ Die Gustav-Heinemann-Realschule sei hingegen bisher noch keine Schule des Gemeinsamen Lernens.

Marie-Luise Schrader, Leiterin der Grundschule Grafenwald und aktuell Sprecherin der Bottroper Grundschulen, hält den Sozialindex für „im Grunde gut gedacht“, um Chancengleichheit zu ermöglichen. Doch für viele Grundschulen werde die Einstufung keine großen Auswirkungen haben, glaubt sie. Nur sieben der 18 Bottroper Grundschulen haben die Indexstufe sechs oder höher. „Ab Stufe sechs gibt es Zuschläge in Form eines Stellenzuwachses von fünf Prozent“, so Schraders Kenntnisstand. Höhere Indexstufe, höherer Stellenzuwachs.

Wir sind sicher, dass sich unsere Schülerschaft nicht verändert hat – sondern nur die Art, wie gemessen wird.
Ingo Scherbaum, Leiter des Josef-Albers-Gymnasiums in Bottrop

Ingo Scherbaum, Leiter des Josef-Albers-Gymnasiums, übt Kritik am Sozialindex-Verfahren: „Wir würden uns wünschen, man würde Kriterien in den Blick nehmen, die langfristig wirken.“ Statt dass man Verunsicherung schaffe, indem Maßstäbe geändert würden. Denn das JAG hat bereits unterschiedlichste Einstufungen erfahren: Von Standorttyp vier von fünf (Vorgänger vom Sozialindex) zur Indexstufe eins und aktuell zur Indexstufe drei von neun. Dabei: „Wir sind sicher, dass sich unsere Schülerschaft nicht verändert hat – sondern nur die Art, wie gemessen wird“, so Scherbaum.

Was für ihn vor allem zähle, sei dies: „Wir haben hervorragende Abi-Ergebnisse und, wie mir von verschiedenen Seiten zurückgemeldet wird, ein hervorragendes Schulklima. Das sind wichtige Kriterien.“ Das JAG verliere kaum Schüler bis zum Abitur. Nichtsdestotrotz erwarte er, dass die Neu-Einteilung in die Indexstufe „auch positive Folgen hat für uns“.

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Bottroper VBE-Vorsitzender: „Größtes Problem bliebt der Lehrkräfte- und Fachkräftemangel“

Christoph Mewes, Vorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) Bottrop, gibt ähnlich wie René Heuwieser zu bedenken: „Das größte Problem ist und bleibt aktuell der Lehrkräfte- und Fachkräftemangel in allen Kindertagesstätten und Schulen.“ Insofern sei der Sozialindex nach wie vor nur auf dem Papier eine Hilfe zur Steuerung der Ressourcen, „denn wo nichts ist, kann man auch nichts umverteilen“.

Schulen mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler will das „Startchancen-Programm“ von Bund und Ländern unterstützen, das Anfang Februar ganz frisch vorgestellt wurde. Insgesamt sollen über zehn Jahre hinweg 20 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden. Die Schulen, die von dem „Startchancen-Programm“ profitieren sollen, werden auch über den Sozialindex ausgewählt.