Bottrop. Ist der Lehrermangel an einer Schule zu groß, muss am Unterricht gekürzt werden. Die Problemlage ist vielfältig, erklären Bottroper Schulleiter.
Die Herbstferien sind da, Zeit zum Durchschnaufen für die Schülerinnen und Schüler – und für die Lehrkräfte. An vielen Stellen fehlt Personal, das hat mehrerer Gründe. Einer davon sind die insgesamt 66 unbesetzten Lehrerstellen in Bottrop.
Diese Stellen, die den Schulen zugewiesen, aber aktuell unbesetzt sind, verteilen sich laut Bezirksregierung Münster auf folgende Schulformen: Grundschulen 30 offene Lehrerstellen, Förderschulen sieben, Realschulen zehn, Sekundarschule fünf, Gesamtschulen zehn, Gymnasien vier (Stand: 25. September).
Lehrermangel in Bottrop hat Auswirkungen auf den Unterricht
Das bleibt nicht ohne Auswirkungen auf den Unterricht. Laut einer Sprecherin der Bezirksregierung könne es schulscharf „vereinzelt zu Unterrichtskürzungen kommen“. Strukturelle Unterrichtsausfälle seien jedoch nicht bekannt, auch nicht an den Grundschulen.
Aber wie sieht es konkret in den Schulen aus? Etwa an den beiden Gesamtschulen, an denen insgesamt zehn Lehrerstellen unbesetzt sind?
René Heuwieser, Leiter der Janusz-Korczak-Gesamtschule, zählt zunächst die Fakten auf: Insgesamt gibt es demnach an der JKG sechs zwar zugewiesene, aber unbesetzte Stellen, inklusive zwei Sonderpädagogen. Aber das ist nicht das einzige Problem, das der Schule zu schaffen macht: „Darüber hinaus haben wir die Stelle des stellvertretenden Schulleiters unbesetzt und eine Kollegin ist dauerhaft erkrankt. Für beide Stellen haben wir keinen Ersatz. Nach der aktuellen Stellenberechnung sind wir mit 7,74 Stellen im Unterhang.“ Macht eine Stellenbesetzungsquote von nur 88,91 Prozent.
JGK Bottrop: Unterricht im Fach Sport erheblich gekürzt
Das hat Auswirkungen auf die Stundenpläne der Schülerinnen und Schüler: „Unterricht musste im Fach Sport erheblich gekürzt werden. Auf die Stundentafel gerechnet war eine Kürzung um 13 Stunden erforderlich.“ Verteilt wurden diese Stunden auf mehrere Jahrgänge. So wurde etwa im Jahrgang 5 um eine Stunde gekürzt, im Jahrgang sechs sogar um drei Stunden. Heuwieser weiter: „Auch im Fach Musik mussten vier Stunden gekürzt werden.“
Weitere Kürzungen betreffen laut dem Schulleiter die Sprachförderung (insgesamt 37 Stunden in den Jahrgängen fünf und sechs) und die Inklusion (68 Stunden über alle Jahrgänge verteilt).
Noch kurz vor den Herbstferien führte René Heuwieser weitere Auswahlgespräche und hoffte auf eine baldige Besserung der Situation. Was unbesetzte Stellen angeht, hat Markus Reuter, Leiter der Willy-Brandt-Gesamtschule, weniger Grund zur Klage. „Wir haben bis auf eine Sonderpädagogen-Stelle und eine Stelle für die Sekundarstufe eins alle besetzt“, sagt er. Wobei es gerade für diese beiden Bereiche immer schwieriger werde, Personal zu finden.
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Doch Reuter treibt gerade etwas anderes um: „Was uns Probleme macht, sind langzeiterkrankte Kollegen.“ Der Stundenplan für dieses Schuljahr sei schon fertig gewesen, als vier Kollegen, die voll im Job stehen und eingeplant waren, ausgefallen sind, schildert der Schulleiter. „Dazu kommt, dass wir, wie alle Schulen in Bottrop, noch zwei und bald eine dritte Integrationsklasse haben.“ Ein spezielles Unterrichtsangebot für Flüchtlinge, das viel Personal ziehe.
Nun sei es zwar so, dass die Schule bei Langzeiterkrankung Vertretungsstellen ausschreiben könne, aber dieser Vorgang – inklusive Besetzung – dauere eben.
Führt das alles an der WBG denn nun auch zu Unterrichtskürzungen? „Vorübergehend müssen wir an der ein oder anderen Stelle Dinge zusammenführen“, sagt Markus Reuter, ohne Details zu nennen. Grundsätzlich lautet seine Prognose: „Wir werden auch in Zukunft mit weniger Stellen mehr Schülerinnen und Schüler unterrichten.“
Lehrkräfte werden vom Gymnasium an Grundschulen abgeordnet
Cornelia Hußmann, stellvertretende Leiterin des Heinrich-Heine-Gymnasiums, zeigt noch mehr aktuelle Fallstricke in der Personalplanung auf. „Die Gymnasien bekommen im Moment zwar Stellen zugewiesen. Aber diese Lehrkräfte werden dann sofort an Grundschulen oder Realschulen abgeordnet.“ Dort sei der Mangel viel höher als am Gymnasium. Nach zwei Jahren sollen die abgeordneten Lehrkräfte zurückkehren. Nämlich 2026, wenn die Umstellung aufs neunjährige Abitur (G9) am Gymnasium voll zum Tragen kommt.
Zwei Stellen in Kooperation mit Grundschulen seien am HHG derzeit noch offen. „Es ist ja auch kein Lehrpersonal da“, sagt Hußmann, die aber Hoffnungen auf einen neuen Referendariatsjahrgang ab dem 1. November setzt.
Doch es gebe noch andere Probleme mit Auswirkungen auf die Stundentafel. „Je nach dem Wahlverhalten der Schüler ist plötzlich ein Mangel im Fach Französisch da.“ Oder man habe einen Jahrgang mit überproportional vielen Schülerinnen und Schülern, die statt Religionsunterricht Philosophie wählen.
Teils hängt es dann von der Fächerkombination der Kolleginnen und Kollegen ab, was möglich gemacht werden kann – und was nicht. „In den Fächern Physik und Chemie gibt es kaum Lehrer-Nachwuchs“, sagt Hußmann zum Beispiel.
Normaler Krankenstand, Mutterschutz, Elternzeit nicht zu vergessen. Ihrer Einschätzung nach resultiert der aktuelle Zustand an den Schulen daraus, dass das Personal schon über Jahre hinweg immer knapp gewesen sei.
Am HHG zum Beispiel führt all das dazu, dass zuletzt insgesamt 45 Unterrichtsstunden gekürzt wurden, verteilt auf die Fächer Chemie, Physik, Religion und Philosophie. Das kann sich möglicherweise nach den Ferien ein wenig entspannen. „Nach den Herbstferien kommen zwei Lehrkräfte zurück“, sagt Cornelia Hußmann, „allerdings nicht mit voller Stundenzahl“.
Am Vestischen Gymnasium Kirchhellen wiederum sind zwar alle Stellen besetzt. Dennoch sind Unterrichtskürzungen nötig, drei Stunden in Biologie und drei Ergänzungsstunden. Die Kürzungen sind laut VGK-Leiter Dirk Willebrand „lediglich auf Beschäftigungsverbote zurückzuführen. Diese haben mitunter mit dem Infektionsgeschehen in Bezug auf Corona zu tun.“
In Bottrop sind 47 abgeordnete Lehrkräfte im Einsatz
Die Bezirksregierung teilt auf Nachfrage der Redaktion mit, dass an den Schulen in Bottrop insgesamt 47 abgeordnete Lehrkräfte im Umfang von 30,3 Stellen eingesetzt werden. „Dies umfasst die Abordnungen im Rahmen der Vorgriffsstellen (Lehrkräfte, die im Rahmen der Umstellung auf G9 erst ab 2026 an einer bestimmten Schule gebraucht werden, Anm. d. Red.), schulforminterne Abordnungen sowie schulformübergreifende Abordnungen. Die Abordnungen erfolgen dabei sowohl innerhalb Bottrops als auch von außerhalb nach Bottrop.“ Sie sollen helfen, damit Unterricht nicht ausfallen muss.
An die Schillerschule zum Beispiel wurde in diesem Schuljahr ein Lehrer aus dem Kreis Borken geschickt, um eine Personallücke zu schließen. Schulleiter Detlef Baier kommentierte: „Es sind viel zu wenige Lehrkräfte auf dem Markt, und der Bedarf wird immer größer.“
Übrigens hat sich die Lage seit Schuljahresbeginn schon ein klein wenig verbessert, zumindest, was die unbesetzten Lehrerstellen angeht. Aus einer Antwort auf die Anfrage der Linken im Rat geht hervor, dass direkt nach den Sommerferien noch 71 Lehrkräfte fehlten, davon 32 an Grundschulen. Sven Hermes, bildungspolitischer Sprecher der Linken im Rat, kritisiert Land und Bund: „Nach Jahrzehnten der systematischen Vernachlässigung steht das Bildungssystem kurz vor dem Kollaps.“
Hermes fordert mit Blick auf Land und Bund u.a. mehr Geld für die Bildung – und auf Stadt-Ebene von der Schuldezernentin „einen ständigen Austausch mit den Landesbehörden und einen vehementen Einsatz für die Bottroper Schülerinnen und Schüler in Düsseldorf!“
Schulleiter gesucht
Personelle Lücken tun sich auch in den Leitungsteams von elf Bottroper Schulen auf. Dabei sind wiederum die Grundschulen besonders gebeutelt. Hier sind zwei Schulleitungen nicht besetzt (Fürstenberg-, Astrid-Lindgren-Grundschule). Außerdem fehlen Konrektoren bzw. Konrektorinnen an den Grundschulen Paul, Johannes, Cyriakus, Konrad und Richard Wagner.
Bei den weiterführenden Schulen ist die Leitung der Gustav-Heinemann-Realschule offen. Stellvertreter bzw. Stellvertreterinnen fehlen an der Marie-Curie-Realschule, der Janusz-Korczak-Gesamtschule und dem Josef-Albers-Gymnasium.
Die Bezirksregierung Münster betont: „Der Umstand, dass eine Schulleitungsstelle unbesetzt ist, bedeutet jedoch nicht, dass diese Schule keine Leitung hat.“ Vielmehr würden Vertretungsregeln greifen.