Bottrop. Rund 100 Stellen soll die Stadt streichen, forderte die Neustart-Initiative. Das geht nicht, sagt der Oberbürgermeister und liefert die Zahlen.
Bei einem Personalabbau bei der Stadt in dem Ausmaß, den die Bürgeriniative „Neustart Bottrop“ gefordert hat, würde die Zahl der Überstunden in der Verwaltung explosionsartig in die Höhe schießen. Dies hat Oberbürgermeister Bernd Tischler in einer Auskunft an den Stadtrat deutlich gemacht. Aus Tischlers Schreiben geht hervor, dass sich die Überstunden der städtischen Beschäftigten verfünffachen und auf mehr als 200.000 anschwellen würde.
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Wegen des städtischen Haushaltsdefizites von 65 Millionen Euro hatte die Neustart-Bürgerinitiative einen drastischen Personalabbau bei der Stadt und eine Senkung ihrer Personalkosten um zwölf Prozent gefordert. Dazu solle die Stadt mehr als 100 Stellen streichen, hieß es. Das hatte Neustart-Mitglied David Schraven in seinem Marktviertel-Newsletter neulich zwar etwas relativiert, die Forderung nach einer Senkung der städtischen Personalkosten aber bekräftigt.
„Arbeitsaufwand bei der Stadt ist nicht abwendbar“
Linke-Ratsherr Niels Schmidt wiederum hatte gefragt, welche Folgen der drastische Personalabbau a la Neustart haben würde. Dazu machte Verwaltungschef Bernd Tischler in seinem Schreiben an den Rat folgende Rechnung auf: „Die fiktive Streichung von 100 Stellen würde bei rein rechnerischer Betrachtung zu einem Zuwachs von ca. 160.000 Überstunden führen“. Fiktiv deshalb, weil die Arbeit ja weiter anfiele und die Stellen auch nicht einfach so weggestrichen werden können.
Denn die Personalausstattung der Stadt diene ausschließlich dazu, gesetzliche und politische Aufträge umzusetzen, verdeutlichte Tischler. Daraus entstehe ein „nicht abwendbarer“ Arbeitsaufwand. Um einen Personalabbau überhaupt zu ermöglichen, müssten verwaltungsweit Aufgaben ersatzlos wegfallen. „Dies ist nicht der Fall“, hält Tischler fest - sondern das Gegenteil.
Masse an Mehrarbeit bei der Stadt wird immer größer
Wie auch der städtische Personalrat in einem WAZ-Gespräch wies der Verwaltungschef gegenüber dem Rat darauf hin, dass sich für alle Städte „ein stetiger Aufgabenzuwachs“ ergeben habe: etwa durch Zuwanderung, neue gesetzliche Anforderungen, Klima-Anpassungsmaßnahmen und mehr. Ohnehin wird die Masse an Überstunden und gutgeschriebenen Gleitzeitstunden, die die Beschäftigten der Stadt angehäuft haben, schon jetzt immer größer.
So türmen die Beschäftigten der Verwaltung und des städtischen Sport- und Bäderbetriebes inzwischen mehr als 132.000 Stunden anerkannter Mehrarbeit auf. So haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung zum Stichtag 31. Dezember 2022 insgesamt 42.168 Überstunden geleistet. Beim Sport- und Bäderbetrieb fielen bis zum selben Zeitpunkt 2.661 Überstunden an.
Zahl der Überstunden ging etwas zurück
Dabei handelt es sich um die aktuellste Übersicht, die der Stadtverwaltung zur Verfügung steht. An einer Arbeitszeitbilanz für das Jahr 2023 wird noch gearbeitet. Zusätzlich zu den Überstunden fallen bei der Stadt sogenannte Gleitzeitguthaben an, da die Beschäftigten ihre Arbeitszeit flexibel gestalten. Bei der Verwaltung umfasst das Gleitzeitguthaben bisher insgesamt 86.324 Stunden, im Sport- und Bäderbetrieb 970 Stunden.
Bei der in dieser Bilanz erfassten Mehrarbeit handelt es sich nicht um Überstunden und Gleitzeitguthaben, die innerhalb des genannten Jahres anfielen, sondern um die Gesamtstunden, die bis zu dem jeweiligen Jahresende weder durch Freizeit ausgeglichen noch finanziell abgegolten wurden, erläutert die Stadt. Danach sind die Überstunden im Vergleich zum Jahr zuvor zwar zurückgegangen, die erfasste Mehrarbeit nahm insgesamt aber zu, da die Gleitzeitguthaben wuchsen.
Pro Jahr scheiden 30 bis 60 Beschäftigte aus
Ihre Überstunden haben die Beschäftigten in der Verwaltung von 44.267 Stunden im Laufe des Jahres 2022 um 2.099 Stunden und im Bäderbetrieb von vorher 3.061 Stunden um 400 Stunden verringert. Während in dem städtischen Tochterbetrieb auch das Gleitzeitguthaben von 1097 Stunden um 126 etwas abnahm, wuchs es in der Verwaltung allerdings von 81.380 Stunden um 4.944 Stunden an. Insgesamt nahm somit die anerkannte Mehrarbeit auf ohnehin schon hohem Niveau um mehr als 2.300 auf 132.123 Stunden zu.
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Rechnerisch dürfte damit jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter um die 60 Stunden Mehrarbeit auf dem Konto haben. Zwar hatte OB Bernd Tischler bei einem Besuch in der WAZ-Redaktion gesagt, dass jährlich zwischen 30 und 60 Beschäftigte aus Altersgründen aus der Verwaltung ausscheiden. So gebe es einen gewissen Spielraum bei Neubesetzungen der Stellen. Allein die angehäuften Überstunden aber würden zirka 26 Stellen ausmachen, teilte er dem Rat mit.
„Faktisch keine Möglichkeit für Kündigungen“
Die weitaus größeren Gleizeitguthaben lassen sich nicht einmal in einen Stellenbedarf umrechnen, da sie im Rahmen einer flexiblen Arbeitszeitgestaltung durch die jeweiligen Beschäftigten entstehen. Der von der Neustart-Initiative geforderte Personalabbau im großen Stil ließe sich auch durch betriebsbedingte Kündigungen nicht erreichen. Denn dies lasse der Gesetzgeber so gar nicht zu.
So dürfe eine Arbeitgeberin wie die Stadt Arbeitsverträge nur dann kündigen, wenn die Beschäftigungsmöglichkeit komplett entfallen sei. Selbst dann müsse eine Kündigung verhindert werden, indem die Betroffenen möglichst auf einem anderen freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden. Einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Stadt seien außerdem „nur aus wichtigem Grund“ - also kaum - kündbar. Dies gilt für Beschäftigte, die 40 Jahre und älter und schon mehr als 15 Jahre im Verwaltungsdienst seien.
Das Fazit des Verwaltunschefs lautet daher: „Unter Hinweis auf die Vielzahl der kommunalen Aufgaben wird daher faktisch keine Möglichkeit für betriebsbedingte Kündigungen gesehen“.