Bottrop. 150 Jobcenter-Vorschläge, eine Bewerbung: Ein Gastronom verzweifelt an der Bürokratie für eine simple Einstellung. Reicht vielen das Bürgergeld?

Er sucht eigentlich nur einfache Arbeitskräfte, ohne besondere Qualifikation, ungelernte Küchenhilfen. Doch was nach einem leichten Unterfangen klingt, wird für den Bottroper Gastronomen Mario Grube zum massiven Aufwand. Er kämpft mit der Bürokratie des Jobcenters und hinterfragt die Sinnhaftigkeit des Bürgergeldes.

Für sein Restaurant Mio 1889 auf der Bottroper Gastromeile braucht Mario Grube Unterstützung in der Küche. Von der Eröffnung im Frühjahr an kämpft der Gastronom damit, gutes Personal zu finden, in der Vorweihnachtszeit einmal mehr. Obwohl er über Tarif zahle, findet er niemanden. Grube wendet sich im Dezember an das Jobcenter in Bottrop, hofft, dass es ihm Küchenhilfen vermittelt.

Bottroper Gastronom sucht Personal: 150 Vermittlungsvorschläge des Jobcenters

Aber statt ernsthafter Bewerbungen bekommt er jede Menge Arbeit. Das Jobcenter schickt ihm Vermittlungsvorschläge per Post zu. In den Briefen heißt es: „Ich freue mich, Ihnen für Ihr Stellenangebot folgenden Bewerber vorschlagen zu können.“ Es folgen die Daten des Jobcenter-Kunden und weiter: „Ich habe XY aufgefordert, sich – wie vereinbart – umgehend bei Ihnen zu bewerben.“

Nur bewirbt sich praktisch niemand. Mehr als 150 solcher Vermittlungsvorschläge hatte Mario Grube bereits vor Weihnachten erhalten, jeden Tag kämen zehn dazu. Eine einzige Frau hat sich ihm vorgestellt. Ihre familiären Verhältnisse lassen eine Vollzeit-Beschäftigung in der Gastronomie mit späten Arbeitszeiten allerdings gar nicht zu.

Für jeden Vermittlungsvorschlag muss er ein Formular ausfüllen, muss beantworten, ob sich die Person beworben hat, ob sie eingestellt wurde und wenn nicht, aus welchen Gründen. „Ich könnte eine Bürokraft einstellen, nur um diese Briefe zu beantworten“, sagt Mario Grube.

Er fragt beim Jobcenter nach, was passiere, wenn sich die Bürgergeld-Empfänger nicht bei ihm bewerben. Das werde vermerkt, heißt es. Was Mario Grube ärgert: „Die kriegen ihr Geld einfach weiter.“

Zu lasche Sanktionsmöglichkeiten beim Bürgergeld

Anfang Dezember vergangenen Jahres hatte Essens Sozialdezernent Peter Renzel im Gespräch mit der WAZ Essen gesagt, dass für manche das Bürgergeld zum bedingungslosen Grundeinkommen geworden sei. Als Hauptursache sehe er die zu laschen Sanktionsmöglichkeiten. Gegenüber dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ ärgerte er sich darüber, dass seinen Mitarbeitern die Handhabe fehle im Umgang mit Kunden, die Termine nicht wahrnehmen oder sich nicht auf einen Job bewerben. Da fielen regelmäßig Sätze wie: „Ihr könnt mir nichts. Wenn ich nicht will, muss ich auch nicht zum Termin kommen.“

Ruhen sich zu viele Menschen auf dem Bürgergeld aus? Gibt es zu wenige Anreize, einen Job anzunehmen? Noch dazu, wo zum 1. Januar 2024 die Regelsätze um durchschnittlich zwölf Prozent angehoben worden sind.

Das Handeln der Jobcenter richtet sich nicht auf die Verhängung von Minderungen aus, sondern auf die Unterstützung der Menschen.
Tanja Jesenek-Förster, Geschäftsführerin des Bottroper Jobcenters

Tanja Jesenek-Förster leitet seit Anfang 2022 das Bottroper Jobcenter. Sie spricht von einem „Paradigmenwechsel“ durch die Einführung des Bürgergeldes vor einem Jahr. „Der Vermittlungsvorrang wurde abgeschafft, es wurden Karenz- und Vertrauenszeiten eingeführt. Die Möglichkeiten der Leistungsminderung haben sich geändert.“ Gleichzeitig seien aber auch Anreize durch den Bürgergeldbonus und das Weiterbildungsgeld geschaffen worden. „Dies sind alles Regularien, die sich noch einspielen müssen, um Kontinuität und nachhaltig ihre Wirkung zu entfalten“, so die Chefin des Jobcenters.

Bottroper Jobcenter-Chefin: „Leistungsminderungen spielen untergeordnete Rolle“

Die Bundesregierung hat in diesen Tagen angekündigt, mehr Druck auf Bürgergeld-Empfänger auszuüben, die Arbeitsangebote ablehnen. Sie sollen künftig bis zu zwei Monate gar kein Geld bekommen. So sieht es ein Gesetzesentwurf aus dem Bundesarbeitsministerium von Hubertus Heil (SPD) vor.

Derzeit prüfen die Jobcenter eine Leistungsminderung, wenn jemand Jobangebote nicht wahrnimmt. Grundsätzlich beträgt die Minderung zehn Prozent des Regelsatzes, maximal sind Kürzungen von bis zu 30 Prozent möglich. Tanja Jesenek-Förster sagt, dass Leistungsminderungen aber nur eine untergeordnete Rolle spielten. „Das Handeln der Jobcenter richtet sich nicht auf die Verhängung von Minderungen aus, sondern auf die Unterstützung der Menschen.“ Ziel sei es, mit den Kundinnen und Kunden „gemeinsam Wege zu entwickeln, die aus der Arbeitslosigkeit führen“.

Mario Grube, Bottroper Gastronom: „Wenn du Geld verdienen willst, geh arbeiten.“ (Archivbild)
Mario Grube, Bottroper Gastronom: „Wenn du Geld verdienen willst, geh arbeiten.“ (Archivbild) © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Bottroper Gastronom: „Wenn du Geld verdienen willst, geh arbeiten“

Sie betont, wie wichtig eine gute Kommunikation mit den Arbeitgebern sei. Dass diese das Formular zu jedem Vermittlungsvorschlag ausfüllen müssen, sei ein grundsätzliches Vorgehen der Bundesagentur für Arbeit und der Jobcenter – „und von Bedeutung, da diese Informationen als Basis dienen für etwaige Prüfungen von Leistungsminderungen“.

Für Mario Grube als Arbeitgeber ist dieser Aufwand allerdings schwer zu verstehen. Dass er nicht mal einen ungelernten Spüler für sein Lokal findet, lässt ihn den Glauben an das System verlieren – und macht ihn wütend auf unwillige Erwerbslose: „Wenn du Geld verdienen willst, geh arbeiten.“