Bottrop. Angstraum Berliner Platz in Bottrop: WAZ-Redakteur Norbert Jänecke berichtet, was er dort erlebt hat. Er traute seinen Augen und Ohren nicht.

Der Berliner Platz in Bottrop hat sich für viele zu einer No-go-Area entwickelt. Sie empfinden das so. Die Grünen zum Beispiel werden nicht müde, davor zu warnen. Auch CDU-Mitglieder in der Innenstadt sorgen sich. Die Polizei hat reagiert und ist mit einer Mobilen Wache zur Stelle, der Kommunale Ordnungsdienst ist rund um den Platz regelmäßig auf Streife.

Die SPD sucht nach Wegen, wie die Video-Überwachung am Omnibusbahnhof und Berliner Platz doch rechtskonform ermöglicht werden kann, damit sich Gäste und Bottroper dort sicher fühlen können. Zwar klagen Gastwirte, Eltern und Schüler über Übergriffe, doch die Behörden kommen zu dem Schluss, dass der Berliner Platz alles in allem kein Kriminalitätsschwerpunkt sei.

Manchmal traute ich meinen Augen und Ohren nicht

Auch Sozialamtsleiter Sascha Borowiak schrieb Ratsvertreterinnen und Ratsvertretern vor einer Weile ins Stammbuch: Vor der berüchtigten Szene am Berliner Platz müsse niemand große Angst haben. Wenn aus der Gruppe jemand anderen ans Leder gehe, dann blieben sie dabei unter sich. Sascha Borowiak weiß, wovon er da spricht. Der Amtsleiter lässt sich auch von Kennern informieren, die sich speziell um die sogenannte Szene kümmern.

Beruhigt mich das alles aber tatsächlich? Richtig, mir selbst ist auf dem und um den Berliner Platz bisher nichts Schlimmes widerfahren. Doch das eine oder andere Mal traute ich meinen Augen und Ohren nicht. Was ich auf dem Berliner Platz jedenfalls inzwischen über die Jahre so alles miterlebt habe, hinterlässt bei mir kein wirklich gutes Gefühl.

Auf dem Berliner Platz kontrollieren Polizistinnen und Polizisten auffällige Leute. Auch Streifen des Kommunalen Ordnungsdienstes in Bottrop sind dort jetzt regelmäßig unterwegs.
Auf dem Berliner Platz kontrollieren Polizistinnen und Polizisten auffällige Leute. Auch Streifen des Kommunalen Ordnungsdienstes in Bottrop sind dort jetzt regelmäßig unterwegs. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Einer kam zum Münzsprecher und rief den Dealer an

Eines Abends zum Beispiel brauchte ich Bargeld. Ich bin auch Postbankkunde und ging zum Berliner Platz. Unverhofft stand jemand an dem Telefonapparat neben mir, als ich draußen den Automaten bediente. Der Mann winkte einige Leute herbei, die auf einer der Bänke saßen und fragte: „Was wollt ihr denn haben?“

Es fielen einige Drogennamen. Er fragte in die kleine Gruppe auch, wie viel Geld sie zusammenbekommen. Die Leute zählten ihre paar Münzen und Scheine, dann nahm der Mann den Telefonhörer ab und rief offenbar einen Dealer an. Mir kam niemand zu nahe, aber ich sah zu, dass ich mit dem bisschen Geld aus dem Automaten schleunigst weg kam.

Beim nächsten Mal ging es wieder um Geld. Diesmal war ich nicht der einzige am Geldautomaten der Postbank. Ich war aber der erste Kunde in einer kleinen Warteschlange. Als ich die Geldkarte wieder ins Portemonnaie schob, ging ich kurz etwas zurück. Blitzschnell stellte sich eine Kundin in die so entstandene Lücke. Sie hatte bemerkt dass eine junge Frau durch den Spalt huschen – und mein Bargeld, das noch im Automaten lag, schnappen wollte? „Ich wollte doch nur da durch“, sagte die junge Frau zwar, doch wer kann sich da schon sicher sein. Ich bedankte mich jedenfalls bei der aufmerksamen Kundin.

„Ich will das nicht kaufen, ich will das abziehen“

Ein anderes Mal brachte ich Post weg. Als ich vom Briefkasten zurückkam, beobachtete ich, wie zwei stämmige Männer einen jungen Mann verfolgten. Einen friedlichen Eindruck machten die beiden nicht auf mich. Der junge Mann rannte vor den Männern davon. Er hatte offenbar Angst. Das war klar. Er war für die stämmigen Typen viel zu schnell und rannte im Vollsprint die Brauerstraße entlang. Sein Vorsprung vor seinen Verfolgern war schließlich uneinholbar groß, als er im Dunkeln des Ehrenparks verschwand.

Lesen Sie hier weitere Nachrichten aus Bottrop

Wieder stand ich vor dem Geldautomaten an der Postbank-Fassade. Es war Nachmittag. Hinter mir warteten gemeinsam drei Männer in unterschiedlichem Alter. Sie unterhielten sich über Mobiltelefone. Der jüngste von ihnen, wollte wissen, welche Geräte ihm die beiden anderen empfehlen können.

Er brauche demnächst auch wieder ein neues Handy, ließ er wissen. Dann sagte er zu ihnen: „Ich will das nicht kaufen, ich will das abziehen.“ Ich ließ mir nichts anmerken. Mein Handy ist nicht das neueste und ich hatte es für den Moment sowieso in der Tasche in meinem etwas abseits geparkten Auto liegen lassen.