Bottrop. Alle Wahljahre wieder gibt es Streit darum, ab wann und wie lange in Bottrop Wahlplakate hängen dürfen. Diesmal zieht die Stadt Kritik auf sich.

Hat etwa ausgerechnet der erste Bürger der Stadt wochenlang durch die vielen Wahlplakate mit seinem Konterfei das Stadtbild verschandelt? Wirft ausgerechnet auch noch die Stadtverwaltung indirekt ihrem eigenen Chef nun nachträglich eine Verschmutzung Bottrops durch solche Wahlplakate vor? Bernd Tischler musste herzlich lachen, als Ratsherr Niels Holger Schmidt sich im Stadtrat diesen Scherz erlaubte.

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Der Linke hatte spöttisch und gleichzeitig den Fleiß der SPD-Wahlkämpfer anerkennend aufgespießt, dass vor der Oberbürgermeister-Wahl entlang der Süd-Nord-Verkehrsachse durch Bottrop alle paar Meter ein Plakat mit Bernd Tischler gehangen hatte – und dann bekommt der Rat unter dem Betreff: „Durchführung von Wahlen, hier: Ausweitung der Plakatierung“ ein Schreiben der Verwaltung mit diesem Satz: „Genauso ist die Gemeinde berechtigt, dafür zu sorgen, dass eine wochenlange Verschandelung oder Verschmutzung des Ortsbildes verhindert wird.“

Herablassung gegenüber Wahlrechten kritisiert

Der Satz ist Teil einer Reaktion auf die SPD, die ihre Wahlplakate vor der kommenden Europawahl zwei Wochen länger hängen möchte. Anstatt bisher sechs Wochen vor dem Wahltermin sollte die Stadt die Plakatierung für acht Wochen vor Versand der Briefwahlunterlagen gestatten. Das hatte eine Ratsmehrheit auch schon so ähnlich vor den Landtagswahlen abgelehnt.

Auch mit ihrem neuen Versuch zur bevor stehenden Europawahl im nächsten Jahr scheiterte die SPD jetzt wieder. SPD-Fraktionschef Matthias Buschfeld trat dafür ein, früher plakatieren zu dürfen, um so auf die bevorstehenden Wahlen bereits etwas früher aufmerksam zu machen und damit dann hoffentlich auch die Wahlbeteiligung steigern zu können.

Er kritisierte allerdings vor allem den herabwürdigenden Tonfall, der aus dem Verwaltungspapier spreche. „Ich bin mit dieser Formulierung nicht einverstanden. Das Wahlrecht gehört zu den Grundpfeilern unseres demokratischen Systems“, betonte der Ratsherr. Auch der Linke Schmidt sprach von einer „Herablassung gegenüber politischen Wahlen“ und kritisierte den Vorgang als „starkes Stück“. Buschfeld erinnerte daran, dass SPD-Mitglieder in der Zeit der faschistischen Nazi-Diktatur inhaftiert und in Konzentrationslager gesperrt worden waren, wenn sie für demokratische Rechte eingetreten waren.

Wahlplakate hängen an der Kirchhellener Straße in Bottrop an manchen Straßenlaternen deutlich zu tief. Hier hing ein Plakat der Bottroper FDP unter einem der Grünen.
Wahlplakate hängen an der Kirchhellener Straße in Bottrop an manchen Straßenlaternen deutlich zu tief. Hier hing ein Plakat der Bottroper FDP unter einem der Grünen. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Wildes Plakatieren wäre ohnehin nicht erlaubt

Die Grünen dagegen übernahmen die kritisierten Verwaltungsformulierungen nicht nur, sie beantragten über die einschränkende Plakatierungsfrist hinaus sogar zusätzlich eine Einschränkung der Zahl von Wahlplakaten. „Damit soll wildem Plakatieren genauso entgegengetreten werden wie der Verschmutzung und Vermüllung der Standorte in den Stadtteilen“, heißt es in dem von Fraktionschefin Andrea Swoboda sowie Roger Köllner und Sigrid Lange gezeichneten Antrag. Allerdings wäre wildes Plakatieren ohnehin nicht erlaubt.

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Ratsfrau Andrea Swoboda hob darauf ab, dass Wahlplakate immer unansehnlicher und auch beschädigter werden, je länger diese Sonne, Wind und Regen ausgesetzt seien. Sie kritisierte, dass Plakate an Laternen und Masten oft zu tief hängen und die Sicht auf Verkehrsschilder und in Kreuzungen störten. Sie brachte zum Ausdruck, dass sie die vielen Wahlplakate vor allem in der Innenstadt als störend empfinde. Bei ihrer Forderung nach Einschränkung der Wahlwerbung bekamen die Grünen die Unterstützung der AfD.

CDU weist auf bekannte Regeln in Bottrop hin

Anspruch der Parteien

Grundsätzlich haben die Parteien einen Anspruch, vor Wahlen auch an Straßen zu plakatieren. Dazu muss ihnen die Stadt aber eine sogenannte Sondernutzungserlaubnis erteilen. Die Stadt wiederum hat das Recht, dabei Einschränkungen vorzunehmen. Die Kommune kann Fristen festlegen und sowohl die Zahl der Wahlplakate begrenzen als auch die Plakatierung an bestimmten Standorten verbieten.

Beschließen muss das letztlich der Stadtrat. Die Verwaltung berichtet, dass der Rat die dazu nötigen Richtlinien selbstverständlich auch längst beschlossen habe. Danach dürfen in jedem der 89 Bottroper Stimmbezirke nicht mehr als 48 Wahlplakate hängen. Je zehn dürfen CDU und SPD aufhängen, je fünf Grüne, Linke, AfD und FDP. ÖDP und DKP dürfen zwei Plakate pro Bezirk anbringen.

Eine Partei ist aber frei in der Entscheidung, wie sie ihre Plakate über das Stadtgebiet verteilt. Theoretisch sei es sogar möglich, dass eine Partei all ihre Plakate in einem Stimmbezirk aufhängt, hieß es. Weitere Einschränkungen der Plakatierung sind in Bottrop in der Straßenbenutzungssatzung niedergeschrieben. Danach ist es nicht erlaubt, an Verkehrszeichen oder in unmittelbarer Nähe von Kreuzungen zu plakatieren.

Das brachte Fraktionschef Engels prompt den Vorwurf ein, dass seiner Partei eine geringe Wahlbeteiligung ja sehr willkommen sei. Auch andere Parteien wie etwa die FDP haben jedoch Zweifel, dass längeres Plakatieren die Wahlbeteiligung stärken kann und stimmten teils auch für das Grünen-Ziel, die Anzahl der Wahlplakate zu verringern. Auch die CDU lehnt die Fristverlängerung der Plakatierung vor Wahlen ab. „Wir können nicht erkennen, dass dies der Demokratie dient“, sagte Fraktionschef Hermann Hirschfelder.

Der Forderung der Grünen erteilte die Union allerdings eine Absage. Hirschfelder machte klar, dass es dazu längst Vorschriften gebe. „Die Regeln sind bekannt und müssen nur beachtet werden. Die Verwaltung muss darauf achten, das dies auch geschieht“, sagte der Ratsherr. Bei Verstößen gegen die Vorschriften drohen Sanktionen bis hin zu Geldstrafen. Vor den Kommunalwahlen 2020 etwa hatte es dennoch eine Reihe von Beschwerden gegeben, dass nicht nur zu viele Wahlplakate aufgehängt wurden, sondern dies auch noch zu früh.