Bottrop. Wenn Lehrer an fremde Schulen müssen, hagelt es Proteste. Die Bottroper Schillerschule aber freut sich, dass ihr ein Lehrer auf Zeit helfen kann.

Wenn das Land aus einer Stadt für ein, zwei Jahre Lehrkräfte an eine Schule in eine andere Stadt versetzt, sind Proteste fast garantiert. Das war auch in Bottrop schon so, als vor gut sechs Jahren gleich vier Lehrkräfte nach Gelsenkirchen abgeordnet wurden.

In diesem Schuljahr aber zieht eine Grundschule in Bottrop einen Vorteil aus der umstrittenen Praxis: Das Land schickte einen Lehrer an die Schillerschule. Rektor Detlef Baier ist natürlich froh darüber. Ohne den neuen Kollegen käme die Schule ja kaum aus. In Gemen aber, wo der Lehrer bisher unterrichtete, gab es große Proteste.

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„Durch die Lehrerabordnung können wir auch im diesem Schuljahr unsere Klassenleitungen besetzen. Dafür sind wir sehr dankbar“, sagte Baier. Zwar habe er für die Schillerschule zuvor auch selbst nach einem neuen Klassenlehrer oder einer Klassenlehrerin gesucht und die Stelle ausgeschrieben, berichtet der Leiter der Schillerschule.

Doch Detlef Baier fand niemanden, der den Job haben wollte. Damit sei die Bottroper Grundschule mit ihren beiden Standorten in Stadtmitte und Ebel keine Ausnahme. Solche Erfahrungen machten gerade im Ruhrgebiet viele Grundschulen immer wieder, weiß der Lehrer, der die Schillerschule inzwischen seit 20 Jahren leitet. Für die Schillerschule sei es das erste Mal, dass jetzt eine Lehrkraft dorthin abgeordnet wurde, sagte er.

Personell gut aufgestellte Schulen müssen anderen helfen

Maßstab für die Abordnungen von Lehrkräften seien die Personalausstattungsquoten der Schulen, die der Bezirksregierung Münster vorgelegt werden, teilte deren Sprecher Andreas Winnemöller mit. „Vereinfacht gesagt: Personell gut aufgestellte Schulen helfen personell nicht so gut aufgestellten Schulen“, erklärt Winnemöller das Prinzip hinter den Personalmaßnahmen.

Dabei ist der Bezirksregierung, die als Schulaufsicht die Versetzungen der Lehrkräfte für das Land umsetzen muss, selbstverständlich klar, dass sie sich damit an jenen Schulen, die Lehrkräfte abgegeben müssen, alles andere als Freunde macht.

Dass die Bezirksregierung allen Protesten zum Trotz an den Lehrerabordnungen festhält und im Auftrag des Landes ja auch muss, ist für sie eine Frage der Bildungsgerechtigkeit. Schließlich seien vor allem die Kinder an den Schulen mit weniger Personal dringend auf Lehrkräfte angewiesen. An der Schillerschule in Bottrop zum Beispiel werden zurzeit 340 Schülerinnen und Schüler in 15 verschiedenen Lerngruppen unterrichtet, davon rund 90 in der Filiale in Ebel. „Auch Kinder aus Familien, die nicht so gut gestellt sind, haben es absolut verdient, durch gute Lernfortschritte eine Perspektive für sich selbst aufzubauen“, sagt auch Schulleiter Detlef Baier.

Schulleiter Detlef Baier ist dankbar dafür, dass die Schillerschule per Abordnung durch das Land einen Klassenlehrer bekommt, der der Grundschule in Bottrop sonst gefehlt hätte.
Schulleiter Detlef Baier ist dankbar dafür, dass die Schillerschule per Abordnung durch das Land einen Klassenlehrer bekommt, der der Grundschule in Bottrop sonst gefehlt hätte. © FUNKE Foto Services | Joachim Kleine-Büning

Die Schillerschule hat eine vielfältige Schülerschaft

Die Schillerschule könne jede verfügbare Lehrkraft gut gebrauchen, um die Mindeststandards auch für diese Kinder zu erreichen. „An unserer Schule ist es wie an vielen Schulen hier im Ruhrgebiet. Wir haben eine vielfältige bunte Schülerschaft, zu der auch viele Schülerinnen und Schüler mit Fluchthintergrund zählen, die aus nicht deutschsprachigen Familien kommen“, erläutert Baier. Hinzu komme, dass die Lehrerinnen und Lehrer an der Schillerschule in allen Klassen inklusiven Unterricht geben. Deshalb müsse die Grundschule insgesamt einen hohen personellen Aufwand betreiben.

Der Schulleiter stellt anerkennend fest, dass der neue Klassenlehrer eine recht weite Anreise an die Schillerschule in Kauf nehme. Indirekt macht Baier klar, dass die Grundschule letztlich nur einen Ausgleich erhalte. Die Schillerschule bekomme ja keinen zusätzlichen Lehrer, sondern könne erst einmal mit Hilfe des abgeordneten Kollegen eine Personallücke schließen. „Lehrer arbeiten ja für das Land“, erklärt Baier, warum solche Versetzungen möglich sind.

Die Lehrkräfte-Abordnungen sind außerdem nur Lösungen auf Zeit. Die Abordnungsdauer liege zwischen ein bis zwei Jahren, bestätigt die Bezirksregierung. „Es sind Einzelfallentscheidungen, die auch durch die Schulleitungen mitgetroffen werden“, erklärt Sprecher Winnemöller.

Eltern und Kinder bilden aus Protest eine Menschenkette

Solche Hinweise auf die Mitwirkung der Schulen ändern an den Protesten an den Schulen, die Lehrkräfte abgeben, in der Regel wenig. In Borken-Gemen bildeten Eltern mit ihren Kindern aus Protest eine Menschenkette. Auch in anderen Städten im Münsterland demonstrierten Eltern und Schulkinder gegen die Versetzungen ihrer Lehrkräfte, auch wenn allen klar war, dass die Entscheidung da schon längst gefallen war. Ihren Kindern werden durch solche Versetzungen sehr wichtige Persönlichkeiten, zu denen die Kinder auch emotionale Bindungen aufgebaut hätten, geradezu entrissen, ärgerten sich viele Eltern.

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Die Reaktionen ähneln denen in Bottrop, als vor gut sechs Jahren die Grundschule Welheim, die Albert-Schweitzer-Schule, die Cyriakusschule und die Rheinbabenschule Lehrkräfte abgeben mussten.

Betroffen waren damit ausgerechnet solche Schulen, die nur deshalb mehr Personal hatten, weil sie als Orte des gemeinsamen Lernens zusätzliche Aufgaben wie den Unterricht von Kindern mit höherem Förderbedarf oder von Flüchtlingskindern in internationalen Förderklassen übernommen haben, bedauerte der Bottroper Schulausschuss.

Schulamtsdirektorin Heike Grüter fasste das Mitte 2017 so zusammen: „Wir haben eine schwierige Situation. Es fehlen einfach Lehrer.“ Daran hat sich bis jetzt offenbar wenig geändert. Denn auch Schulleiter Baier sagt im Sommer 2023: „Es sind viel zu wenige Lehrkräfte auf dem Markt, und der Bedarf wird immer größer.“