Gelsenkirchen. Vor allem im Süden von Gelsenkirchen fehlen Grundschullehrer. Jetzt müssen die Pädagogen in nie dagewesener Weise ihre Stellen wechseln.

An Gelsenkirchens Grundschulen fehlen die Lehrerinnen und Lehrer: Ganz besonders schlimm ist die Lage im Süden der Stadt. Um das zu ändern, sollen jetzt Lehrkräfte aus anderen Teilen des Regierungsbezirks Münster die Lücken schließen. Doch das ist nicht so einfach – und führt an Gelsenkirchener Grundschulen bereits jetzt zu Unfrieden.

Die Rechnung scheint einfach: An den Schulen im Gelsenkirchener Süden fehlen die Lehrerinnen und Lehrer, im Münsterland, in den Kreisen Coesfeld und Borken sowie in der Stadt Münster, gibt es noch vergleichsweise genug. Da könnte man doch die dortigen Lehrkräfte nach Gelsenkirchen schicken, sollte man meinen – ganz so einfach ist es aber nicht.

Lehrerinnen aus dem Gelsenkirchener Norden sollen an Schulen im Süden

Zwar gibt es laut Auskunft der Bezirksregierung auch Lehrerinnen, die direkt aus Borken, Coesfeld oder Münster nach Gelsenkirchen „abgeordnet“ werden, wie es im Beamtendeutsch heißt. Doch meist kommt es dabei zu einer sogenannten „Kaskade“ (eine weitere Vokabel aus dem Behördenwörterbuch): Lehrer aus dem Münsterland wechseln zu Schulen im Kreis Recklinghausen, vor dort wechseln Lehrer in den Gelsenkirchener Norden – und von dort wiederum sollen Lehrerinnen und Lehrer an Schulen südlich des Kanals abgeordnet werden.

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Eine Lehrerin aus dem Gelsenkirchener Norden, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, beschreibt die Verunsicherung, die sich an ihrer Grundschule sowie an vielen anderen Grundschulen breit gemacht hat. „Das reißt uns unser Team auseinander“, sagt sie. „Viele Kolleginnen und Kollegen wissen zurzeit nicht, wo sie nach den Sommerferien arbeiten werden, und da es vor allem um Klassenlehrer geht, die wechseln sollen, heißt das auch für die Schülerinnen und Schüler, dass sie nach den Ferien im Zweifel nicht die Lehrerin wiedersehen, an die sie sich gewöhnt haben.“

Kriterienliste regelt, wer die Schule wechseln muss

Allzu viel Verständnis für diese ungewöhnliche Personalrochade hat die Lehrerin auch nicht. „Als Argument, warum die Leute aus Recklinghausen nicht direkt in den Süden abgeordnet werden, wird der längere Arbeitsweg genannt – das ist nur bedingt nachvollziehbar“, so die Lehrerin. „Ob ich aus Recklinghausen eine Schule in Beckhausen oder eine in Bismarck anfahre, macht nun wirklich keinen großen Unterschied.“ Sie beklagt vor allem die fehlende Planungssicherheit: „Das passiert alles sehr kurzfristig.“ Welchen Lehrer, welche Lehrerin es „trifft“, müsse noch geklärt werden: Wenn sich niemand freiwillig melde, würde anhand einer Kriterienliste festgelegt, wer abgeordnet wird und wer nicht.

Lothar Jacksteit ist Vorsitzender des Personalrats für Grundschulen beim Gelsenkirchener Schulamt – er spricht von einem „Notstand“, der in dieser Form noch nie dagewesen sei. Die derzeitige Aktion führe aber immerhin dazu, dass alle Klassenlehrerstellen besetzt werden könnten, erklärte er. Ihm sei klar, dass die Abordnung bei den betroffenen Kolleginnen und Kollegen nicht auf Begeisterung stoßen würde. „In der Regeln haben sich die Lehrer ja rund um ihre Schule ein Netzwerk aufgebaut und sind im Stadtteil gut verankert – das fällt an der neuen Schule dann erst einmal weg“, räumte er ein.

Lehrer können für maximal zwei Jahre abgeordnet werden

Jacksteit begründete die „Kaskade“ damit, dass man den Lehrkräften so wenig Fahrtweg wie möglich zumuten wolle: So sei es zu erklären, dass, von Ausnahmen abgesehen, die Beschäftigten aus dem Münsterland nicht bis tief in den Gelsenkirchener Süden fahren müssen. „Es ist übrigens nicht so, dass die fehlenden Stellen im Süden ausschließlich mit Lehrern aus dem Norden besetzt werden – auch Schulen im Süden, die genügend Lehrer haben, müssen Kolleginnen und Kollegen abgeben.“

Jacksteit wies aber auch darauf hin, dass eine Abordnung im Gegensatz zu einer Versetzung zeitlich begrenzt sei: Maximal zwei Jahre lang dauere das „Exil“ an der anderen Schule. „Jeder Lehrerin wird garantiert, dass sie – vorausgesetzt, sie möchte – am Ende dieser Zeit wieder an ihre gewohnte Stelle zurückkehren kann“, sagte er.