Bottrop. Erlenkämper in Bottrop ist zu. Die Schließung war aber schon vor dem Tod des Betreibers Ralf Becker beschlossen. Das sagen die Beteiligten.

Es ist das letzte Kapitel von Erlenkämper. Die Traditionsbuchhandlung ist Geschichte. Nach dem überraschenden Tod des langjährigen Inhabers Ralf Becker im Februar dieses Jahres entstand ein Vakuum. Zuletzt brodelte noch einmal kräftig die Gerüchteküche. Das sind die Hintergründe.

Es hieß, dass in den Räumen ein Erlebniscafé oder eine Ambulanz entstehen sollte. Was passierte mit den Büchern? Mit dem Antiquariat im Keller? Es gab das Gerücht, das alles in der Müllverbrennung entsorgt wurde. Gegenüber der WAZ hat sich nun der Vermieter der Immobilie geäußert und nimmt Stellung zu den Gerüchten.

Bottroper Buchhandlung Erlenkämper war in finanzieller Schieflage

Markus Böcker ist Geschäftsführer der Verwaltungsgesellschaft Imveca GmbH. Das Unternehmen entwickelt und vermarktet die Gebäude an der Hochstraße 29 bis 41 seit dem 1. April. Zuvor war der Häuserblock, einst im Besitz des Skandal-Apothekers Peter Stadtmann, von einem Zwangsverwalter zum Verkauf angeboten worden. Neue Eigentümerin ist eine Vermögensverwaltungsgesellschaft vom Niederrhein.

Nach eigenen Angaben war Böcker seit Anfang des Jahres vor dem Kauf im Austausch mit aktuellen Mietern und in Verhandlungen involviert. Die Buchhandlung sei schon zu dieser Zeit länger in finanzielle Schieflage geraten. Er habe Gespräche geführt mit dem damaligen Insolvenzverwalter und auch mit dem damaligen Inhaber Ralf Becker.

Die Klinikgruppe Valeara wollte sich am Standort in Bottrop (Hochstraße 41) räumlich vergrößern. „Zwischen dem Zwangsverwalter, Herrn Becker und Valeara hat es bereits im Herbst des vergangenen Jahres Gespräche gegeben“, berichtet Markus Böcker.

Erlenkämper sollte ohnehin geschlossen werden – und Valeara die Räume übernehmen

Er beschreibt den Austausch als „ein sehr partnerschaftliches Miteinander“. Jüngsten Gerüchten zufolge soll der Mietvertrag zum 31. Juli dieses Jahres von Ralf Becker gekündigt worden sein. Dem widerspricht Böcker. „Herr Becker hatte einen langfristigen Mietvertrag.“

Auf Basis der Gespräche wurde ein Aufhebungsvertrag vereinbart. „Es war eine perfekte Lösung für alle Beteiligten“, meint Böcker. Becker wollte demzufolge die Buchhandlung aufgeben. Das habe er in Gesprächen mitgeteilt. „Das Geschäft hat sich auch nicht mehr getragen“, so Böcker. Neuer Mieter der Räume sollte zum Frühjahr dieses Jahres Valeara werden. Doch dann verstarb Ralf Becker am 9. Februar.

Das veränderte die Situation. Ein Nachfolger ließ sich nicht finden. Sein Sohn, Olaf Becker, teilte mit, dass die Familie beschlossen habe, das Erbe der Buchhandlung nicht anzutreten. Das rief einen Nachlassverwalter auf den Plan. Wegen der finanziellen Schieflage wurde ein Insolvenzverwalter bestellt.

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„Nach dem Tod von Herrn Becker, dem Verzicht der Erben und dem Eintritt des Insolvenzverwalters haben wir einen Vorvertrag mit Valeara geschlossen“, berichtet Böcker. Seit der offiziellen Übernahme am 1. April soll das Unternehmen laut Böcker keine Miete für die Fläche erhalten haben.

Inventar des Buchladens: „Alle Interessenten haben abgesagt“

Der vom Gericht bestellte Insolvenzverwalter habe daran gearbeitet und gehofft, dass das Inventar mitsamt Büchern veräußert wird. In der Zeit habe sich niemand gefunden, der den Bestand übernehmen wollte. „Alle Interessenten hatten abgesagt“, erklärt Böcker.

Einer dieser Interessenten war André Brune – in sozialen Netzwerken bekannt als Ruhrpottologe. Er ist Bottroper, gelernter Buchhändler und hat früher bei Erlenkämper gearbeitet. Am alten Standort wollte er aber keine neue Buchhandlung eröffnen.

Brunes Idee war, eine Eventbuchhandlung mit Lesungen, Café und Kunstausstellungen an einem neuen Standort in der Innenstadt zu eröffnen. Ein Teil der Ausstattung sollte aus den Büchern von Erlenkämper bestehen. Er schaute sich mehrere mögliche Objekte in der Innenstadt an. Unter anderem an der Hansastraße und an der Gastromeile. Es hat sich seiner Meinung nach am Ende nicht gerechnet. Zum einen schreckten ihn die hohen Mieten ab. Andererseits hätte er in manches Ladenlokal noch viel Geld, zum Beispiel für Renovierungen, investieren müssen.

3000 Euro für antiquarische Bücher von Erlenkämper

Darüber hinaus störten ihn die Rahmenbedingungen des Sofortprogramms Innenstadt, das zum 31. Dezember dieses Jahres ausläuft. „Was ist in zwei, drei Jahren?“, fragt er. Seine Sorge: Wenn die Förderung ausgelaufen wäre, müsste er die Miete vollständig bezahlen. Angesichts der geringen Kaufkraft in der Innenstadt und der Entwicklung auf dem Buchmarkt, wie der Onlinehandel, winkte er ab. „Das war mir ein zu heißes Eisen. Ich bin mir sicher, dass die Vermietung teurer geworden wäre.“

André Brune hatte Interesse an Erlenkämper, hat sich aber letztlich gegen den Betrieb der Buchhandlung entschieden.
André Brune hatte Interesse an Erlenkämper, hat sich aber letztlich gegen den Betrieb der Buchhandlung entschieden. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Er entschied sich letztlich gegen die Idee einer Eventbuchhandlung. Aber die antiquarischen Bücher von Erlenkämper wollte er retten. 3000 Euro habe er dafür geboten. Das Problem: Wie soll er Hunderte Bücher abtransportieren? „Ich hätte erstmal Lagerräume finden müssen.“ Dazu würden Kosten für die Lagerung und den Abtransport kommen.

Doch bevor es so weit kam, habe er vom Insolvenzverwalter erfahren, dass der Vermieter mehr Geld als die von ihm gebotenen 3000 Euro wolle. Brune sagte deshalb ab.

Valeara will die Räume in der Bottroper Hochstraße entwickeln

Der Aussage, der Vermieter hätte mehr Geld verlangt, entgegnet Markus Böcker. „Es ist nie ums Geld gegangen.“ Ihm sei vom Insolvenzverwalter mitgeteilt worden, dass jemand (André Brune, d. Redaktion) an den Büchern interessiert sei. Es sei aber nicht klar abzuschätzen gewesen, zu welchem Zeitpunkt, ob überhaupt und wenn ja, wie viele Bücher abgeholt werden. Ein Datum, wann das Ladenlokal endgültig leer geräumt wird, konnte der Verwalter nicht konkret sagen.

Generell sagt Markus Böcker: „Es ging darum, jemanden zu finden, der die Bücher abholt.“ Er bezeichnet die Situation für die Interessenten als „logistische Herausforderung“. Die Rede ist nicht von haushaltsüblichen Mengen, sondern von mehreren Tonnen an Büchern. Das gilt sowohl für den Bestand im Erdgeschoss als auch im Keller. Beim Antiquariat wären es laut André Brune ungefähr 100 Regalmeter gewesen.

Wir hatten mit Valeara einen Nachmieter gefunden“, sagt Böcker. Nach Monaten des Leerstands und ohne Mieteinnahmen habe der Verwalter dann versucht, den Laden wieder nutzbar zu machen. „Mit Valeara stand ein Mieter parat, der diesen Standort entwickeln möchte und neue Räume benötigt“, so der Geschäftsführer von Imveca.

Gebäudeverwalter widerspricht Gerüchten: „Antiquariat ist erhalten geblieben“

André Brune fragt sich letztlich, was mit den Büchern und dem Antiquariat passiert ist. Gerüchten zufolge soll der gesamte Bestand inklusive Antiquariat in einer Müllverbrennung gelandet sein. Augenzeugen meldeten sich bei der WAZ, die gesehen haben, wie das Inventar, darunter auch Bücher, auf einen Hänger verladen wurden.

Markus Böcker: „Das alte Antiquariat ist erhalten geblieben und einem Historiker übergeben worden. Auch Mieter aus dem Gebäude sind gekommen und haben Bücher abgeholt. Ein großer Teil der Bücher hat Valeara für ihre verschiedenen Einrichtungen erhalten.“ Dies hat das Unternehmen auf WAZ-Nachfrage bestätigt.

Zum Rest der Bücher sagt er: „Wir müssen uns an gesetzliche Vorschriften halten. Die übrig gebliebenen Bücher sind entsprechend nach den gesetzlichen Richtlinien einem Entsorgungsunternehmen übergeben worden.“ Nach WAZ-Informationen endeten der Rest der Bücher und Teile des Inventars in der Müllverbrennung.

Ein Räumungsverkauf sei nicht möglich gewesen

Ein Verkauf des gesamten Buchbestands im Laden, zum Beispiel über einen Räumungsverkauf, war nicht umsetzbar. „Aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten war es nicht möglich, einen Räumungsverkauf zu tätigen“, teilt der zuständige Insolvenzverwalter auf WAZ-Nachfrage mit.

„Wer hätte diesen Räumungsverkauf durchführen sollen?“, fragt Markus Böcker. „Wir als Vermieter können und dürfen das nicht. Und auch der Insolvenzverwalter kann so etwas nicht.“ Auch das frühere Personal der Buchhandlung war nicht mehr da. Laut Insolvenzverwalter hätten einige von ihnen inzwischen andere Anstellungen gefunden.