Bottrop. Bei Facebook häufen sich Hetze gegen Flüchtlinge und Falschbehauptungen. Die Debatten sind erschreckend – und müssen anders geführt werden.

Es war ein Post wie viele andere auch: Ein Bottroper ärgert sich über einen Missstand in der Stadt. Er zeigt ein Foto der zugewachsenen Kirchhellener Straße, die Bäume wuchern bis über den Gehsteig, Fußgänger müssen auf die Fahrbahn wechseln. Nicht ungewöhnlich, dass jemand in einer Facebook-Gruppe seiner Wut Luft macht. Erschreckend aber ist, welche Debatte sich unter dem harmlosen Kommentar entfacht.

Denn da wird ein falscher Zusammenhang hergestellt, der beispielhaft ist für viele Debatten in der Stadt: Die Flüchtlinge seien Schuld, dass die Stadt nicht mit dem Grünschnitt hinterherkommt. Der Kontext scheint weit hergeholt, doch viele Facebook-Nutzer glauben das tatsächlich.

Hetze in Bottroper Facebook-Gruppen: Die falschen Schuldigen

„Da reichlich Geld für unsere Goldstücke benötigt wird bleibt für die eigenen Belange nichts mehr übrig“, schreibt eine Bottroperin. „Statt nur unser Geld zu kassieren, können sie auch mal etwas für die Gesellschaft tun.“ Sie bekommt für ihren Kommentar Zustimmung und drei Dutzend Likes.

Der Begriff „Goldstücke“ ist geprägt durch den früheren SPD-Kanzler-Kandidaten Martin Schulz, der 2016 bei einer Rede sagte: „Was die Flüchtlinge uns bringen, ist wertvoller als Gold. Es ist der unbeirrte Glaube an den Traum von Europa.“ Seitdem nutzen Hetzer diesen Begriff sarkastisch für Flüchtlinge. Das Landgericht Bremen bewertete die Formulierung vor vier Jahren als Hassrede.

Dass der städtische Fachbereich Umwelt und Grün den wuchernden Pflanzen nicht Herr wird, dass der Grünschnitt wegen fehlenden Personals nicht an allen Orten der Stadt geleistet werden kann, ignoriert die Facebook-Nutzerin – oder weiß es schlichtweg nicht. Dass das ein Missstand ist, steht außer Frage. Es hat allerdings rein gar nichts mit der Aufnahme von Flüchtlingen und den dadurch entstehenden Kosten zu tun – Flüchtlingsunterkünfte und Sozialleistung für Geflüchtete werden aus ganz anderen Töpfen bezahlt als die Mitarbeiter der Stadt.

Diesen Zusammenhang herzustellen, ist Hetze. Es ist Hassrede, die Menschen aufwiegelt, frei von Fakten und Tatsachen. Sie trägt nichts bei zu einem sinnvollen Diskurs über Aufnahmekapazitäten von Kommunen, fehlgeschlagene Integration oder kulturelle Konflikte mit Zugezogenen anderer Länder. Die Diskussion über die Höhe der Zuwendungen für Geflüchtete, um konsequente Abschiebungen, um fehlenden Arbeits- und Integrationswillen mancher Gruppen muss geführt werden – aber sachlich und faktenbasiert.

Sorgen ernstnehmen und bei Falschbehauptungen gegenhalten

Diese falsche Debatte in sozialen Netzwerken findet sich auch bei anderen Themenkomplexen. Da echauffieren sich Bottroperinnen und Bottroper, dass die Tafel Essen an einer Flüchtlingsunterkunft ausgeben will – obwohl das gar keine Auswirkungen auf die reguläre Essensausgabe der Tafel hat. Da behaupten Menschen, auswandern zu wollen, wenn in Bottrop ein orientalisches Einkaufscenter entsteht.

Diese Aussagen nur als Geschwätz von Rechten abzutun, sie gar als Nazis zu bezeichnen, wäre allerdings falsch. Sicherlich sind einige der hetzenden Menschen extrem rechts, viele von ihnen haben aber in Zeiten von Rekordinflation und Krieg in Europa schlichtweg Angst. Angst, dass ihnen jemand etwas wegnimmt, dass an ihrem eigenen Wohlstand gekratzt wird, weil anderen geholfen wird. Diese Sorgen muss man ernst nehmen. Und man muss immer wieder gegenhalten, wenn Personen – im realen Leben oder in sozialen Netzwerken – mit Falschbehauptungen Stimmung machen.