Bottrop. Feierabendverkehr: Nach Eröffnung der Berne-Brücke nimmt der Verkehr in Bottrop-Ebel wieder zu. Ein Besuch vor Ort und was Betroffene sagen.

Das erste Mal fühlt sich unschuldig an, das zweite Mal schon weniger. Spätestens beim dritten Mal müsste sich das schlechte Gewissen melden. So sollten sich diejenigen Autofahrer fühlen, die (täglich) über die wiedereröffnete Berne-Brücke fahren, obwohl sie weder dort wohnen noch jemanden besuchen, sondern Ebel nur als Abkürzung nehmen, weil sie an einem Werktag nicht im Stau stehen wollen.

Ein Besuch der WAZ zeigt: Die Brücke über die Berne ist zwar neu, aber die Verkehrsproblematik ist dieselbe wie vor sieben Jahren vor der Schließung. Es ist gegen 14.30 Uhr an einem Mittwoch und der Rückstau des Berufsverkehrs auf der Essener/ Borbecker Straße reicht bis aufs Essener Stadtgebiet, ein Ende lässt sich auf Höhe der Aluhütte Trimet erahnen.

Wo wollen diese Autos alle hin? Auf der Ebelstraße fahren seit der Wiedereröffnung der Berne-Brücke wieder viele Autofahrer durch den Stadtteil. Dieses Foto entstand an einem Mittwoch gegen 15 Uhr.
Wo wollen diese Autos alle hin? Auf der Ebelstraße fahren seit der Wiedereröffnung der Berne-Brücke wieder viele Autofahrer durch den Stadtteil. Dieses Foto entstand an einem Mittwoch gegen 15 Uhr. © Carsten Liebfried

In Ebel genügt ein Stopp auf dem Parkplatz am Berne-Park. Nur zwei Autos parken dort. Und doch herrscht reger Verkehr. Sofort fällt auf, dass der Verkehrsfluss wieder seinen gewohnten Weg nimmt. Über die Haßlacherstraße, Hafenstraße und Schürmannstraße fährt kaum ein Auto. Die einstigen Umleitungsstrecken sind wieder das, was sie einst waren – nämlich Straßen mit einer verhältnismäßig normalen Auslastung.

Feierabendverkehr: Auto überqueren die Brücke im Minutentakt

Ganz anders auf der Ebelstraße. Autos fahren im Minutentakt in den Ortskern. Mit einer Stoppuhr gemessen, überqueren am frühen Nachmittag im Schnitt circa sieben Autos pro Minute die neue Brücke. So unterschiedlich wie die Modelle sind auch die Autokennzeichen: Essen, Bochum, Duisburg, Recklinghausen und Oberhausen.

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Alle fahren an der Ebelstraße am Friseursalon der Familie Machnik vorbei. „Für uns wäre es besser, wenn weniger Verkehr wäre“, sagt Rita Machnik. Seit der Brückenöffnung habe der Durchgangsverkehr wieder zugenommen. Und wenn einer das beurteilen kann, dann die Familie Machnik.

Ihr Sohn Oliver betreibt den Salon in der zweiten Generation. Die Familie ist seit 60 Jahren in Ebel beheimatet, seit 45 Jahren an der Adresse „Ebelstraße 36“, davor 15 Jahre mit einem Geschäft auf der anderen Straßenseite. Rita Machnik: „Wir sind der einzige Friseur in Ebel.“ Die Kunden kommen nicht nur aus dem Stadtteil, sondern wie Rita Machnik sagt „auch aus Fuhlenbrock, Stadtmitte oder Essen und Oberhausen“.

Bottrop: In Ebel sind kaum noch Einzelhändler vor Ort

Die Machniks bekommen, wenn sie aus dem Fenster ihres Ladens schauen, den Verkehr hautnah zu Gesicht. Noch näher dran am Geschehen ist Semiha Idriz. Sie betreibt den Kiosk an der Bahnhofstraße/ Ecke Giesenfort seit 1993. Wenn das Büdchenfenster oben ist, hat sie den „besten“ Blick. „Das größte Problem ist die Schranke“, sagt sie. Ist die Schranke unweit der Emscher geschlossen, staut sich der Verkehr teilweise nicht nur bis zu ihrem Kiosk, sondern sogar bis zur Gabelung Ebelstraße/ Lichtenhorst auf mehreren Hundert Metern. So auch am Tag, als die WAZ vorbeischaut.

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Heinz Metzgen, Anwohner aus Ebel, ist kurz zu Gast am Kiosk, blickt auf die wartende Blechkarawane auf der Bahnhofstraße und sagt: „Der ganz normale Wahnsinn.“ Man könne die Uhr danach stellen, wann die Verkehrsbelastung im Stadtteil zunimmt. Semiha Idriz stimmt ihm zu. „Gegen 15 Uhr, 15.30 Uhr“, sagt sie. Und wann wird es ruhiger? „So um circa 18 Uhr, 18.30 Uhr.“

Als die Berne-Brücke gesperrt war, sei gefühlt weniger Autoverkehr vor ihrem Kiosk gewesen. Und jetzt? „Ich weiß nicht, wie sich das entwickelt. Die Brücke ist ja erst seit kurzer Zeit wieder geöffnet“, sagt sie. Heinz Metzgen dazu: „Also ich finde schon, dass der Verkehr wieder zugenommen hat.“ Wenn beide Ebeler von Verkehr sprechen, meinen sie vor allem Pkw und nicht Lkw.

Der einzige Kiosk in Ebel. Semiha Idriz betriebt ihn seit 30 Jahren. Ab 15 Uhr, so die Einschätzung der Inhaberin, pünktlich zum Feierabend steigt die Verkehrsbelastung vor ihrem Geschäft an der Bahnhofstraße/ Ecke Giesenfort.
Der einzige Kiosk in Ebel. Semiha Idriz betriebt ihn seit 30 Jahren. Ab 15 Uhr, so die Einschätzung der Inhaberin, pünktlich zum Feierabend steigt die Verkehrsbelastung vor ihrem Geschäft an der Bahnhofstraße/ Ecke Giesenfort. © Carsten Liebfried

Semiha Idriz wirkt ein wenig resigniert angesichts der Verkehrssituation. Nicht so ein Anwohner aus dem angrenzenden Heckenweg, der seinen Namen nicht nennen möchte. „Ich will mich nicht daran gewöhnen“, sagt er. Im Gespräch mit der WAZ macht er seinem Ärger Luft und flüchtet gelegentlich in Sarkasmus. „Wo wollen denn die Leute alle hin?“, fragt er spöttisch. „So viele Autos haben wir gar nicht in Ebel.“

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Dann fährt während des Gesprächs auch noch der SB 16 von Essen kommend auf der Bahnhofstraße in Richtung Bahnschranke. Warum? Der Busfahrer lässt auf der Essener/ Borbecker Straße die Fahrgäste vor der Abfahrt nach Ebel raus und biegt dann in den Stadtteil ab, um den Stau zu umfahren. Die Folge: noch mehr Lärm, Abgase und Rückstau – diesmal aber eben auf der Bahnhofstraße.

Anwohner in Ebel: „Schilder gibt es genug, hält sich aber keiner dran.“

Der Anwohner des Heckenwegs würde sich wünschen, dass eine Durchfahrt für Autofahrer in Ebel nicht mehr möglich ist. Die meisten Autofahrer bezeichnet er als „Individualtouristen“ und nennt die Schranke nahe der Emscher in Anlehnung an die Bergarbeitersiedlung nur scherzhaft „Glückauf-Schranke“. „Mal ist sie auf, mal ist sie zu“, sagt er.

Auch nach dem Feierabendverkehr kommen die Ebeler, die an den zentralen Straßen wohnen, kaum zur Ruhe. „Nachts gilt hier freie Fahrt“, so der Mann vom Heckenweg. Vor allem, wenn die Bahnschranke geöffnet ist. „Dann wird richtig Gas gegeben, weil der Motor unter der Autobahnbrücke so richtig schön hallt“, sagt er. Eigentlich gilt in Ebel die Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h. „Schilder haben wir genug hier“, meint der Anwohner, „aber da hält sich doch keiner dran“.