Bottrop. Am Hauptbahnhof gibts längst keine Wirtschaft mehr – die liegt nun am ZOB und hat eine Wirtin mit Herz. Unterwegs mit WAZ und Bottcast.
Bahnhof und Kneipe: Einst waren sie ebenso unzertrennlich wie Kirche und Wirtshaus. Seit das frühere „Knusperhäuschen“ dem neuen Hauptbahnhof gewichen ist, wird dort auch kein frisch Gezapftes mehr ausgeschenkt. Bottrops „Bahnhofskneipe“ muss man schon am ZOB, dem Busbahnhof, suchen. Da gibt es gleich zwei Pinten, wie man hier so sagt. Eine davon ist das König City. Dort steht seit gut zehn Jahren Bianca Naglieri Herrin am Zapfhahn.
Vorherige Folgen der Serie „Vorm Tresen - Hinterm Tresen“:
- Irini Hubert: die Dom-Schänke
- Irena Kus:das Keglereck
- Michael Pelikan: das Passmanns
- Bärbel & Dieter Werner:das Klosterstübchen
Eigentlich kennt sie das König City schon viel länger, hat schon in den 90er Jahren dort gearbeitet – und lenkt seit einem Jahrzehnt nun dort selbstständig die Geschicke. „Nicht immer einfach, denn das Umfeld hat sich doch sehr verändert“, sagt die Wirtin. Aber weg? Nein, das wolle sie auf keinen Fall. Ihre Gäste, das Lokal und auch Bottrop sind ihr sprichwörtlich ans Herz gewachsen. Dabei endet ihr Name weder auf -ski, wie so oft in Bottrop, noch lässt er einen westfälischen Einschlag vermuten, nicht einmal entfernt.
„Ich stamme aus Kroatien, mein Vater war Italiener und seit meinem sechsten Lebensjahr lebe ich in Deutschland“, erzählt Bianca Naglieri. Lange wohnt sie in Essen. Ihre Eltern hatten viele Jahre einen Imbiss am dortigen Viehofer Platz. „Da hat sich alles noch viel stärker verändert als hier in Bottrop“, weiß die Wirtin.
„Man muss neue Ideen umsetzen, um neue Gäste zu bekommen“
„Seid mal ruhig da drüben!“. Die Stammkundschaft am Tresen hat sie ab spätnachmittags im Griff. Aber das alles kommt augenzwinkernd-herzlich herüber. Sie weiß mit ihren Gästen umzugehen und auch, dass eine Kneipe heute längst kein Selbstläufer mehr ist. Das hat Bianca Naglieri, wie so viele andere auch, spätestens seit Corona zu spüren bekommen. Seither hat sie immer wieder auf neue Ideen gesetzt: die DJ-Auftritte am ersten und die offene Bühne am dritten Samstag im Monat haben ihr viele neue Gäste gebracht. „Das Tolle ist, dass die Idee der offenen Bühne sogar vor Corona von Gästen gekommen ist und die Bands, die hier auftreten, melden sich inzwischen sogar schon von sich aus“, freut sich die heute 70-Jährige, die längst nicht ans Aufhören denkt.
Durchhalten hat sie auch von ihrem Lebensgefährten, Gastwirt Roland Schulz, gelernt. Er starb vor zehn Jahren. Seither führt sie das König City alleine. „Wegen ihm bin ich auch von Essen nach Bottrop gezogen, mitten rein, auf die Hochstraße.“ Die Kneipenszene der Stadt kennt sie aber bereits viel länger – seit 1977. Ihre eigenen Stationen muten ein wenig wie der Rückblick auf alte Kneipenherrlichkeit an: Queen’s Pub, die „Kleine Theke“, die bis zu dessen Schließung im Hansa-Center war, der Victorian Pub und natürlich schon früher das König City. Aber auch die frühere „Konkurrenz“: Uhlenspiegel, Hannen Fass, Piccadilly, Schützenkrug, Gatsby: Als Wahl-Bottroperin mit 45 Jahren Orts- und Kneipenkenntnis sind das Namen, die nur so heraussprudeln.
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Ein wenig nostalgisch wird sie schon. „Es war eine andere Zeit, auch viele Politiker oder umliegende Geschäftsleute waren mehr in den Kneipen anzutreffen“, erinnert sich Bianca Naglieri. Und die Wirte untereinander hätten, bei aller natürlichen Konkurrenz, einen anderen Zusammenhalt gepflegt. „Viele kennt man heute gar nicht mehr. Schorsch vom Stadtcafé oder Reimbern, der früher das Passmanns hatte und die Kneipennacht organisierte, die sind noch vom alten Schlag… aber zurückblicken nützt ja nix“.
Sie ist froh, dass vor einiger Zeit wenigstens der Bauzaun am Hansa-Center wegkam. „Auch dafür hat sich, so viel ich weiß, einer meiner Stammgäste eingesetzt“, so die Gastwirtin. Zuvor war das König City regelrecht abgeschnitten, denn die Begrenzungsmauer des ZOB beengt die Situation am Rand des Berliner Platzes ja ohnehin. Seit dem Umbau zum ZOB habe sich auch ihr Lokal sehr verändert. Und die immer schwieriger werdende Umgebung des Berliner Platzes sei nicht gut fürs Image des Viertels.
Aber Bianca Naglieri bleibt. Sie liebt ihre Arbeit, hängt an ihren Gästen. „Mit 70 gehört man ja noch nicht zum alten Eisen.“ Was dann kommt, wird sich zeigen.
Was die Stammgäste im König City zu erzählen haben, gibt es bei der aktuellen Folge von „Vorm Tresen – Hinterm Tresen“ mit Piet und Alex vom Bottcast auf den üblichen Kanälen: der-bottcast.de. Zu hören ab der nächsten Woche.