Bottrop. Am 23. Juli 1919 eröffnet Haus an der Gladbecker Straße. Bis 1975 betreibt dort Familie Jackelen eine Konditorei. Gastro-Tradition geht weiter.

Nicht nur die Stadt, auch das Stadt-Café wird 100 Jahre alt. Denn nur kurz nach der offiziellen Verleihung der Stadtrechte an Bottrop, das bis dahin „größte Dorf Preußens“ im Juni 1919, wird das markante viergeschossige Eckhaus von Konditormeister Jakob Jackelen an der Gladbecker Straße/Ecke Gerichtsstraße fertiggestellt - und beherbergt seitdem das Stadt-Café.

Zunächst nur als Bäckerei und Konditorei, dann in der schnell beliebten Doppelfunktion mit Bier- und Weinausschank. „Die erweiterte Konzession von 1928 macht es möglich“, sagt Anneliese Schollkeper, geborene Jackelen.

Der letzte Inhaber der Gründerfamilie: Hans Jackelen (l.) mit dem langjährigen Pächter Hansi Vieth.
Der letzte Inhaber der Gründerfamilie: Hans Jackelen (l.) mit dem langjährigen Pächter Hansi Vieth. © Tamara Ramos

Die Enkelin von Jakob Jackelen erinnert sich gut an den Café- und Gastbetrieb in dem großen Haus, von dem ihre Eltern sich 1975 zurückziehen.

Oben wohnt die Familie mit Haushälterin und zumeist zwei Lehrlingen, unten sind Café, Verkaufsgeschäft und seitlich die Backstube.

Keine Konzession im 1. Weltkrieg

„Jackeehlen“, wie die Bottroper den Namen nicht ganz korrekt aussprechen, ist über Jahrzehnte ein Begriff in der Stadt. Und der Name? „Den gab mein Großvater dem Café als er merkte, das Pâtisserie & Boulangerie oder Wiener Cafésalon in Bottrop nicht so ziehen würden“, erzählt Anneliese Schollkemper.

Ursprünglich stammen die Jackelens aus der Eifel. Der spätere Firmengründer Jakob begab sich nach seine Lehre auf Wanderschaft, arbeitet im Ausland, verliebt sich vor allem in Paris und das dort auf höchstem Niveau gepflegte Pâtisserie-Handwerk. Als er sich 1911 in Bottrop niederlässt, versteht er, dass er hier etwas bodenständiger sein muss. Er kauft das Grundstück von Justizrat Schuck, reißt das alte kleine Haus ab, bereits 1914 soll Richtfest sein.

Der 1. Weltkrieg macht Jakob Jackelen einen Strich durch die Rechnung. Er wird eingezogen und das Café kann er auch nicht eröffnen, weil es im Krieg keine Konzession gibt. Dafür macht er 1919 Nägel mit Köpfen: Der große Eckbau ist am 23. Juli fertig. Zwei Tage zuvor erhält Bottrop die Stadtrechte. Jakob Jackelen nennt sein Café nun „Stadt-Café“.

Anneliese Schollkemper, Enkelin des Stadt-Café-Gründers Jakob Jackelen  sichtet mit dem heutigen Inhaber Georg Louven alte Akten und Fotos aus der 100-jährigen Geschichte des Hauses.
Anneliese Schollkemper, Enkelin des Stadt-Café-Gründers Jakob Jackelen sichtet mit dem heutigen Inhaber Georg Louven alte Akten und Fotos aus der 100-jährigen Geschichte des Hauses. © Tamara Ramos

„Ein bisschen Pariser Flair wollten Großeltern und Eltern doch noch haben und lassen Holztäfelungen und später die großen Wandbilder anbringen, die heute noch als Reproduktionen den Gastraum an der Gladbecker Straße zieren: Montmartre, Sacré Coeur und hübsche Pariserinnen auf zerbrechlichen Stühlen im Straßencafé.

Keimzelle der neuen Gastromeile

Vieles hat mit dem Auszug der Familie Jackelen 1975 das Haus verlassen. Besteck, Handwerksgeräte für Marzipanfiguren und -torten sowie Pralinen - dafür war ihr Vater Hans Jackelen berühmt - oder die alte Wandkaffeemaschine hat Anneliese Schollkemper jedoch gerettet.

Vielleicht kann alles am Jubiläumstag mit alten Bildern in einer kleinen Ausstellung gezeigt werden. Georg Louven, der auf die Pächter Reintjes, Blady, Vieth und Korbel folgt, zunächst zusammen mit Reimbern von Wedel-Parlow, seit 2013 in Eigenregie, ist dafür schnell zu gewinnen. Er hat auch ein altes Glasfenster mit Bottroper Stadtwappen wieder herrichten lassen. „Das soll nun bald wieder von hinten beleuchtet im Gastraum hängen“, sagt Louven, den die meisten nur als „Schorsch“ kennen.

2012 erwirbt Unternehmer Oliver Helmke des Eckhaus von den Geschwistern Jackelen. „Um diese Zeit herum entsteht auch die Idee von der Gladbecker Straße als neuer Gastromeile“, so Georg Louven. „Und ich glaube, das Stadt-Café hat dort seinen Platz gefunden.“ Er sieht das Stadt-Café als Teil des Mosaiks aus Hürter, Corretto, König-Bierhaus, der Mühle oder Il Vinaio und den verschiedenen Restaurants, die das Quartier vor allem abends beleben. Vor dem Jubiläum im Sommer steht aber erst einmal die Kneipennacht im März an.