Bottrop. Die Stadt Bottrop will ein Flüchtlingsheim für 25 männliche Jugendliche einrichten. Die Bürger haben Angst: um ihre Familien und vor Konflikten.
Viele Bewohnerinnen und Bewohner im Wohnviertel am Morianhaus haben Angst vor dem, was demnächst auf sie zukommt. Die Stadt wird in der alten Bergbauschulungsstätte ein Wohnheim für geflüchtete Jugendliche einrichten. Es ist die mit Abstand kleinste Flüchtlingsunterkunft in Bottrop überhaupt. Höchstens 25 männliche Jugendliche, von denen jeder ohne Eltern oder Verwandte allein auf der Flucht ist, kommen in dem Bau an der Morianstraße unter. Doch die Menschen in dem Wohngebiet haben die Sorge, dass es jetzt noch schlimmer wird.
Mehr als 100 Leute waren in den Saal von St. Michael gekommen – viermal so viele wie in das Wohnheim einziehen werden – und etliche ließen die Vertreterinnen und Vertreter des Stadtrates und der Verwaltung ihren Unmut und ihr Unbehagen spüren. Sozialdezernentin Karen Alexius-Eifert kam kaum dazu, die Gründe für die Eröffnung des Jugendwohnheimes zu erklären. „Die Kommunen müssen Flüchtlinge aufnehmen. Darauf haben wir keinen Einfluss. Wir wissen dabei weder Bescheid, was die Anzahl noch die Herkunftsländer der Flüchtlinge angeht“, erläuterte sie die Zwangslage, in der auch die Stadt steckt.
Bottrop verteilt Unterkünfte jetzt gleichmäßig in der Stadt
Dabei wurde die Dezernentin immer wieder von aufgebrachten Zwischenrufern und extra aufgetauchten Störern unterbrochen. Die schwarz-grüne Landesregierung nehme keine Rücksicht darauf, ob die Stadt überhaupt Platz für Flüchtlinge habe, kritisierte Karen Alexius-Eifert. Sie versuchte auch, mit dem Irrglauben aufzuräumen, dass Unterkünfte ausschließlich im Süden der Stadt geschaffen werden. „Im Gegensatz zur Flüchtlingskrise 2015/16 war es uns ein großes Anliegen, Flüchtlingsunterkünfte möglichst gleichmäßig im Stadtgebiet zu verteilen“, versicherte sie.
Die Reaktion im Saal war lautes, ungläubiges Gelächter. Doch Karen Alexius-Eifert wies beharrlich auf Fakten hin. „Von den über 900 Plätzen für Flüchtlinge sind 450 in Kirchhellen, Grafenwald und Feldhausen“, sagte sie. Sie räumte zwar ebenso wie Sozialausschussvorsitzender Matthias Buschfeld (SPD) ein, dass es früher das auch jetzt noch beklagte Ungleichgewicht zu Lasten des Bottroper Südens gab, aber: Zurzeit befinden sich bis auf Fuhlenbrock und Ebel in allen Bottroper Stadtteilen Flüchtlingsunterkünfte. Die Anwohnerinnen und Anwohner im Saal besänftigte das aber kaum.
Anwohner klagen über schlimme Erfahrungen mit Flüchtlingsheim
Direkt gegenüber vom Versammlungsort liegt auf der anderen Straßenseite in der früheren Albrecht-Dürer-Schule eine Unterkunft für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Damit haben die Bewohner in dem Viertel offensichtlich keine Probleme. Etliche Bürgerinnen berichten aber von den sie offenkundig prägenden sehr schlechten Erfahrungen, die sie mit dem auch nicht weit entfernten Knippenburg-Flüchtlingsheim machen mussten. Vor allem mit Bewohnern der Häuser direkt am Morianheim gebe es ebenfalls immer wieder Konflikte, klagen Anwohnerinnen.
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Sie schildern in teils drastischen Worten, dass es in der Gegend zu Beschädigungen und Verschmutzungen sowie zu Anfeindungen, massiven Belästigungen, Bedrohungen und Gewalttaten gekommen sei. Er habe sich erst vor kurzem selbst einen Eindruck verschafft, erklärte SPD-Ratsherr Matthias Buschfeld. „Ich war über die Zustände entsetzt“, versicherte er und sagte zu, dass sich die Stadt verstärkt um die Probleme dort kümmern werde. „Das darf nicht so bleiben“, betonte er.
Sicherheitsdienst schützt auch die jungen Flüchtlinge
Die Stadt müsse nicht nur Flüchtlinge generell aufnehmen, sondern sei auch verpflichtet, sich um minderjährige Flüchtlinge zu kümmern, erklärte Sozialdezernentin Alexius-Eifert. „Sie kommen dann in die Obhut des Jugendamtes“, sagte sie. Dessen Leiterin machte klar, dass das Betreuungskonzept für das Morianhaus dasselbe sei wie für andere Jugendeinrichtungen, in denen deutsche Kinder und Jugendliche wohnen, die keine Eltern mehr haben oder mit ihren Familien nicht klar kommen.
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„Ziel ist es, dass die Jugendlichen so schnell wie möglich zur Schule gehen. Sie sind also gar nicht den ganzen Tag über da. Es wird immer jemand für sie da sein“, sagte Daniela Bockholt. Es werden Betreuer sein, die sprachkundig sind und auch Sicherheitskräfte. Letztere sorgten vor allem dafür, dass niemand unbefugt das Flüchtlingsheim betreten könne. Sie werden nicht etwa eingesetzt, weil das Jugendamt die Jugendlichen selbst womöglich für gefährlich halte, räumte Beigeordnete Karen Alexius-Eifert mit einem weiteren Vorurteil auf.
Bottroper Familien haben Angst um Frauen und Kinder
Die Anwohner haben aber Zweifel, ob der abendliche Einsatz von Sicherheitskräften ausreicht. Sie wünschen sich auch abends und nachts pädagogische Betreuer, machten einige Rednerinnen deutlich. Etliche Bürger sagten außerdem ganz offen, dass sie einfach Angst haben: um ihre Familien, vor Konflikten und um ihre Häuser. Die Frauen haben Angst, abends allein herauszugehen. Die Eltern haben Angst, ihre Kinder allein zur Schule oder auf die Straße gehen zu lassen. Und einer sagt: Das Fass ist längst übergelaufen. Die Leute sind auf 280!