Bottrop/Essen. Der Skandal um pädophile Priester in Bottrop in den 1970er-Jahren bekommt eine Fortsetzung. Das Bistum Essen berichtet von einem weiteren Täter.

Der Fall des wegen sexuellen Missbrauchs von Jungen verurteilten Ex-Priesters Peter H., der in den 1970er-Jahren in der Bottroper Gemeinde St. Cyriakus Kinder sexuell missbraucht hat, bekommt eine verstörende Fortsetzung. Das Bistum Essen deckte seinerzeit den pädophilen Priester und schickte ihn nach Bayern, wo er weitere Kinder missbrauchte. Ausgerechnet sein Nachfolger in Bottrop, Kaplan Michael P., soll in St. Cyriakus weiter Jungen missbraucht haben. Das bestätigt Ulrich Lota, Sprecher des Bistums Essen. Die Rede ist von sechs Fällen.

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„Über den Fall haben wir schon vor drei, vier Jahren geredet“, sagt Markus Elstner, Gründer einer Selbsthilfegruppe von Opfern pädophiler Priester und Mitglied der Betroffenenkommission im Bistum Essen. Elstner kennt nach eigenen Angaben mindestens ein Opfer des Kaplans P. Der Nachfolger von Peter H. war in St. Cyriakus tätig von 1978 bis 1980. Weitere kirchliche Stationen waren St. Joseph in Essen-Katernberg, in St. Ludgerus in Essen-Rüttenscheid und in St. Katharina in Oberhausen, bestätigt Lota Recherchen des Netzwerks „Correctiv“.

Der Fall Peter H. hatte bundesweit Schlagzeilen gemacht, weil er nahezu beispielhaft steht für den Umgang der katholischen Kirche mit Missbrauchstätern: Die Übergriffe an mindestens 29 Jungen wurden jahrzehntelang gedeckt, obwohl die Pädophilie des Priesters seit Ende der 1970er Jahre im Bistum Essen aktenkundig war. Statt ihn zu suspendieren, schickte die Essener Bistumsleitung Peter H. 1980 zur Therapie nach München. Dort wurde er an mehrere Orte in Oberbayern versetzt. Erzbischof bei dem Wechsel von H. nach München war damals Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI. Er nahm an einer Sitzung teil, in der über diese Frage beraten wurde. Dass er von der Vorgeschichte des damaligen Priesters wusste, bestritt der inzwischen verstorbene Benedikt XVI. bis zuletzt; ebenso, dass er davon Kenntnis hatte, dass H. erneut in der Seelsorge eingesetzt wurde.

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1986 verurteilte das Amtsgericht Ebersberg Peter H. wegen sexuellen Missbrauchs von minderjährigen Jungen. Doch Peter H. wurde erneut nur versetzt, dieses Mal nach Garching an der Alz. Dort soll er weitere Kinder missbraucht haben. Strafrechtlich sind die Vorwürfe verjährt. Der Berliner Rechtsanwalt Andreas Schulz hat nun aber für ein mutmaßliches Opfer von Peter H. zivilrechtlich eine Feststellungsklage eingereicht und fordert Schadensersatz. Das Landgericht Traunstein hat angeordnet: Peter H. muss am 28. März vor dem Landgericht Traunstein persönlich erscheinen.

Bottroper Propst Cleve: „Hat mich fassungslos zurückgelassen“

„Dass in Bottrop zwei Priester hintereinander zu Tätern wurden, hat mich fassungslos zurückgelassen“, sagt Propst Jürgen Cleve zum Fall Michael P. „Jeder einzelne Fall von sexuellem Missbrauch ist schrecklich, aber das ist fast unvorstellbar.“ Cleve hat von dem Fall erfahren von Eltern eines der Opfer von Michael P. „Das hat mir auch gezeigt, dass der Kreis der Betroffenen noch größer ist als bisher angenommen.“

Das Bistum Essen hat bereits eine juristische Studie zur sexualisierten Gewalt erarbeiten lassen. Am 14. Februar wird das Bistum nun eine sozialwissenschaftliche Studie zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im Bistum Essen vorstellen und in sechs Fällen tief gehende Ursachenforschung betreiben. Dem Betroffenenbeirat ist die Studie bereits letzte Woche vorgestellt worden, sagt Markus Elstner. Eine zentrale Rolle spielen darin nach seinen Angaben die Fälle Peter H. und Michael P. „Bottrop“, sagt Elstner, „scheint in den 1970er und 80er Jahren ein Nest für pädophile Priester gewesen zu sein.“ P. selbst kann sich zu den Vorwürfen nicht mehr äußern: Er ist 2019 gestorben.